Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

809-811

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Axelsson, Lars E.

Titel/Untertitel:

The Lord rose up from Seir 1989

Rezensent:

Waschke, Ernst-Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

I

809 Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 11 810

daher nicht darum herum, zunächst den Aufbau der beiden Großsammlungen
getrennt zu untersuchen, um dann nach den redaktionellen
Verklammerungen zu fragen und welche Bedeutung ihnen für das
Ganze zukommt. Dabei kennt jeder, der sich eingehender mit den
redaktionsgeschichtlichen Problemen auch nur der protojesajani-
schen Sammlung beschäftigt hat, die Schwierigkeiten, die sich aus
unterschiedlichen und jetzt ineinander liegenden redaktionellen Konzepten
ergeben. Es ist ja nicht zufällig, daß bis in die Gegenwart über
die Zeitstellung und Bedeutung der sog. Assurbearbeitung gerätselt
und gestritten wird (vgl. dazu z. B. Kaiser, TRE 16, Berlin und New
York 1987, S. 644f und R. E. Clements, Isaiah 14,22-27. A Central
Passage Reconsidered, in: J. Vermeylen, ed.: The Book of Isaiah,
BEThL LXXXI, Leuven 1989, S. 253-262). Man ist versucht, in ihr
eine nachträgliche Historisierung der jesajanischen Verkündigung zu
sehen, die ebenso auf die Erzählungen von der Rettung des Zion in
c. 36f hinausblickt, wie sie zugleich chiffriert den künftigen Völkersturm
gegen Jerusalem und sein Scheitern im Auge hat. Andererseits
sind die Fremdvölkersprüche durch c. 13 und die c. 24-27 der Erwartung
des Weltgerichts untergeordnet. Aber wer versucht, die Einzeltexte
auf diesen Nenner zu bringen, leidet immer wieder Schiffbruch:
Der vielen Jahrhunderten entstammende Chor mit vielen Stimmen
verweigert'Sich den Versuchen, sie auf eine Formel zu bringen, sondern
sie verlangen die Beachtung ihres eigenen Rechts, belohnen aber
den geduldigen Leser damit, daß sie zeigen, wie die Zionsgemeinde
immer neu um die Bewältigung des Exilsgeschicks im Glauben an die
Macht und Treue Jahwes gerungen und dabei die Worte Jesajas in
immer neues Licht gerückt hat, um ihnen ihre Bedeutung für die
eigene Zeit zu erhalten. Will man für das Großjesajabuch eine historische
Periodisierung suchen, kommt man nicht um die Tatsache
herum, daß es einerseits in besonderer Weise auf das 8. Jh. zurückblickt
und andererseits in einem wiederum vielstimmigen Zeugenchor
auf die Zukunft des Zion hinausblickt, und beides nicht, ohne die
Stunde des Gottesvolkes immer neu zu definieren. Sieht man davon
ab, indem man eine durchlaufende historische Ordnung zugrundelegt
und dabei denn auch noch unser ganzes heutiges historisches Wissen
ins Spiel bringt, um die Absicht vermeintlich im späten 5. Jh. wirkender
Kompilatoren zu erfassen, begibt man sich, zumal wenn man das
mit einer dramatischen Rollenverteilung verkoppelt, in gefährliche
Nähe zu einem historisch-theologischen Roman. So bleibt der mit
Begeisterung, Engagement, einem hohen Stand an historischer
Gelehrsamkeit und bewundernswürdiger Phantasie und Frische
geschriebene Kommentar von Watts ein Experiment, dem zu folgen
der Rez. abraten möchte, zugleich aber eine Herausforderung an seine
Nachfolger, das Ziel im Auge zu behalten und sich ihm angemessener,
weil textgemäßer zu nähern.

Marburg (Lahn) Otto Kaiser

Axelsson. Lars Eric: The Lord Rose up from Seir. Studies in the
History and Traditions of the Negev and Southern Judah. Transl.
by F. H. Crycr. Stockholm: Almquist & Wikseil 1987. XIII, 208 S.
8" = Coniectanea Biblica, Old Testament Series 25. SEK 145.-.

A. unternimmt in der vorliegenden Monographie (einer in Lund bei
T. N. D. Mcttinger und B. Johnson angefertigten Dissertation) den
Versuch, den Negev und Südjuda auf ihre Bedeutung für die politische
und religionsgeschichtliche Entwicklung Israels und Judas zu untersuchen
. Er selbst bezeichnet seine Arbeit als eine "morc holistic
investigation" (S. 1), was in diesem Zusammenhang heißt, daß er sich
für die Untersuchung dieses Gebietes sowohl auf die Ergebnisse der
archäologischen Forschung als auch auf die wesentlichen Traditionen
mit ihren einschlägigen Texten im AT stützt.

Nach einer Einleitung ("Introduction". S. 1-6), in der er die Fragestellung
, die Methode und das zu behandelnde Gebiet umschreibt,
gibt er im ersten Hauptteil seiner Arbeit einen Überblick über den
gegenwärtigen Stand der archäologischen Forschung dieses Territoriums
("The Negev and Southern Judah: The Archeology",
S. 7-47). In dem zweiten Hauptteil werden die entsprechenden biblischen
Texte und Traditionen, die mit dem Süden des Landes in Zusammenhang
stehen, untersucht (S. 48-170). Dabei wendet er sich zunächst
den Theophanieschilderungen in Dtn 33,2; Ri 5,4f; Hab 3,3;
Ps 68,8f und Ex 19-20 zu ("The Lord Rose up from Seir", S. 48-65).
Dem folgt eine Untersuchung der Listen von Gen 36 und Jos 15 hinsichtlich
ihrer genealogischen und geographischen Angaben ("Genea-
logy and Geography", S. 66-83). Im weiteren werden die Vätertradition
("Abraham and Isaac", S. 84-112), die Wüsten Wanderung ("The
Desert Wanderings", S. 113-124) und die Landnahme ("Conquest
from the South", S. 125-142) behandelt. Am Schluß dieses umfangreichsten
Teils der Arbeit stehen dann die Fragen nach Davids Verhältnis
zu den Stämmen des Südens, nach seinem politischen Aufstieg
und der Bildung seines Königtums sowie die Frage nach Davids Bedeutung
für den Jahweglauben ("David and the South",
S. 143-170).

Im dritten Hauptteil ("Synthesis and Implications", S. 171-183)
versucht A. auf der Grundlage seiner gewonnenen Einsichten, die Entwicklung
des Südens nach der historischen und religionsgeschichtlichen
Seite hin zu umreißen.

Unter "Historical Outline" (S. 171-178) beschreibt er die
Geschichte des Südens von der Einwanderung der vor- bzw. früh-
israelitischen Stämme und ihrer Siedlungskultur bis zu ihrem Zusammenschluß
als „Haus Juda" unter David und die politische und religionsgeschichtliche
Bedeutung Judas für die Geschichte Israels. Dementsprechend
faßt er unter "Religious Implications" (S. 178—181) die
religiösen Traditionen in ihren wesentlichen Entwicklungen zusammen
. Einige Punkte dieser Entwicklung seien hier genannt:

Die Heimat des Jahweglaubens ist der Süden, wo Jahwe nachweislich
zuerst von den Schasu-Beduinen verehrt worden ist. Ebenso
gehört die Vorstellung vom Gottesberg schon dem vorisraelitischen
Jahweglauben an. Da wichtige Stämme des Südens Jahweverehrer
waren, muß die Schlußfolgerung gezogen werden: "it must have been
the Calebites and related groups from Seir, and the Kenites from a ter-
ritorially adjacent area. who brought the religion of YHWH with them
up to the land of Judah when they migrated into it" (S. 179). In gleicher
Weise ist hier die älteste Abrahamtradition verwurzelt, deren
paralleler Verlauf zur Geschichte der Kalebiter A. dahingehend deutet
, daß Abraham bei ihnen als Stammvater galt und daß "the Cale-
bite conquest traditions, and the Abraham story, inform us of the
route Yahwism took on its way northwards, that is. from the deep
south via the northern Negev to the heartland of Judah" (S. 179f)-
Durch David wurde die Jahwereligion sowohl zur Basis des Zusammenschlusses
der Südstämme zum „Haus Juda" wie dann auch zum
wichtigen Bindeglied der unter ihm vereinigten Königreiche Israel
und Juda. Letzteres ist u. a. darin angezeigt, "that David chose as
priests Abiathar. a representative of north Israelite Yahwism .. .. and
Zadok, who represented Judacan Yahwism, Coming as hc did from eit-
her Hebron or the Negev" (S. 180).

Die eigenständige Entwicklung der Jahwereligion im Nordreich
bringt A. in Verbindung mit den "Moses groups", die aus der Wüstenregion
des Südens über das Ostjordanland eingewandert sind. Im
Nordreich wurde dann die Tradition der Jahwetheophanie aus dem
Süden (Seir, Teman, Paran usw.) und die Vorstellung des Gottesberges
(1 Kön 19) bewahrt, die in Juda durch Jerusalem mit dem Zion
als "the new Sinai" verdrängt wurde. Weitere eigenständige Verbindungen
des Nordens zu den Traditionen des Jahweglaubcns im Süden
lassen sich u.a. auf Grund der archäologischen Funde in Kuntillet
Ajrud ("The site was probably a pilgrimage Station along the north
Israelite route to the mountain of god") und aul'Grund der Bedeutung
Isaaks und des Heiligtums von Beerschcba für das Nordreich vermuten
. "The Simeonites migrated to the north and werc dispersed among
the northern tribes. It was they at all events who disseminated the
knowledge of the patriarch Isaac and the sanetuary at Beer-shcba"
(S. 181).