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Ausgabe:

1989

Spalte:

852-853

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Maron, Gottfried

Titel/Untertitel:

Zum Gespräch mit Rom 1989

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 1 1

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In einem ersten Teil werden die neuen Hochgebete reihenweise
beschrieben sowie ihr Entstehungs- und Rezeptionsprozess je in der
römisch-katholischen Kirche und in den auf amerikanischen Boden
angesiedelten größeren Reformationskirchen (lutherisch, reformiert,
anglikanisch, methodistisch). Letzteres ist von besonderem Interesse,
denn die hiesigen Autoren waren selber an dieser Geschichte beteiligt:
H. B. Porter (episkopal = anglikanisch), Gail Ramshaw (lutherisch),
J. F. White (methodistisch), A. B. Duba (presbyterianisch).

Im zweiten Teil werden die meistens gemeinsamen Strukturen der
neuen Hochgebete nach ihrem genaueren Wortlaut analysiert: Prä-
fation, Sanctus und Postsanctus (A. F. Detscher), Einsetzungsworte
(G. W. Lathrop), Anamnese-Oblatio (D. N. Power), Epiklese
(J. H. McKenna), Fürbitten und Mementos(F. C. Senn), Schlußdoxo-
logie (G. Ramshaw). Historisch kann nach Lathrop (lutherisch) der
wechselnde und gemischte Charakter der Einsetzungsworte in den
verschiedenen Traditionen und Riten aus oralimprovisatorischcn und
schriftharmonisierenden Gründen erklärt werden; systematisch ist
dieses Phänomen als Offenheit zur immer neuen Präsenz Christi bei
jeder Feier zu werten und zu schätzen. Power (römisch-katholisch)
kritisiert das „offerimus tibi eius corpus et sanguinem" des vierten
römischen Hochgebets als allzu eindeutigen Ausdruck des historisch
und theologisch schillernden Begriffs des Opfers: als Strukturelement
des Hochgebets sei die technische Anamnese als Uberleitung von der
Danksagung zur Fürbitte zu verstehen, vom „Memores" zum
„Memento" (vgl. C. Giraudo, La struttura letteraria della preghiera
eucaristica, 1981). McKenna (auch römisch-katholisch) tadelt in den
römischen Hochgebelen die „Spaltung" der Epiklese (Herabrufung
des Geistes auf Brot und Wein vor den als konsekratorisch überbewerteten
Einsetzungsworten, und danach auf die feiernde Gemeinde
hinsichtlich der „Früchte" der Kommunion) und bevorzugt
die methodistische Fassung, die auf die Einsetzungsworte folgt: "Pour
out your Holy Spirit on us, gathered hcre, and on these gifts of bread
and wine. Make them be for us the body and blood of Christ, that we
may be for the world the body of Christ, redeemed by his blood. By
your Spirit make us one with Christ, one with each other and onc in
ministry to all the world. until Christ comes in final victory and we
feest at his heavenly banquet" In einem letzten Kapitel dieses zweiten
Teils plädiert der Benediktiner K. Seasoltz für ein umfassenderes Verständnis
des Hochgebets, das nicht nur verbal-doktrinal sein, sondern
auch Sicht und Geste miteinschließen sollte, und zwar im Wechselspiel
zwischen Vorsteher und Gemeinde.

Im Schlußteil des Buches kommt D. N. Power wieder ans Wort, um
einen Nach- und Vorblick zu liefern. Pastoraltheologisch verficht er
für unser gequältes Zeitalter die Integration des „Klageliedes" ins
Hochgebet. Liturgietechnisch bedauert er die fast universale Herrschaft
des westsyrischen bzw. antiochenischen Modells in den neugeschaffenen
Hochgebeten: verschiedene Strukturen sollten verfügbar
sein - einschließlich eines eigenständigen Rezitierens der Einsetzungsworte
als evangelische Proklamation (lutherischen Stils) bzw. als
„Patent" (nach reformierter Art).

Das ist nicht das einzige ironische Moment dieses Sammelbandes.
Der Presbyterianer Duba notiert z. B. die Wiederentdeckung des trini-
tarischen Charakters des Hochgebets, anerkannt aber zugleich die
Schwierigkeit, die man in dieser feministisch beeinflußten Kirche
empfindet, Gott als Vater und Sohn zu benennen. Dann schreibt die
Lutheranerin Gail Ramshaw: 'Tt is no longer defensible for Lutherans
to continue their eccentrie refusal to speak the language ofofferingand
sacrifice in the eucharist. Merely repeating late medieval quarreis,
which surfaced in a far different Situation and were earries on in Latin
and European languages, keeps Luthcranism in a linguistic time-warp
and turns the Lutheran movement in the church catholic into an
anachronistic sect" (770- Der schon mehrmals zitierte Pater Power
kann hingegen mit einer „opferfreien" Messe rechnen, da das Opfer
nur eine unter vielen biblischen „Metaphern" für das Erlösungswerk
Christ ist.

Der ökumenische Wert dieses Buchs und der darin beschriebenen

Prozesse und Produkte besteht aber nicht nur in Verwechselungen der
kontroverstheologischen Fronten. Das Buch bezeugt eine imponierende
interkonfessionelle Konvergenz im Verständnis und in der
Praxis des Herrenmahls als Lob und Dank an Gott den Schöpfer und
Erlöser, der hier Vergebung und Erneuerung gnädig gewährt, als
Gedächtnis des Christus praesens, als Anrufung des Heiligen Geistes,
als Gemeinschaft mit den Gläubigen aller Zeiten und Orte, als Ausblick
und Vorgeschmack des ewigen Gottesreichs. Dafür bleibt - trotz
ihres didaktischen und „Taufe, Eucharistie und Amt" überthematisierenden
Charakters - die sogenannte Lima-Liturgie ein hervorragendes
Beispiel. (Wäre deren „gespaltene Epiklese" eine „ökumenische
Geste zugunsten Roms", fragt sich McKenna, 185). Man denke
auch an die weitverbreiteten Adaptionen der hypolitischen Anaphora
aus der „Apostolischen Tradition" sowie an das von allen hier vertretenen
amerikanischen protestantischen Kirchen adoptierte „Gemeinsame
Hochgebet", d. h. das vierte römische, „basilianische"
Hochgebet mit Modifikationen in Richtung einer integralen Epiklcse
und einer subtileren Oblatio.

Durham/USA GeofTrcy Wainwright

Ökumenik: Allgemeines

Maron, Gottfried: Zum Gespräch mit Rom. Beiträge aus evangelischer
Sicht. Götlingcn: Vandenhoeck& Ruprecht 1988. 314S. 8'
= Bensheimer Hefte, 69. Kart. DM 25,-.

Am 5. März 1988 vollendete Gottfried Maron, Professor Für
Kirchengeschichte an der Universität Kiel, sein 60. Lebensjahr. Aus
diesem Anlaß veröffentlichten die Mitarbeiter des Konfessionskund-
lichen Instituts des Evangelischen Bundes, dessen Präsident Maron
seit 1979 ist, diese Sammlung verschiedenlächcr Arbeiten des Jubilars
zum Themenbereich der römisch-katholischen Kirche. Selber langjähriger
Mitarbeiter dieses Institutes, gewann Maron intensive Einblicke
in Geschichte und Theologie der katholischen Kirche. 1962 bis
1965 war er z. B. aufmerksamer Beobacher des II. Vatikanische"
Konzils (im Auftrage der Evangelischen Kirche in Deutsehland) und
trug mit seinen regelmäßigen Berichten aus Rom entscheidend dazu
bei, die Ergebnisse des Konzils gerade auch in der evangelischen
Kirche schnell bekannt zu machen, sie zu verstehen und selber aufzunehmen
so, daß bald ein „Gespräch mit Rom" in Gang kam. (Eigentlich
ist es schade, daß von diesen Berichten nicht auch eine Probe 1,1
die Sammlung aulgenommen wurde.)

Die insgesamt 17 Aufsätze aus den Jahren von 1961 bis 1983
bewegen sich, entsprechend dem wissenschaftlichen Werdegang des
Autors und den Schwerpunkten seiner Arbeit, so gut wie alle im
Grenzbereich der beiden Disziplinen Kirchengeschichte und Konfe*"
sionskunde. Und wie überhaupt der Platz der Konfessionskunde im
Verband der klassischen theologischen Disziplinen nicht so ganz
exakt zu besehreiben ist, liegt es nahe, daß Maron sie von seiner Warte
als Kirchengeschichtler aus betreibt.

Die Herausgeber ordnen die einzelnen Beiträge drei großen
Themenbereichen zu: 1. Geschichte und Gegenwart (hier u. a. ..V* &
heißt Reformation?" [1981], „Reform und Reformation" [1961]-
„Harnack und der römische Katholizismus" [1969]); 2. Maria (darunter
: „Maria zwischen .Ökumenismus' und .Feminismus'" [1983]
und „Maria in der protestantischen Theologie" [1983]): 3. Papst und
Konzil (auch hier nur einige Titel: „100 Jahre päpstliche Unfehlbarkeil
" [1970], „Zum Tode Johannes' XXIII." [1963], „Der römische
Katholizismus nach dem Konzil" [1966]). Eine Bibliographie der
Arbeiten von Gottfried Maron, bearbeitet von J. Haustein, rundet das
Werk ab.

Schon diese kurze und ja nur auswählende Aufzählung zeigt, daß es
sich durchweg um Arbeiten handelt, die es verdienen, aus den z. T-
etwas entlegenen Orten der Erstveröffentlichung heraus jetzt noch