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Ausgabe:

1989

Spalte:

836-837

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Grootaers, Jan

Titel/Untertitel:

The 1980 Synod of Bishops "On the role of the family" 1989

Rezensent:

Ernst, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 11

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angeführt und gesteuert von den deutschen Kardinälen und Bischöfen
, hat es schnell und geschickt fertiggebracht, eine ..europäische
Allianz"' zu bilden und zu einer ..Weltallianz" auszuweiten. Dadurch
ist es ihr gelungen, im Laufe des Konzils ihre „liberalen" Auflassungen
und Intentionen gegenüber den Vertretern der genuin konservativ
-katholischen Lehre und Praxis durchzusetzen. Dementsprechend
stellt er den Verlauf des Konzils als einen Siegeszug dieser Gruppe
dar. den die Opposition nur bei wenigen Gelegenheiten und mit
jeweils nur kurzfristigem Lrfolg durchkreuzen konnte. Er bemüht sich
aber in seinem Bericht, „den besten erprobten Regeln für Historiker"
zu folgen und alles zu vermeiden, „was den Verdacht auf Parteilichkeit
oder Feindseligkeit aufkommen läßt", wie es ein auf der Rückseite
des Bucheinbands zitiertes Wort Papst Pauls VI. für jede
Beschreibung der Geschichte des Konzils verlangt. Auch seine eigene
Position erscheint als offen für beide Seiten. Er verhehlt nicht seine
Sympathie für die unterliegende Minderheit, berichtet aber auch ausführlich
, wie er selbst Urheber des Gedankens war, ein Sekretariat für
die nichtchristlichen Religionen zu errichten und seine Leitung dem
W iener Kardinal Franz König anzuvertrauen (75-80).

Die Schwäche dieser Konzilsgeschichte besteht vor allem darin, daß
das gesamte Geschehen als ein Kampf zweier einander gegenüberstehender
Gruppierungen und dieser ausschließlich unter strategischen
und taktischen Gesichtspunkten vorgestellt wird. Theologische
Aspekte und Kriterien bleiben vom Anfang bis zum Ende völlig ausgeblendet
. Was sich theologisch im Konzil ereignet hat. schmilzt im
Blickwinkel des Vf. zusammen zu einem „Kampf um theologische
Macht" (133). Nicht einmal am Rande wird der Gedanke erwogen,
die sich verändernden Stimmverhältnisse bis hin zu den Ergebnissen
der End-Abstimmungen für die einzelnen Konzilsdokumcnte, wieder
Vf. sie registriert, könnten auch einen Prozeß gemeinsamer Wahrheitsfindung
signalisieren oder gar - wie der gegenwärtige Papst den
Vorgang im Rückblick verstanden wissen will - etwas zu tun haben
mit dem „Wort des Heiligen Geistes, das wir während des Konzils vernommen
haben" (Johannes Paul IL, Enzyklika „Redemptor hominis
" 6). Auch die behauptete These und die beabsichtigte Objektivität
der Darstellung hallen einer Überprüfung nicht stand. Schon aus dem.
was der Vf. selbst über den Verlauf der Diskussionen, über die für
deren Ergebnis wichtigen Interventionen, deren Herkunft und Begründung
, berichtet, ist ersichtlich, daß während des Konzils auch
andere Wasser als die des Rheins in den Tiber geflossen sind. Und im
Rückblick auf das Konzilsgeschehen zeigt sich auch, daß der Vf. mitunter
recht einseitig berichtet und akzentuiert. So wird z. B. die
..Oktoberkrise" der 3. Sitzungsperiode im Jahre 1964 - ein Paradebeispiel
dafür, mit welchen Mitteln die Minderheit den Gang der Dinge
zu beeinflussen versuchte-mit keinem Wort erwähnt.

Also: Eine Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, die
weder unter historischem noch theologischem Aspekt den Ansprüchen
genügt, die an ein solches Unternehmen zu stellen sind. Dennoch
ist ihre Lektüre in der gegenwärtigen Situation der katholischen
Kirche ganz nützlich und aufschlußreich, und zwar nicht nur im
Sinne derer, in deren Interesse diese Veröffentlichung zum gegenwärtigen
Zeitpunkt wohl erfolgt ist. Es kann dabei dem Leser sehr deutlich
zum Bewußtsein kommen, wie weit bestimmte Positionen, die gegenwärtig
im kirchenamtlichen Denken und Handeln wieder dominieren
, mit jenen identisch sind, die im Konzil durch das nahezu einstimmige
Votum des katholischen Weltepiskopats als zu überwindende
erkannt worden sind. Und es kommt auch ein bemerkenswerter
Unterschied zwischen damals und heute in den Blick. Von den
Bischöfen, die damals meinten, die Schritte, zu denen sich das Konzil
entschloß, nicht bejahen zu können, stellt der Vf. fest: ..Doch diese
Männer, im Kirchenrecht geschult, waren sich auch klar, daß nicht
beide Seiten recht haben konnten. Und letzten Endes lügten sie sich
der Majoritätsansicht, wenn diese schließlich klar wurde und vom
Papst als die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gelehrte allgemeine
Lehre promulgiert wurde" (260). Das Prinzip katholischen Denkens
und Lebens, dem sie damit gehorchten, ist inzwischen nicht nur von

Erzbischof M. Lefcbvre und seinen Gefolgsleuten, sondern auch von
jenen Personen und Gruppen innerhalb der katholischen Kirche
desavouiert worden, deren Bestreben es heute. 25 Jahre nach dem
Konzil, ist, die Denkweise und Intentionen der damaligen Minderheit
noch nachträglich als die allein gültigen durchzusetzen.

Leipzig Siegfried Hübner

Grootaers, Jan, and Joseph A. Sellins: The 1980 Synod of Bisliops
"On the Role of the Family". An Exposition of the Event and an
Analysis of its Texts. Leuven: University; Leuven: Pceters 1983.
375 S. gr. 8' = Bibliotheca Fphemeridum Thcologicarum Lova-
niensium. LXIV. BF 1500.-.

Die vorliegende Studie zur Bischofssynode von 1980 „Über die
Aufgaben der Familie in der heutigen Welt" ist von zwei verheirateten
( husten geschrieben: von J. Grootaers. der seit Jahrzehnten Publikationen
über das Verhältnis der katholischen Kirche zur modernen
Welt vorgelegt hat, und von J. A. Solling, der sich als Moraltheologe
vor allem mit der Lehre der Kirche (Gaudium et spes, Humanae vitae)
belaßt hat.

Die umfangreiche Untersuchung umfaßt Vorwort (S. 7-8) von
L. Janssens, Einführung(S. 9-15), Inhaltsverzeichnis (S. 16-18), Literaturverzeichnis
. (S. 19-21). Auslegung des Synodenvorganges
(S. 24-175), Analyse der Haupttexte der Synode, einschließlich der
„Propositiones" der Synode und des Apostolischen Schreibens
„Familiaris consortio" von Johannes Paul II. (S. 177-343), als Anhang
die 43 „Propositiones" (S. 345-369) sowie ein Namensverzeichnis
(S. 370-373).

Der erste große Abschnitt (Teil 1-3) von J. Grootaers befaßt sich
mit der römischen Bischofssynode als Ereignis und Geschehen im
Leben der Kirche. Vf. bietet hier weder eine Chronik der Ereignisse,
noch beschränkt er sich auf die öffentlichen und offiziellen Quellen.
Nach einem kurzen Überblick über das politische und ökonomische
Umfeld erfolgt eine Auflistung von unveröffentlichten Stellungnahmen
von Bischofskonferenzen (Afrika. Südostasien. Lateinamerika,
Nordamerika) in Vorbereitung auf die Synode. Auf diesem Hintergrund
wird das gesamte Synodengeschehen als „Prozeß" analysiert.

Als erstes stellt Vf. heraus, daß die Synode in ihren drei Phasen ein
Forum des Austausches von Ansichten und von pastoralen Problemen
ist. mit denen die Gesamtkirche wie jede Ortskirche konfrontiert
ist. - Als zweites betont Vf., daß der Prozeß der Synode Restriktionen
unterliegt, die mit ihrer eigenen strukturellen Prozedur vorgegeben
sind. Dadurch werden die Breite und der Reichtum der bischöflichen
Beiträge aufeinc begrenzte Zahl von Äußerungen und abschließenden
Texten reduziert, in die die Fülle der Fragen und Probleme nur
inadäquat eingebracht wird. - Als Drittes schließlich untersucht Vf-
die Liste der 43 Vorschläge (Propositiones). die von der Synode zur
Weitcrleilungan den Papst erarbeitet worden sind.

In dem Versuch einer Bewertung der Bischofssynode kommt Vf. zu
einem differenzierten Urteil. Als negativ bewertet er. daß die Bischots-
synode nicht die Erwartungen erfüllt hat. die man in sie gesetzt hatte
Nach seiner Auffassung hat der Papst im Vergleich zu früheren PaP"
sten eine weitaus größere Einflußnahme auf den Prozeß wie auf die Inhalte
der Synode genommen. Auch die Bischöfe wurden ihrer Aulgabe
zu wenig gerecht, indem sie eine gewisse Selbstzensur ausübten.
Laien waren bis auf wenige ausgeschlossen. „Hinter der Fassade von
Freiheit und Dialog waren alle Voraussetzungen erfüllt, um die
Synode auf einen Monolog zu limitieren" (S. 169). Hinzu kam. daß
die Krise um „Humanae vitae" die Synode überschattete. Als pOSltl»
bewertet Vf., daß im Verlauf der Synode die kulturellen Unterschiede
in den Erfahrungen von Ehe und Familie zur Sprache gebracht wurden
, daß pastorale und spirituelle Perspektiven vor normativen
Momenten Priorität hatten und daß eine Erneuerung der Moralthco-
logie im Sinne einer mehr positiven Orientierung gefordert wurde. Als
ungelöst sieht Vf. das Problem der Unklarheit über die Grundlage"
der Bischofssynode wie über ihre Aufgabe als beratendes Organ für