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Ausgabe:

1989

Spalte:

811-812

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Peter

Titel/Untertitel:

Hekhalot-Studien 1989

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 1 1

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Diese umfangreiche und in sich geschlossene traditionsgeschichtliche
Untersuchung kann sicher auch mit Hilfe der archäologischen
Forschung nicht alle Fragen und Probleme der Frühgeschichte Israels
und Judas beantworten; sie vermag aber auf diesem ohnehin mit vielen
Hypothesen belasteten Arbeitsfeld, Konturen und Linien einer
historischen und religionsgeschichtlichen Entwicklung zu beschreiben
, die an vielen Punkten zu überzeugen vermögen und in jedem Fall
zur kritischen Auseinandersetzung einladen.

Am Schluß dieses interessanten Buches stehen Bibliographie, Abkürzungen
, Zeittafel, Liste der Karten und Register zu den Bibelstellen
und zu den geographischen Bezeichnungen.

Greifswald Ernst-Joachim Waschkc

Judaica

Schäfer, Peter: Hekhalot-Studien. Tübingen: Mohr 1988. V, 312 S.
gr. 8° = Texte und Studien zum Antiken Judentum, 19. Lw. DM
158,-.

Die Erforschung der Hekhalot-Literatur, der ersten literarisch greifbaren
Phase in der Herausbildung einer jüdischen Mystik, hat sich in
den letzten zwei Jahrzehnten zu demjenigen Gebiet im Fach Judaistik
entwickelt, das den derzeit größten Aufschwung verzeichnet; und zu
denen, die an diesem Aufschwung maßgeblichen Anteil haben, gehört
zweifelsohne der Autor der hier vorzustellenden Studien, die
zwischen 1977 und 1987/88 in Vorbereitung, neben und in Weiterführung
seiner Arbeiten zur Herausgabe der Hekhalot-Literatur (s.
dazu ThLZ 108, 1983, 422-424; 114, 1989, 2700 entstanden sind.
Zehn der 13 in diesen Sammelband aufgenommenen Studien sind
zwar bereits andernorts abgedruckt gewesen (Angaben dazu S. 7), für
den Wiederabdruck jedoch (teilweise) völlig neu bearbeitet, in jedem
Falle in den bibliographischen Referenzen auf den aktuellen Stand
gebracht, so daß sie gleich den verbleibenden drei Studien als „Erstveröffentlichungen
" gelten dürfen.

Die Mehrzahl der Studien, d. i. die ersten zehn von ihnen, sind literarischen
Problemen gewidmet. Die letzten drei befassen sich mit
inhaltlichen Fragen der frühen Hekhalot-Literatur und ihrer „reli-
gionsgeschichtlichcn Standortbestimmung". Die Aufgabenstellung
für die erste Gruppe ist im ersten, programmatisch zu nennenden Aufsatz
formuliert. Linter dem Thema "Tradition and Redaction in
Hekhalot-Literature" (S. 8-16) macht Vf. deutlich, daß die zu dieser
Literatur zu zählenden Schriften infolge der evidenten Fluktuation
des Textmaterials nicht i. S. des klassischen Werkbegriffs klar gegeneinander
abgrenzbarer Schriften bestimmbar sind, d. h. weder nach
dem Mustereines „Urtext mit durch Tradition produzierten Varianten
" noch nach dem Muster eines „aus nebeneinander existierenden
Versionen heraus endredigierten Textes", so daß jeder Versuch, den
einen Text einer Schrift zu rekonstruieren, Illusion bleiben muß. Vielmehr
muß eine jede Textform einer Schrift, wie sie durch/in MSS
repräsentiert ist, als „autonomes Entwicklungsstadium" respektiert
werden. Zur Bezeichnung dieser Entwicklungsstadien, d. i. des „über
einen langen (. . .) Zeitraum hinweg in immer neuen Konfigurationen
zusammengefaßten" fluktuierenden Textmaterials, hat Vf. die Begriffe
„Mikro- und Makroformen" (je nach Art und Umfang der
„Konfiguration") gewählt. Vier solcher Makroformen untersucht Vf.
in den folgenden Aufsätzen auf ihre „redaktionelle Identität" hin:
„Prolegomena zu einer kritischen Edition und Analyse der Merkava
Rabba" (S. 17-49; im Anhang abgedruckt: Einleitung, Text, Übersetzung
von hotam ^«(/«//Großes Siegel und keter /?«ra/Furchtbare
Krone); „Autbau und redaktionelle Identität der Hekhalot Zufarti"
(S. 50-62); „Zum Problem der redaktionellen Identität von Hekhalot
Rabbali" (S. 63-74) und „Shi 'ur Qoma: Rezensionen und Urtext"
(S. 75-83).

In „Ein neues Fragment zur Metoposkopie und Chiromantik"
(S. 84-95) legt Vf. Einleitung und Ubersetzung des in „Geniza-

Fragmente zur Hekhalot-Literatur" (Tübingen 1984, S. 135-139)
publizierten Textes vor, der insofern von Bedeutung ist, als er nach bis
dato drei bekannten nun der vierte Beleg für eine solche esoterische
Disziplin im vorkabbalistischen Judentum ist. - In „Ein neues
Hekhalot Rabbati-Fragmenl" (S. 96-103) und „Ein unbekanntes
Geniza-Fragment zur Hekhalot-Literatur" (S. 104-117) publiziert
Vf. zwei'weitere Geniza-Fragmente. - Einen weiteren Text mit Übersetzung
auf der Basis von vier MSS ediert Vf. in „Die Beschwörung des
sar ha-panim. Edition und Überseztzung" (S. I 18-153). Üblicherweise
zur Merkava rabba gerechnet (vgl. „Synopse der Hekhalot-
Literatur, Tübingen 1981, §§655-708), stellt dieser Text nach Vf.
jedoch ein „selbständiges und in sich abgeschlossenes Traditionsstück
" dar.-Im letzten Aufsatz der ersten Gruppe „Handschriften zur
Hekhalot-Literatur" (S. 154-233) analysiert Vf. der Reihe nach 47
MSS, die weder in die „Synopse der Hekhalot-Literatur" noch in die
„Geniza-Fragmente zur Hekhalot-Literatur" aufgenommen worden
sind.

In "New Testament and Hekhalot-Literature. The Journey into
Heaven in Paul and in Merkavah Mysticism" (S. 234-249) widerlegt
Vf. mittels Vergleich von 2Kor 12,1-4 und der rabbinischen Erzählung
von den vier Rabbis im Paradies (tHag II, 2-4; yHag II, 1 —77b
und bHag 14-15b) die These W. Boussets („Die Himmelsreise der
Seele", in: ARW4, 1901, 136-169) und G. Scholems ("Jewish,
Gnosticism, Merkabah Mysticism, and Talmudic Tradition", New
York 21965, 14-19), "that a form of Merkavah mysticism (...)
provides the background for Paul's famous aecount". - Die im
Midrasch zentrale Vorstellung von der in der Erwählung durch Gott
begründeten Überlegenheit der Menschen, richtiger hier: Israels über
die - trotz allem bedrohlich, ja gefährlich bleibenden - Engel dokumentiert
Vf. eingehend in „Engel und Menschen in der Hekhalot-
Literatur" (S. 250-276). - "Aim and Purpose of Early Jewish
Mysticism" (S. 277-295) im Lichte der Hekhalot-Literatur schließlich
sieht Vf. darin, daß hier demonstriert wird, "how an elite post-
Rabbinic group of scholars understood the world and reality. They
were people who, through the fantasy of the heavenly journey and
through magical adjuration, wanted to proeeed to God directly or to
forth God down to earth" mit dem Ziel der "confirmation of
communion with God and of the love of God, as well as the complete
knowledge of revelation," und zwar um "the redemption of Israel
here and now, on this earth and in this time" zu erlangen.

Wenn auch zugegebenermaßen die Mehrzahl der hier angezeigten
Aufsätze kaum das Interesse breiterer Leserkreise erreichen, vielmehr
deren Lektüre auf den Kreis der Mystik-Forscher*beschränkt bleiben
wird, so seien doch mindestens die letzten drei Aufsätze mit allem
Nachdruck den Bibelexegeten anempfohlen, ganz abgesehen davon,
daß die von Vf. entwickelte Methodologie für die von ihm vorgenommenen
Texteditionen ohne Zweifel auch über den Rahmen der
Hekhalot-Literatur hinaus ihre Bedeutung hat und - hoffentlich -
auch Beachtung finden wird.

Berlin Stefan Schreiner

Neues Testament

Bauer, David R.: The Structure of Mlatthew's Gospel. A Study in
Literary Design. Sheffield: Almond 1988. 182S. 8- = Journal for
the Study of the New Testament, Suppl. Scries, 31. Bible and Lite-
rature Series, 15. Lw. £ 25.-.

Die von J. D. Kingsbury betreute Dissertation untersucht die
Makrosyntax des Gesamttextes und plaziert sich im Bereich des
gegenwärtigen "Literary Criticism" ("eriticism" trotz der notwendigen
Kritik von E. D. Hirsch im mißverständlich weiteren Sinne von
.Analyse' verwendet; zu deutsch: Textlinguistik) "with its locus upon
the final form of the text" (linguistisch präziser: texte tel quel)
inklusive "the identification of rhetorical Clements" (präziser: mor-