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Ausgabe:

1989

Spalte:

850-852

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

New eucharistic prayers 1989

Rezensent:

Wainwright, Geoffrey

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849 Theologische Literalurzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 11 850

„archetypische Stadien der seelischen Entwicklung dar" (53). Rituale
-so auch die Taufe-begehen solch mythisch-psychischen Zusammenhang
auf „ganzheitliche" (was immer das sein mag), jedenfalls
nicht rational vermittelte Weise (9f): sie ermöglichen unmittelbare,
„gleichzeitige" Teilhabe und sind darin „symbolischer Ausdruck der
allgemein-menschlichen Erfahrung" (691). Den ideologischen Hintergrund
solcher Rede bildet - das ist deutlich - die Lehre G. G. Jungs
von den „Archetypen als allgemein-menschliche(n) Formen der
Anschauung", die nicht individuell erlernt und Icbensgcschiehtlich
erworben, sondern ererbt (und das muß heute doch wohl heißen:
durch den genetischen Kode fixiert und tradiert) werden; „Ver-
stehensmuster", die das „Kollektive Unbewußte" ausmachen, in ihm
gespeichert sind (54). Werdern genetischen Kode solche diffizilen Leistungen
nicht zutraut bzw. der Möglichkeit einer Vererbung menschheitsgeschichtlich
erworbener (Un-)Bewußtseinszustände skeptisch
gegenübersteht, wird es schwer haben, in dem hier errichteten
Gedankengebäude Platz zu nehmen . . .

Eine andere Frage ist, wie solche Lehreden Mythen selbst, auch den
Riten, in denen sie sich darstellen und vergegenwärtigen, gerecht zu
werden vermag: Stiehlt sie nicht - indem sie Geschichte(n) in Natur
verwandelt - die ihnen eigene Wahrheit! Anders: Können sie -
solchermaßen als Projektionen psychischer Verhältnisse entlarvt -
überhaupt noch die ihnen eigene Leistung „symbolischen" Weltverstehens
(48; als Komplement wissenschaftlich-rationalen Denkens)
erbringen? Ist nicht ein rituelles Verhalten, das um diese Zusammenhänge
im Grundsatz weiß (auch wenn es sie je und je zu verdrängen
vermag), etwas gänzlich anderes als das ursprüngliche Kulthandeln,
in dem „der Mensch den Weg des Gottes oder des göttlichen Helden
mit Leib und Seele nach(vollzicht)" (9)?

Eine weitere Frage ist. ob und wie solche Doktrin-sich mit theologischen
Sprach- und Denkfiguren vermitteln läßt. Die Lösung, die der
Vf. anbietet, lautet: „Der christliche Taufritus entspricht formal der
Grundstruktur aller Einweihungsriten, aber er unterscheidet sich
inhaltlich durch seine Bezogcnheit auf das Christusgeschehen von
allen außerchristlichen F.inwcihungsritcn" (40). Diese Lösung geht
jedoch - folgt man wirklich der tiefenpsychologischen Doktrin - so
schlicht nicht auf (und widerspricht mit ihrer Form-Inhalt-
Dichotomie auch allem, was wir über das Funktionieren symbolischer
Kommunikation wissen). Die universal verbreiteten Einweihungsriten
zeichnen sich ja nach dieser Doktrin gerade dadurch aus. daß sie
effektiv bewirken, was sie rituell darstellen: Indem sie Sterben und
Wiedergeburt im Ritus vollziehen, ermöglichen sie es dem einzelnen
(wie auch Gruppen), vergangenen Daseinsweisen abzusterben und
neue Daseinsweisen zu gewinnen (18); dabei geht es - der Vf. betont
dies ausdrücklich - nicht nur um Wandlung, „sondern um Transzen-
dicrung des natürlichen Lebens" (20). Sie zeigen somit „ein bleibendes
, unabweisbares Bedürfnis nach Erneuerung und Wiedergeburt"
(41) nicht nur an. sondern erfüllen es je auf ihre Weise. Die Taufe,
solchermaßen konsequent als „Einweihungsritus" verstanden, ist
dann nur eine Gestalt neben anderen, durch die sich „ein archetypisches
Bedürfnis der menschlichen Seele" (42) Ausdruck und
Erfüllung verschallt. Man muß die Doktrin schon gehörig zurechtstutzen
- vielleicht gar mißverstehen - und die religionsgeschichtlichcn
Phänomene ins Reich der „Schatten" (84) verweisen, um nun doch
die „Offenbarung" in ihrer Unvcrgleichlichkeit (41) ins Spiel bringen
zu können - „als Anwort auf all das . . ., was in dem Mcnschengeisl
nach Sakramenten verlangt" (83). Analogia entis: Ein „wesensmäßiger
Zusammenhang" besteht zwischen der sichtbaren Welt und der
unsichtbaren Welt Gottes; „Dinge der materiellen Wirklichkeit"
haben als Symbole teil an der ewigen Wirklichkeit, die sie repräsentieren
(84); aber erst im Lichte der Offenbarung werden sie „durchsichtig
", gewinnen sie ihren „letztgültigen Sinn" (84, 41). Dem folge, wer
Will.

Zum Inhalt: Im ersten Kapitel zeigt der Vf.. wie Einweihungsrilen
in allen Kulturen in dem seit A. van Gennep (wird nicht erwähnt!)
bekannten Dreischritt von Trennungs-, Marginalitäts- und Eingliede-

rungsphasc lebensnotwendige Übergänge im individuellen Dasein
begleiten und strukturieren (I7ff). Die Erkenntnis, daß die Taufe in
ihrer Struktur diesem Dreischritt folgt, ist nicht neu (vgl. ThLZ 112.
1987. 785-798). Wie das Christusereignis - als inhaltlich unterscheidender
Bezugspunkt christlichen Initiationshandelns-als „geschichtliches
Ereignis" und zugleich als „urbildliches Geschehen" (im Sinne
von Mythentheorie und tiefenpsychologischer Doktrin) gefaßt werden
kann, wird nicht weiter erläutert ; gleiches gilt Für den hier postulierten
Gegensatz von „mystischer Vereinigung" und „reale(r) Kommunikation
" mit dem „Schicksal" Christi (39).

Im zweiten Kapitel geht es um die „symbolische Bedeutung des
Wassers" (43ff). Daß hier wieder CG. Jung bemüht wird, versteht
sich von selbst: „Auch das Taufwasser, das durch den männlichen
Geist Gottes befruchtet wird, hat weiblichen Charakter. . ." (73). Als
Archetypus ist „Wasser" selbstverständlich auch inhaltlich vielfältig
gefüllt (das Buch selbst Führt das ja extensiv vor. 48-68!). so daß es
wenig durchdacht erscheint, wenn der Vf. in unterscheidender
Absicht behauptet: „Die allgemein-menschliche Natur hält das
Symbol Wasser als Form und Gefäß bereit. Inhaltlich bestimmt wird
es durch die christliche Offenbarung Gottes . . ."(70).

Drittes und viertes Kapitel („Geschichten zur Taufe". 87ff; „Urbild
und Einsetzung der Taufe", 135IT) versuchen sich an der tiefenpsychologischen
Interpretation biblischer Texte, die traditionell in
einer Beziehung zur Taufe stehen: „Sie erzählen von geschichtlichen
Ereignissen in symbolischer Sprache" (126). auch und vor allem dort.
WO sie von einem Geschehen berichten, „das sich in Zeit und Raum
niemals zugetragen hat und sich doch zu jeder Zeit und an jedem Ort
immer wieder ereignet" (127); sie bedürfen darum „symbolische(r)
Auslegung", die das „äußere Geschehen als Bild für Vorgänge, die
sich in unserem Inneren abspielen", deutet (128: wobei die historisch-
kritische Methode als „männlich", die symbolische als „weiblich"
apostrophiert wird, 131).

Im letzten Kapitel („Die Taufe - heute", 159fT) schildert der Vf. die
Entwicklung von der Kinder- zur Erwachsenentaufe (160IT), erörtert
einzelne Elemente der Taufliturgie (16411). dokumentiert (unter der
optimistischen Uberschrift „Die Wiederentdeckung der ursprünglichen
Taufe", I73ff)den Streit um die Kindertaufe sowie das Lima-
Dokument und ergreift vorsichtig Partei für „das gleichberechtigte
Nebeneinander von Kindertaufe und Erwachsenentaufe" (189).

Immer wieder finden sich kulturkritische Passagen, die etwa die
ökologische Krise auf die „Entsakralisierung und Vcrobjektivierung"
der Schöpfung zurückführen und sich von der Erneuerung eines
symbolisch-sakramentalen Wcltverhältnisses die Lösung gegenwärtiger
Welt-Probleme erhoffen (851). Zudem kennen - so der Vf. -
moderne pluralistische Gesellschallen keine kollektiven Einweihungsriten
mehr; sie verhindern „Initiationserfahrungen", weil in
ihnen „die Welt ihre Sakralität verloren hat", was auch darin zum
Ausdruck kommt, daß entscheidende Lebensschritte rückgängig
gemacht werden können (41). Weil jedoch das „Bedürfnis nach
Erneuerung und Wiedergeburt" unausrottbar ist, hofft er zugleich auf
„eine Wiederbelebung kollektiver Initiationsriten" (191) - und damit
insgeheim wohl auf eine Rc-Christianisicrung der Gesellschaft im
Sinne einer wie auch immer zu bewerkstelligenden Re-Sakrali-
sierung.

Berlin Karl-Heinrich Bicritz

Senn, Frank C. [Ed.]: New Eucharistie Prayers. An ecumenical Study
of their Development and Structure. New York-Mahwah: Paulist
1987. VII,262S.gr. 8'. Pb. $ I 1.95.

Dieses Buch entstammt einer Arbeitsgruppe der North American
Academy of Liturgy. Es behandelt die erstaunliche Vermehrung von
neuen oder revidierten eucharistischen Hochgebeten im nordamerikanischen
Kontext, die seit 20 Jahren als praktische Folge der historischen
Wiederentdeckung dieser euchologischen Gattung durch die
erste Generation der Liturgischen Bewegung stattgefunden hat.