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Ausgabe:

1989

Spalte:

59-60

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hall, Douglas John

Titel/Untertitel:

Imaging God 1989

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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Seite 1

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59

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. I

60

lionäre Gesamtentwürfe dargestellt werden? Und (2.) wo (da nicht
unter Humanmedizin) kann dann Literatur zur Gentechnik an
Mikroorganismen untergebracht werden, die heute immer wichtiger
wird?

Abschließend drei Bemerkungen.

1. Der Rez. aus der DDR/reut sich, daß auch Titel aus seinem
Land und aus einigen anderen sozialistischen Ländern aufgenommen
sind. Es sind aber nicht sehr viele! Hier hätte sich noch manches
finden lassen und so ein etwas anderes Bild entstehen können - nicht
nur von den theologischen, sondern auch von den marxistischen Aussagen
zur Sache. Erwähnt seien nur A. Neubergs „Entwicklung und
Schöpfung" (Berlin, Ev. Verlagsanstalt 1955), die Beilage zur DDR-
Ausgabe von Teilhard de Chardins „Der Mensch im Kosmos"
(O. Klohr u. H. Trebs: Beiträge zur Deutung von Teilhard de Chardins
„Der Mensch im Kosmos". Berlin, Union-Verlag, 1966) und
sowjetische Stimmen zu den globalen Problemen (E. K. Fjodorow,
Berlin 1974, oder W. Sagladin/I. Frolow, Berlin 1982). Von
H.-G. Fritzsche sind leider nur die in der BRD erschienenen Titel aufgeführt
. Dadurch entgehen dem Suchenden die „Leittexte der Bibel"
(Berlin, Ev. Verlagsanstalt 1981) und die 2., erweiterte Auflage der
Gottes- und Schöpfungslehre (Lehrbuch der Dogmatik, T. II, Berlin
1984) mit einer wichtigen umwelttheologischen Erweiterung, welche
u. a. zeigt, daß die Sabbattheologie als Antwort auf die ökologischen
Herausforderungen der Gegenwart zuerst von Fritzsche gegeben
worden ist - vor Moltmann und m. E. auch klarer als durch diesen.

2. Ich halte auch nach der Lektüre dieses Buches die These von der
Schöpfungsvergessenheit und Natur(wissenschafts)ferne der Theologie
des zweiten und dritten Jahrhundertviertels für zutreffend, aber
allein schon die Anzahl der genannten Buchtitel aus dieser Zeit relativiert
sie. Die Beziehungen waren nie ganz unterbrochen.

3. Ich habe in dieser Rezension nicht (wie es der Titel des angezeigten
Buches tut) von Dialog, sondern nur von Beziehungen, von
Begegnung gesprochen. In dieser ungenaueren Wortwahl hat mich die
Lektüre des Buches bestärkt; wir sind hier wirklich „von dem Austausch
zweier einander als gleichrangig sich anerkennender Partner
noch weit entfernt" (C. Link, S. 408). „Kommunikationsloses Nebeneinander
. .. beherrscht in der Tat die Alltagswirklichkcit in der
Scientific Community, weitgehend aber auch die theologische und
philosophische Forschungsarbeit." (J. Hübner, S. I) Der Kontakt zur
Theologie wird auch heute noch nur von wenigen Außenseitern unter
den Naturwissenschaftlern gesucht und gehalten. (Auch ein Mann wie
C. F. v. Weizsäcker ist in dieser Hinsicht ein solcher.)

Eine besondere Form des Nicht-Dialogs ist das nicht-markierte,
assoziative Hin und Her zwischen theologischen und nichttheologischen
Aussagen, wie es sich z. B. in F. Capras einschlägigen Schriften
und in Moltmanns Schöpfungslehre findet. Da aber, wo wirklich
der Dialog gesucht wird, befindet man sich m. E. meist noch auf
dessen Vorstufe: dem Versuch des Aufeinander-hören- und des Ein-
ander-verstehen-Lernens. Das angezeigte Buch kann aber helfen, daß
dieser Versuch kenntnisreicher als bisher von vielen unternommen
werden kann. Ein gelingender Dialog hätte dann das Ziel, „Wege zu
finden, die weiterführen, indem sie Überleben in unserer Welt ermöglichen
und, mehr noch, auch in diesem Leben so etwas wie Erfüllung
eröffnen", wie der Hg. recht großdimensioniert, aber durchaus treffend
formuliert (S. 4).

Wittenberg Hans-PetcrGensichen

Hall, Douglas John: Imaging God. Dominion as Stewardship. Grand
Rapids: Eerdmans; New York: Friendship Press 1986. VIII, 248 S.
8" = Library of Christian Stewardship. Pb. £ 7.95.

Das Buch endet mit einer rabbinischen Legende. Als Gott nach fünf
Tagen mit der Schöpfung zu Ende ist, fragt er einen Engel, ob noch
irgendwas fehle. Der Engel meint, es sei alles da, was man von Gott
erwarten könne, aber „vielleicht könnte eines dieses so perfekte Werk

noch perfekter machen: Sprache, um seine Vollkommenheit zu preisen
!" Damit ist die Zielstellung des hochinteressanten Buches umschrieben
. Der Mensch als „Imago Dei" hat als bleibende Aufgabe,
die Schöpfung Gottes zu preisen. Dies hat er verlernt, und schuld
daran haben die westliche Zivilisation und das von ihr geprägte Christentum
. Sie haben nämlich durch Jahrhunderte hindurch das Gebot
Gottes, die Erde zu beherrschen (Gen 1,26), mißbraucht oder vielmehr
mißverstanden. Erst die moderne Entwicklung, die in der
ganzen Welt durch eine wachsende Zerstörung der Umwelt gekennzeichnet
ist, hat dieses Mißverständnis ans Licht gebracht, und Hall
will helfen, es aus dem Wege zu räumen.

"Imaging God", „Gott abbilden" heißt nämlich, daß der. der Gott
liebt, auch seinen Bruder liebt (Uoh 4,20) und auch die Erde liebt,
sonst ist er ein Lügner. Wenn nämlich „Gott Liebe" ist (Uoh 4,16).
dann muß auch seine Herrschaft Dienen sein, kann also nicht die Welt
zerstören, sondern muß die zu preisende Schöpfung erhalten. In diesem
151 Jesus Christus die „Imago Dei", denn seine Herrschaft ist
Dienen (engl. Untertitel "Dominion as Stewardship"). An dieser Art
des Dienens haben die Menschen teil, weil sie seinem Leibe eingegliedert
sind (1 Kor 12). Die Imago Dei zeigt sich an Jesus nicht in seinen
Fähigkeiten, sondern in seiner Bereitschaft, für andere zu leiden und
ihnen zu vergeben. In ihm wird sichtbar, daß die Gestalt Gottes die
Gestalt eines Knechtes ist (Phil 2,5-11).

Gerade hier ist es zu Fehlinterpretationen gekommen. Imago Dei
wurde verstanden besonders als Fähigkeit zum Denken und damit
zum freien Willen, sie ist aber die Fähigkeit, die Beziehung des Schöpfers
zum Geschöpf abzubilden. Von daher gilt es, eine neue „Konzeption
der Beziehungen" (engl, "relational coneeption") aufzubauen,
eine „Theologie der Haushalterschaft der Natur". Nur so kann abgebaut
werden, was die westliche Theologie aus dem Menschen gemacht
hat: einen „unumschränkten Herrscher über das Tier".

„Wir brauchen dafür eine neue Ontologie", sagt Hall, in der der
biblische Tatbestand wieder zur Geltung kommt, daß „Sein Zusammensein
" ist. Denn ein „authentisches Menschsein" bedeutet immer
„mit-sein" als „für-sein" und damit als „zusammen-sein". während
„gefallenes Menschsein" bedeutet „allein-sein" als „gegen-sein" oder
gar „darüber-sein".

Hall verfolgt sein Thema einmal in biblischen Zusammenhängen,
indem er die biblischen Belegstellen zusammenträgt, die Herrschen
als Dienen beschreiben und das Lob der Schöpfung Gottes in den
Vordergrund stellen.

Dann verfolgt er das Thema dogmengeschichtlich und versucht
nachzuweisen, daß die Fehlentwicklung eine „Athener" Entwicklung
sei, d. h. Folge des in das Christentum eingezogenen abendländischen
Denkens zuungunsten „Jerusalems". Sie tritt ins Licht z. B. in den
Auseinandersetzungen des Irenäus und des Clemens Alexandrinus
mit der Gnosis, in denen sie Wert darauf legen, daß die Imago Dei
Leib und Seele betrifft. Die Aufgabe des Leiblichen bringt auch eine
Verachtung der Natur mit sich. Später findet Hall sowohl bei Luther
als auch bei Calvin Hinweise auf ein wiederentdecktes ganzheitliches
biblisches Denken und zitiert die schöne Stelle von Karl Barth: das sei
„Sein in Christus", daß wir „zu Tische sitzen nicht nur mit anderen,
sondern auch mit Tieren, Pflanzen und Steinen". Schlußfolgerung:
„In der Gemeinde des Kreuzes können wir beginnen, Gott in unseren
Beziehungen zueinander abzubilden."

Das Buch leistet eine dogmatische Hilfe zur Klärung der Frage des
Verhältnisses zur Natur für den Christen. Es räumt auf mit einer
falschen und gefährlichen Auslegung von Gen 1,26, die die Erde dem
Menschen als Versuchs- und Forschungsobjekt bedingungslos ausliefert
. Und sie macht übrigens Tür mich deutlich, daß das marxistische
Menschenbild mit seiner strengen Gcsellschaftsbczogcnheit dem
biblischen näherliegt als das individualistische Menschenbild des
Liberalismus.

Zittau Dietrich Mendt