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Ausgabe:

1989

Spalte:

815-817

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

La première Apocalypse de Jacques 1989

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. I i

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Fiorenza hervorgehobenen Querlinien der Apk zu (deutero)pauli-
nischcr Literatur hinzu (bei T. 14f gestreift), könnte sich der Apk-
Autor gar als souveräne Gestalt erweisen, die diese beiden Theologielinien
berührt und eigenständig umprägt. Auch wer von T. s Position
abweicht, wird dem Fragekreis weiter nachgehen müssen.

Erlangen Martin Karrer

Veilleux, Armand: La Premiere Apocalypse de Jacques (NH V,3). La
Secondc Apocalypse de Jacques (NH V,4). Texte etabli et presente.
Quebec, Canada: Lcs Presses de PUniversite de Laval 1986. XII,
199 S. gr. 8* = Bibliothcque Copte de Nag Hammadi. Section
«Textes», 17. B F2000.-.

Die beiden christlich-gnostischen Jakobus-Apokalypsen aus dem
Codex V des Handschriftenfundes von Nag Hammadi. der engeren
Fachwissenschaft seit der Erstedition von A. Böhlig im Jahre 1963
wohlbekannt und in der Speziallitcratur eifrig diskutiert und ausgewertet
, gehören seit kurzer Zeit zur theologischen Bildungsliteratur
für jedermann durch ihre Aufnahme in die 5. Auflage der Neutesta-
mentlichen Apokryphen (hg. V. W. Schneemclcher. 1. Band: Evangelien
, Tübingen 1987, S. 253-275). Wer sich nun von diesen beiden
Schriften in W.-P. Funks instruktiver und übersichtlicher Aufbereitung
und Übersetzung so fasziniert fühlt, daß er auch den koptischen
Originaltext konsultieren möchte, dem steht dazu jetzt mit der hier
vorzustellenden Ausgabe von A. Veilleux ein besonders handliches
und sehr brauchbares Arbeitsmittel zur Verfügung. In der äußeren
Anlage entspricht sie dem einheitliehen Schema der Reihe der BCNH
(Introduction, Texte et traduetion [beides codexseiten- und
-zeilengctreu], Commentaire. Index), das dem einzelnen Bearbeiter
nur einen geringen Spielraum läßt. In diesem vorgegebenen Rahmen
liefert der Vf. eine sorgfältige und zuverlässige Arbeit. Sie macht hinsichtlich
des Entwurfs und der Drucklegung einen im ganzen soliden
Eindruck. Das Werk repräsentiert und konserviert nicht nur auf angemessene
Weise den gegenwärtigen Stand der Forschung, sondern versucht
auch, an einzelnen Punkten ein wenig weiterzuführen. Zu dem
angenehmen Aspekt des Buches gehört nicht zuletzt, daß es nicht
noch einmal bei „Null" anfängt und also den Benutzer nicht mit
unnötigem Ballast der Forschungsgeschichte behelligt. Es mag wohl
nur die andere Seite derselben Sache sein, wenn der Literaturbezug in
der Einleitung wie in den Kommentaren etwas global erscheint.

Am meisten Anerkennung dürfte wohl der eigentliche Kern des
Werkes verdienen, nämlich Textdarbictung. Ubersetzung und Index.
Hervorzuheben ist zunächst einmal, daß V. den koptischen Text
selbst am Original in Kairo kollationiert hat, und zwar «attentive-
ment», wie er sagt (S. 17). Dieses achtbare Engagement hinsichtlich
der Grundlagen kommt bei der Druckwiedergabe besonders dadurch
wieder zum Vorschein, daß er sich um größere Entsprechung zum
Original (im Vergleich zur englischen Ausgabe in der Coptic Gnostie
Library) bei der Länge der Supralinearstriche, bei der Form des
Striches über dem Komplex Hori + .lota, die er von der des gewöhnlichen
Zirkumflexes unterscheidet, und bei der Differenzierung
zwischen dem Kappa mit und dem ohne angesetzten Apostroph
bemüht (vgl. S. 18). Bei demjenigen Supralinearstrich, der zwei Konsonanten
miteinander verbindet und dem V. offenbar eine Länge von
mehr als einer, aber weniger als zwei Buchstabenbreiten zu geben
wünschte, hat allerdings die Druckerei ihren Dienst versagt, so daß
nur das andere Extrem herausgekommen ist: während dort (CGL) der
Strich nur über dem zweiten Konsonanten steht, erstreckt er sich hier
über alle beide in voller Breite. Eigenständigkeit (und also gelegentliches
Abweichen von CGL) zeigt V. s Text auch hinsichtlich der
Angaben über die Größe von Textlücken oder die Anzahl unleserlicher
Buchstabenrestc.

Der Text ist so sorgfältig gestaltet und gedruckt, daß ich es mir hier erlauben
kann, sämtliche Versehen, die ich dennoch gefunden habe (es sind nämlich nur
acht), aufzuführen: p. 24.25 Ende: lies Delta statt Alpha: p. 25.29: tilge
Dschandscha: p. 26.9: lies Zirkumflex über Epsilon + Jota: p 33.3: lies Supralinearstrich
über My; p. 37,5 erster Buchstabe: lies My statt Ny: p. 43. 18: füge
Epsilon ein nach Pi; p. 51.12: füge nach erstem Wort(rest) Delta + Epsilon ein;
p. 62.10: lies Supralinearstrich über Ny.

Die Übersetzung ist (bis auf ganz wenige Fälle) zuverlässig und,
soweit ich es beurteilen kann, erstaunlich souverän. Die beiden
Indices (S. 98-114 und 182-198), also für jede der beiden Apokalypsen
besonders, nach dem vorgegebenen Schema nur an der Lexik
orientiert (also leider keine grammatischen Elemente enthaltend),
sind dennoch so instruktiv wie möglich, wobei das Interesse besonders
der Konstruktion der Verben und ihrer Bedeutung im hiesigen Kontext
gilt. Die systembedingte Ausklammerung der Grammatik in den
Registern ist hier besonders zu bedauern, weil man nämlich sonst an
den Registern selbst ablesen könnte, was zu analysieren und mitzuteilen
sich der Vf. unter Berufung auf erste Einschätzungen aus der
..Steinzeit" der Nag-Hammadi-Forschung versagt (S. 18). nämlich um
was für eine interessante Art von Sahidisch es sich eigentlich bei der
Sprache handelt, in der die Texte geschrieben sind.

Was den, offenbar wieder mit großem Fleiß hergestellten, textkritischen
Apparat der Ausgabe anbelangt, so ist es-abgesehen von kleineren
Unstimmigkeiten bzw. Inkongruenzen - vor allem das Prinzip
als solches, das die Freude an dem Werk stören könnte. Dies aber
hängt nun wieder mit der «prudence» des Autors in Sachen Textrekonstruktion
überhaupt zusammen, der schon in der Einleitung
vorausschauend sagt: «Nous avons cn general juge bon d'ctre un peu
plus prudent que nos predeecsseurs en ce domaine, indiquant plutöt
en notes les diverses possibilites» (S. 17). Und das gemeinte Problem
ist, daß er das letzte Wort dieses seines Satzes nicht genügend ernst
nimmt und nicht zwischen dem Wirklichen und dem Möglichen
unterscheidet. Die Fortschritte in der Textlesung haben ja viele der
älteren Rekonstruktionsversuche einfach überholt, so daß sie nur
noch forschungsgeschichtlichen, aber keinen textkritischen Wert
haben.

Die Kommentare zu den beiden Apokalypsen sind dagegen durchsichtig
und informativ, trotz ihres geringen Umfängs. In ihnen werden
die Texte analysiert und in ihrer Struktur deutlich gemacht, wobei
vielleicht der exegetischen Methode der „Nacherzählung" etwas zu
großer Platz eingeräumt ist. Die sachlichen Probleme der Texte
werden mit hinreichendem Gewicht herausgearbeitet, und dabei wird
auch auf die sprachliche Seite der Sache hingewiesen. Nicht weniger
wertvoll sind die zahlreichen weiterführenden Einzelbeobachtungen.
Hängt es übrigens mit der Position der Kommentare jeweils zwischen
Text (mit vollem Supralinearsystcm) und Register (konsequent ohne
Supralinearsystem) zusammen, wenn sich dort bei der Wiedergabe
von koptischen Wörtern und Sätzen kein klares Konzept erkennen
läßt? Ein bißchen problematisch scheinen auch die Querverweise zu
sein, wo die Zahlen nicht immer stimmen. Ich möchte aber in diesem
Zusammenhang auch nicht versäumen, noch auf zwei interessante
Einzelheiten hinzuweisen. Das eine ist eine vielleicht wirklich weiterführende
, das andere eine gänzlich unerwartete Idee. Beide bezichen
sich aufstellen von 2ApcJac. In p. 48,13 Anfang kommt V. ohne eine
Konjektur aus, indem er in der Lücke am Ende der Zeile davor ein nui
ergänzt, wodurch sich das koptische Äquivalent fürSynhedrion ergibt
(S. 126 und 1670- Diese Idee scheint ihm selbst erst relativ spät
gekommen zu sein, denn es findet sich weder die Konjektur von Böh-
ling und Funk im textkritischen Apparat verzeichnet, noch hat seine
Lösung Eingang ins Register gefunden. Die andere Idee betrifft die
zentrale und in vieler Hinsicht noch immer rätselhafte Szene der
Begegnung des Jakobus mit dem Auferstandenen im Beisein der Mutter
(p. 50.5-23). Hier „durchhaut" er den Knoten der Probleme
dadurch, daß er mit der Mutter die himmlische Gestalt der Sophia
gemeint sieht (S. 170).

Hinsichtlich des Gesamtverständnisses, das V. von den beiden Apokalypsen
hat. erscheint schließlich noch dreierlei hervorhebenswert:
I. Ihm ist offenbar wichtig, denn er betont es immer wieder, daß diese
gnostischen Texte nicht antijüdisch sind, sondern im Judenchristentum
wurzeln und die Judenchristen (unter Bruch mit jüdischen und