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Ausgabe:

1989

Spalte:

822-824

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Brennecke, Hanns Christof

Titel/Untertitel:

Studien zur Geschichte der Homöer 1989

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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I

821 Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. I I 822

nung: CMC ) ist ein, nicht vollständig erhaltener, griechischer Pergament
-Codex in Miniaturformat (3.8x4,5 cm), in dem, unter der
Überschrift lh.p ri}g yevvtjQ TOß tMbfMtOG auron, im wesentlichen so
etwas wie eine (aus lauter Jüngerzitaten zusammengesetzte) hagiogra-
phischc Selbstbiographic des jungen Mani geboten wird. Der Fundort
ist unbekannt, darf aber nach Meinung der Hgg. in Oberägypten vermutet
werden. Die griechische Handschrift datieren sie ins 4./5. Jh.
Gleichwohl gilt ihnen das Griechische nicht als Ursprache, sondern
als eine Übersetzung aus dem Ostaramäischen. Identität und Inhalt
des Stückes sind erst seit 1969 bekannt, nachdem der Konservator
A. Fackelmann eine Möglichkeit gefunden hatte, die einzelnen Pergamentblätter
aus den drei zusammengepappten Teilen des ursprünglichen
Buchblocks zu lösen. Nach einem Vorbericht von der Neuentdeckung
durch A. Henrichs und L. Koenen in der Zeitschrift für
Papyrologic und Epigraphik 5, 1970, 97-216 folgte in demselben
Organ durch dieselben Forscher sukzessive die Ausgabe des neuen
Textes nebst Übersetzung und Kommentar: 19. 1975, 1-85; 32, 1978,
87-199; 44, 1981, 201-318; 48, 1982, 1-59. Die Entdeckung hat in
der Fachwelt und darüber hinaus bereits große Aufmerksamkeit
gefunden und, zu einem neuen Brennpunkt der Manichäismusfor-
schung geworden, ist sie einer der (zwei) Hauptgründe für den gegenwärtig
zu verzeichnenden Neuaufschwung dieses speziellen Feldes
innerhalb der Geschichte der Gnosis (mit Schaffung eines
"Manichaean Studics News-lettcr" und Absicht zur Gründung einer
International Society of Manichaean Studics). Der CMC gilt als so
w ichtig, daß er vor kurzem sogar das alleinige Thema eines internationalen
Symposions war (vgl. L. Cirillo/A. Roseiii [Ed.]: Codex
Manichaicus Coloniensis. Atti del Simposio Internazionale [Rende-
Amantea 3-7 settembre 1984], Studi e Ricerchc4,Cosenza 1986).

Die hier nun zu besprechenden zwei, einander ergänzenden.
Neuausgaben des CMC markieren einen Fortschritt gegenüber der
Erstedition nicht nur durch die, aus dem bequemeren Zugang notwendig
resultierende Verbreiterung des Kreises derer, die mit und an dem
Text arbeiten werden, sondern auch in der Texterschließung selbst -
ein solcher Fortschritt zeigt sich übrigens auch noch einmal zwischen
diesen beiden, nur wenige Jahre auseinanderliegenden Editionen. Das
liegt einmal an dem Text selbst, wo stellenweise schon die bloße
Lesung der Buchstaben schwierig ist, ganz zu schweigen von den vielen
Lakunen, die die Rekonstruktion des Textes weithin problematisch
machen (es ist also ein Text, der sich nicht gleich beim ersten
Anlauf ganz erschließt), es liegt aber auch an der Lebendigkeit und
dem nicht nachlassenden Engagement der mit dem CMC befaßten
Forschergruppe samt deren Umfeld, sowie an der Verbesserung der
technischeil und wissenschaftlichen Hilfsmittel. Aus diesem Bereich
verweise auch ich - ebenso, wie die Hgg. es tun - besonders auf eine
jetzt vorhandene Konkordanz zum CMC (L. Cirillo/A. Concolino
Mancini/A. Rosclli: Codex Manichaicus Coloniensis. Concordanze,
Studi c Ricerche 3, Coscnza 1985), deren Brauchbarkeit sich sofort
bestätigt hat. Die beiden einander folgenden (1985 und 1988) und verschiedenen
Zwecken dienenden neuen Ausgaben des CMC. die
„diplomatische", wo jeweils eine einfache Transkription des grie-,
chischen Textes Seiten- und zeilengetreu (links) einer vergrößerten
Abbildung der betreffenden Seite (rechts) gegenübersteht, und die kritische
, wo ein bearbeiteter und sachlich gegliederter griechischer Text
(links) als Gegenüber (rechts) eine souveräne, und manchmal auch
sehr freie, deutsche Übersetzung hat, sind samt den jeweiligen Einleitungen
und Anmerkungen auf das sorgfältigste gemacht und verdienen
daher, trotz gelegentlicher kleiner Versehen, die bei komplizierten
Werken wie diesen niemals ganz auszumerzen sind, uneingeschränkte
Bewunderung.

Das Hauptproblem des CMC. wie jeder Benutzer sowohl dem Text
selbst als auch der Bearbeitung entnehmen wird, ist offenbar sein literarischer
Charakter, d. h. das genaue Verständnis von Bau und Sinn
dieser Exzcrptsammlung. Hierauf fällt möglicherweise noch etwas
mehr Licht, sobald und sofern es gelingt, wenigstens den Rest der
ähnlich angelegt gewesenen sog. Manichäischen Kirchcngeschichte

(P. Bcrol. 15997), auf die in der Kr. Ed. immer wieder verwiesen wird
(der aber nicht aus acht, sondern aus neun Blättern besteht [das
„neunte" ist irgendwie nach Dublin geraten; es handelt sich um
S. Giversen (ed.): The Manichaean Coptic Papyri in the ehester
Beatty Library, Facsimile Edition, Vol. II, Cahiers d'Orientalisme 15,
Geneve 1986, p. 99/100]), so gut wie möglich zu entziffern (bei dem
„neunten" Blatt dürfte das eigentlich kein Problem sein). Vielleicht
käme man auch schon einen Schritt weiter, wenn man für die Text-
sortenanalysc wenigstens versuchsweise einmal von den Zwischenüberschriften
abstrahieren würde, von denen ja vielleicht einige
genauso sekundär und unzutreffend sein könnten wie der Buchtitel
selbst (der Punkt, um den es in dem Buche geht, ist ja gar nicht das
Werden, von Manis Leib, sondern sein SW/wfzeugnis betreffend Berufung
und überirdische Leitung durch Offenbarungen). In diesem Fall
erschiene nämlich die lange und scheinbar aus dem Rahmen fallende
theologische Erörterung (etwa in der Mitte des Erhaltenen =
p. 45,1-74,4; s. Kr. Ed.,S. XVII) als der Rahmen selbst.

Bei der Frage nach der Bedeutung des CMC kommt es sehr darauf
an. wie streng man sie sich stellt. Infolge seines hagiographischen
Charakters kommt jedenfalls die wirkliche manichäische Ideenwelt
kaum vor und gehört das, was als manichäische „Wirklichkeit" vorkommt
, zum idealen Bereich der frommen Phantasie. Der Vf. ist wohl
so etwas wie ein manichäischer Papias. Als das Wichtigste des neuen
Textes gilt den Bearbeitern noch, daß er die aus dem Fihrisi des
al-Nadim bekannte Tradition bestätigt, daß Mani in einer elchasai-
tischen Täufergemeinde im Süden Mesopotamiens aufgewachsen sei.
Allerdings sehen sie sich durch G. P. Luttikhuizens neues Buch zur
Frage des Elchasaitcntums (The Revelation of Elchasai. Texte und
Studien zum Antiken Judentum 8, Tübingen 1985). wo er den elcha-
saitischen Charakter der betreffenden südbabylonischen Täufer rundweg
bestreitet (z. B. S. 163f. 221. 224. 227). in ihrer Entdeckerfreude
ernsthaft getrübt. Umso wichtiger scheint ihnen der Hinweis zu sein,
daß R. Merkelbach eine Auseinandersetzung mit dem Werk von Lut-
tikhuizen vorbereitet (Kr. Ed., S. XVIII12. XXIX50). Bei dem Werk
von Luttikhuizen handelt es sich um eine vorzügliche und lehrreiche
Untersuchung, die faszinierend und inspirierend ist; aber in der hier
anliegenden Frage hat m. E. nicht er, sondern haben die Hgg. recht.
Auch Manis „Vater"-Sektc war wohl eine Spielart des interessanten
religionsgcschichtlichen Phänomens, das durch die merkwürdige
gegenseitige Anziehungskraft von Judenchristentum. Taufkult und
Verehrung für ein Buch (die Apokalypse des Elchasai) z.ustandege-
kommen ist. Schlimmstenfalls handelt es sich bei dem Eichasaismus
von Manis Täufern um so etwas wie den Paulinismus der Apostelgeschichte
.

Herlin Hans-Martin Schenke

Brennecke, Hanns Christof: Studien zur Geschichte der Homöer. Der

Osten bis zum Ende der homöischen Reichskirche. Tübingen:
Mohr 1988. X, 280 S. gr. 8' = Beiträge zur historischen Theologie,
73. Lw. DM 168.-.

Diese Tübinger Habilitationsschrill von 1986 besteht aus drei
Teilen. Im ersten Teil wird der dogmatisch-kirchcnpolitische Streit in
der Spätzeit des Konstantius geschildert, der in der Einheitssynode
von Seleukia/Rimini/Konstantinopel 359/360 gipfelt. Br. würdigt zu
Recht die Rolle des Basilcios von Ankyra, zeigt, die 4. sirmische Formel
nicht der Triumph des Arianismus über die Orthodoxie war
(S. 20), schildert die Hinwendung des Mcletios zum Nizänum als
Ergebnis eines Prozesses (S. 74) u. a. m. Im zweiten Teil wird mit großer
Sorgfalt ein Katalog der Märtyrer aus der Zeit Julians mit der
Frage erstellt, welche von ihnen der homöischen Tradition angehören
. Dabei kommt Br. zu dem Ergebnis, daß homöische Frömmigkeit
sich vor allem in einem Drang zum Martyrium äußerte. Der dritte
Teil zeigt dann die Entwicklung vor allem unter Valens, mit einer
Übersicht über die Bistümer des Reichs bis zum Beginn der Herrschaft