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Ausgabe:

1989

Spalte:

824-825

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Johannes Chrysostomus, Commentaire sur Job 1989

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 11

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des Theodosius. Mithin geht es um einen Zeitraum von zwanzig Jahren
, wobei sich der allergrößte Teil der Ausführungen mit dem Jahrfünft
von 359 bis 364 beschäftigt. Damit liegt für diesen kurzen Zeitraum
eine ausführliche Bearbeitung vor.

Verbindende Idee der zunächst heterogen erscheinenden Teile ist
die der homöischen Reichskirche, die sich unter Konstantius herausbildet
, von Julian bekämpft und von Jovian und Valens restituiert
wird, bis der Übergang zum nizänischen Bekenntnis ihren Charakter
wandelt.

Br. liefert eine kritische Aufarbeitung der Quellen, die alle Anerkennung
verdient. Mit viel Umsicht, großer Sachkenntnis und einigem
Erfolg unternimmt es Br., aus der tendenziösen Berichterstattung
den historischen Kern herauszuschälen. Besonders erfreut den Rez.,
daß Einsichten, die er selbst zu formulieren versucht hat (ThLZ 109,
1984,413-424), dieses Werk bestimmen. Es geht darum, daß die klassischen
Kirchengeschichten des 5. Jh. (Sokrates, Sozomenos, Theodo-
ret) von Athanasios abhängen, der alles von der eigenen Position
Abweichende kurzerhand als „arianisch" qualifizierte, was die Kirchengeschichtsschreibung
bis in unsere Tage geprägt hat (S. 2. 78-80,
93 u. ö.). Diese als „arianisch" verketzerte Kirche, die seit 359 die
eigentliche Reichskirche war, würdigt Br. als „homöische" in seiner
Arbeit. Die Untersuchung ist vor allem eine kritische, insofern die
Quellen auf in ihnen überformte homöische Traditionen befragt
werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei einem verlorenen Geschichtswerk
gewidmet, dessen Angaben in das Chronicon paschale
u. a. o. aufgenommen sind.

Unbeschadet aller wichtigen hier dargelegten Erkenntnisse sind
doch Fragen an den Vf. zu richten, die in der einen Frage zusammengefaßt
werden können, ob der Vf. nicht doch noch zu stark den herkömmlichen
Schemata verhaftet ist und sich dadurch selbst um den
vollen Ertrag seiner Einsichten bringt. Homousianer (und Neunizä-
ner), Homousianer und Homöer erscheinen trotz anderslautender
Einsicht („Es geht also noch nicht so sehr um grundsätzlich einander
ausschließende theologische Positionen, sondern um verschiedene
Sichtweisen der Gefahren, die der wahren Lehre drohen!", S. 16) als
feste Parteien mit festen Positionen. Es müßte mehr zur Geltung
gebracht werden, daß auch späterhin im 4. Jahrhundert die Dinge
noch viel zu sehr im Fluß waren, so daß es auch allenthalben Übergänge
gab. '

So ist vor allem „homoios" nicht eigentlich als Bekenntnis zu einer
bestimmten Position zu werten, sondern stellt eine weite Kompromißformel
dar, die gerade die Gegensätze bestimmter Positionen
überbrücken soll. Und so hat es wohl auch weder eine „homöische
Theologie" noch eine „homöische Reichskirche" gegeben, sondern
vielmehr eine Reichskirche, in der zeitweise eine weite dogmatische
Formel herrschte, die es vielen Gruppen ermöglichen sollte, sich
unter diesem einen Dach zusammenzufinden. Maßnahmen gegen die
sich Ausschließenden galten dann nicht einem bestimmten Bekenntnis
, sondern sollten nur der Einheit der Kirche und der Homonoia im
Staat dienen. Konnten sich die Homousianer im Homoios wiederfinden
, dann braucht auch das „Umfallen" der Abendländer in Nike
keine Verleugnung der eigenen dogmatischen Position zu sein, sondern
kann auf die Einsicht zurückgehen, daß die anderen keine Ketzer
(so Br. S. 32-34) und gleichen Glaubens sind, auch wenn dies noch
nicht auf alle Seiten befriedigende Formeln gebracht werden kann.

Bei Br. bleibt unklar, was „homöisch" als Bekenntnis eigentlich
bedeuten soll. Wenn die „homöische" Kirche die Reichskirche war
und die Mehrzahl der Bischöfe umfaßte (die dann 381 mühelos auch
dem Nicacnum zustimmen konnte, vgl. S. 154), dann waren die Märtyrer
unter Julian auch keine „Homöer", sondern „treue Glieder der
Reichskirche" (so S. 145!), von denen zumeist galt, daß die dogmatische
Frage ihre Fassungskraft überstieg. Und dann hat es auch weder
eine „homöische Frömmigkeit" noch einen für diese „typischen antiheidnischen
Eifer" (S. 151) gegeben. Die christlichen Tempelstürmer
der theodosianischen Zeit waren ja gewiß auch nicht durch das
Homousios motiviert. War das „homöische" Geschichtswerk von

jener Weitherzigkeit geprägt, dann hätte es auch Martyrien von
Homousianern u. a. schildern können, brachte es innerhalb des
„Homöischen" etwa eine akakianische Position zur Geltung, dann
muß es in diese Tradition eingeordnet werden.

Wenn Br. die 4. sirmische Formel (und dann auch das Konzil von
Rimini-Seleukeia-Konstantinopel) nicht so sehr als positiven Kompromiß
deutet^ sondern als Abgrenzung einerseits gegen Aetios im
Osten, andererseits gegen die „Einhypostasentheologie" Markells und
des Westens, dann sind die Frontstellungen gewiß richtig gesehen
(S. 150- Doch müßte stärker unterstrichen werden, daß wirkliche und
berechtigte theologische Befürchtungen bestanden, Markell und seine
Verbündeten huldigten einem Modalismus. Immerhin hat ja das
„homousianische" Konzil von Konstantinopel 381 dieselbe doppelte
Frontstellung gegen den Neuarianismus und gegen Markell gehabt.
Und auch nach Br. ist die neunizänische Orthodoxie im Schöße der
homöisch geprägten Reichskirchc gewachsen (S. 2. 95).

Diese Ausstellungen sollen den Wert der Arbeit nicht mindern,
vielmehr zeigen, wie auf dem richtigen Weg, den Br, eingeschlagen
hat, weitergegangen werden kann. Die nötige Revision des überkommenen
Geschichtsbildes kann nur durch solche gründlichen Arbeiten
erfolgen, wie hier eine vorliegt. Dankbar begrüßt man die Beigabe der
wichtigsten Glaubensformeln (S. 243-248).

Greifswald Hans Georg Thümmel

Kirchengeschichte: Mittelalter

.Jean Chrysostome: Commentairc sur Job. Tome I (Chapitres l-XIV).
Tome II (Chapitres XV-XLII). Inlroduction, Texte critique,
Traduction, Notes et Index par H. Sorlin avec la collaboration de
L. Neyrand. Paris: Cerf 1988. 366 S. et 312 S. 8° = Sources
Chretiennes, 346 et 348. Kart, ffr 232,-ct ITr 190.-.

Seit langem war ein Hiob-Kommentar bekannt, der von Johannes
Chrysostomus geschrieben sein sollte. Der Text war bisher nicht
ediert worden, nur die erste Seite war 1764 gedruckt und in die Ausgabe
von Migne übernommen worden: Patrologia Graeca 64,
Sp. 504f. Erst seit 1964 ging man diesem Kommentar intensiver nach,
von dem es verschiedene Überlieferungen gibt. Einmal gibt es zwei
Manuskripte, die hier als M (= Mosquensis) und L (= Le Laurcntianus)
aufgenommen werden. Daneben liegt eine indirekte Überlieferung vor
in Katcncnliteratur, die in fünf Manuskripten erhalten blieb. Die neue
Edition beschreibt und bewertet diese Überlieferungen (I 1-32).
Schwer zu beantworten war die Frage, ob Johannes Chrysostomus tatsächlich
als der Verfasser dieses Hiob-Kommentars zu gelten habe.
Die Problematik wird gründlich untersucht und endlich eindeutig
bejaht: Man kann dieses Werk Johannes Chryscfttomus zuschreiben.
Die Zitate aus dem Alten und Neuen Testament weisen in diese Richtung
; die Methode des Kommentierens, die literarische wie die pare-
netische, ist dieselbe wie in den Homilien des Chrysostomus. Auch
der Stil und der Wortschatz weisen auf diesen Kirchenvater hin, so
daß man mit guten Gründen überzeugt sein darf von der «paternite
chrysostomienne de ce commentairc sur Job» (69). Vermutungen
über eine genauere Datierung werden nicht angestellt; es finden sich
auch keine Hinweise auf andere Auslegungen zum Buch Hiob in der
alten Kirche (etwa den Moralia in Job von Gregor I.). Der griechische
Text ist fett gedruckt und hebt sich vom Kommentar gut ab. Rückver-
weis^e auf den hebräischen Urtext liegen nicht vor. Text und Übersetzung
von Kapitel 1-14 stehen in Band I auf den Seiten 78-363; die
Kapitel 15-42 füllen in Band II die Seiten 10-241. Umfangreiche
Indices beschließen den Band: Bibelstcllen (243-247), Eigennamen
(248-249), griechische Worte (250-309). Das abschließende Inhaltsverzeichnis
stellt jedes Hiob-Kapitel unter eine Überschrift. Die
gelungene Edition des kaum bekannten Hiob-Kommentars des
Johannes Chrysostomus könnte ein Anlaß sein, sich diesem Kirchenvater
verstärkt zuzuwenden, da seine Schriften in recht unterschied-