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Ausgabe:

1989

Spalte:

804-809

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Watts, John D. W.

Titel/Untertitel:

Isaiah 1 - 33 and Isaiah 34 - 66 1989

Rezensent:

Kaiser, Otto

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Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 1 I

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fuhrlich und einsichtig dargelegt. Tendenz dieser gesamten geschichtlichen
Entwicklung ist in einer immer stärker werdenden Theologisie-
rung zu sehen. „Die Theologisierung von Recht entwickelt eine die
Rechtsgeschichte Israels zunehmend gestaltende Dynamik, die sich
aus der Universalität des Herrschaftsanspruches JHWHs auf die
Gesamtheit der Lebenswelt Israels speist" (S. 2).

In den nachfolgenden Untersuchungen geht Vf. schrittweise von
dem Bestand und der Geschichte des Bundesbuches aus. In Kap. 2
(S. 4-8) stellt er „die literarische Nachgeschichte des Bundesbuches in
der Sinaiüberlieferung" dar. Er setzt sich darin von vielen früheren
Versuchen, eine literarkritische Scheidung vornehmen zu wollen, ab
und weist sofort auf die in sich geschlossene Strukturierung des Bundesbuches
hin. Hier unterscheidet er sich von der Untersuchung
J. Halbes. Diese seine Stellungnahme wird sofort in den folgenden
Kapiteln näher begründet. Für Ex XXI 2-XXIII 12 ergeben sich ihm
zwei zunächst voneinander unabhängige literarische Einheiten, die
beide chiastisch gegliedert sind: Auf der einen Seite steht Ex XXI 2 bis
XXII 26, auf der anderen Ex XXII 28-XXIII 12. Diese Einsicht wird
in den Kapiteln 4 und 5 näher begründet und ausgeführt. Die Vielfalt
der Einzelargumentation kann hier nicht näher vorgetragen werden.
Wichtig ist aber, daß beide literarischen Einheiten ihre eindeutige
Charakterisierung erfahren; Ex XXI 2 bis XXII 26 zeigt, daß „die
Unterstellung der Normen des Alltagslebens unter den Gotteswillen
... in den sozialen Konflikten der Königszeit nicht neutral
(bleibt)" (S. 43). Diese Konzeption sei „durch die JHWH-Königstheo-
logie geprägt" und könne „in der Jerusalemcr Priesterschaft. . ., die
alles andere als eine Funktionärskasle herrschender Interessen war,
sondern Verantwortung auch gerade fürdie Armen inder Gesellschaft
trug" (S. 44) als beheimatet gesehen werden. Die zweite Gesetzessammlung
, Ex XXII 28-XXIII 12 wird ebenso eindeutig und eingehend
untersucht. Als Kern dieser Reihe wird Ex XXIII 4f gesehen
(S. 49), wo die ethische Forderung, sich um das verirrte Rind des Feindes
zu kümmern, erhoben wird. „Ex XXIII 4f ist nicht justitiabler
Rechtssatz, sondern ethische Forderung" (S. 49). Den Ort dieser zweiten
Gebotsreihe sieht Vf. „in landpriesterlichen oder levitischen Kreisen
Judas" (S. 51).

Die sorgfältig vorbereiteten Ergebnisse der bisherigen Arbeit werden
auf den folgenden Seiten ausgewertet. So wird zuerst danach
gefragt, welche Bedeutung die redaktionelle Zueinanderfügung der
beiden separierten Teile des Bundesbuches hat. Sic wird in der fortschreitenden
Theologisierung der Einzelgesetze gesehen, wie auch die
Verse Ex XX 24-26 diesem Ziel dienen. „Die Rechtsüberlieferung
dieser Sammlung wird nicht nur in den Horizont der Jerusalemer
JHWH-Königstheologie, sondern durch das vorangestellte Altargesetz
in den kultischen Kontext des Jerusalemer Tempels gerückt"
(S. 55). Daraus kann nun auch eine Überlegung über „die Rechtsüberlieferungen
des Bundesbuches im Horizont der deuteronomistischen
Theologie" (S. 57-60) abgeleitet werden. Es ist bestechend, wie hierbei
eine äußerst theologische Erklärung in das Blickfeld tritt: „Die
Theologisierung und Integration des Rechts in den Gottesbegriff zieht
eine VerreehtlichungdesGottesbegriffcs nach sich" (S. 59f).

Nun erst erhebt sich die Arbeit zu rechtsgeschichtlichen Konzeptionen
, die das Gesamte des israelitischen Gesetzesverständnisses in die
Betrachtung miteinbezieht. Diese Ausführungen (S. 61-75) können
als eine kleine Darstellung einer alttestamcntlichen Theologie des
Rechts angesehen werden. Es kann nicht in Einzelausführungcn diese
gewichtige Darstellung wiedergegeben werden. Es muß genügen, auf
die differenzierenden, auch die gegenläufigen Bewegungen berücksichtigenden
Ausführungen hinzuweisen, die als interessantes Nebenereignis
auch Überlegungen aufweisen zu der viel verhandelten Frage,
ob das israelitische Gesetz aus dem pansakralcn Umkreis kommend
einen Säkularisierungsprozeß durchgemacht habe oder nicht. Nach
den Ausführungen des Vf. ist eindeutig ein umgedrehter Weg zu
sehen; denn „die hier vorgelegte Analyse des Bundesbuches hat keinen
Anhalt für eine gottcsrcchtlichc Grundschicht ergeben, in die die
Profänrechte integriert worden seien" (S. 75). Diese Ausführungen

gipfeln in dem Satz: „In der Theologisierung des Rechts wirkte der
innerste Wesenskern dieses Gottes auf das Recht und führte es im
Gedanken der Solidarität noch mit dem Feind (Ex XXIII 41) über die
Möglichkeit des Rechts hinaus und ließ Recht zu Ethos werden"
(S. 75).

Wie brennend diese Ausführungen auch fürdie „Rechtsbegründung
und Theologie in moderner Gesellschaft" (S. 76-79) sind, machen die
Schlußbemerkungen deutlich. Nicht nur die Komplexität der Forderungen
, sondern auch die pluralistischen Züge dieser uns heute umgebenden
und treffend geschilderten Sozialstrukturen geben den
Hintergrund für diese Ausführungen an, die bei brennenden sozialethischen
Forderungen unserer Tage enden.

Ein ausführlicher Anmerkungsteil (S. 80-96), Angaben zur Litcra-
tur(S. 97-105)undein Register(S. 106f) schließen das Werk ab.

Der Rez. möchte mit dem Wunsche schließen, es möge dem Vf. vergönnt
sein, diese Arbeit intensiv fortsetzen und auch einmal eine
Ethik des Alten Testaments schreiben zu können.

Wien Georg Sauer

Sehneider, Christoph: Krisis des Glaubens. Zur Frage der sogenannten
falschen Prophetie im Alten Testament. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1988. 139 S. 8- = Theologische Arbeiten, 46. Brosch. DDR
M 11,-; Ausland DM 14,50.

Mit dieser exegetisch orientierten Arbeit, die von Dr. Wolfram
Herrmann angeregt worden ist, nimmt der Vf. das häufig erörterte
Thema der sogenannten falschen Prophetie im Alten Testament wie-
derauf(vgl. das Literaturverzeichnis).

Er beginnt mit einem kurzen kritischen Überblick über die For-
schungsgcschichtc und warnt in der Zusammenfassung mit Recht vor
„Vereinfachung und Pauschalisierung" des Problems(S. 22).

Darauf folgen im zweiten, umfangreichsten Teil (S. 24-73) exegetische
Untersuchungen der Texte, die aktuelle innerprophetisehe Auseinandersetzungen
bezeugen (IKön 22,1-38; Abschnitte aus den
Büchern Arnos, Micha, Jesaja, Zefanja, Jercmia und Ezechiel). Dankenswerter
Weise hat der Vf. auch solche Texte, in denen rückschauend
über die Auseinandersetzung zwischen Propheten nachgedacht
wird (Klagelieder, deutcronomistische Redaktion-im Jcre-
miabuch, Dtn 18,20-22, Glossen), berücksichtigt.

Der Ertrag der exegetischen Bemühungen wird im dritten Teil
(S. 74-93) in übersichtlicher Form dargestellt. Es wird ujiter anderem
gezeigt, daß der prophetische Konflikt, in dem es zunächst um die
Einstellung Jahwes zu Israel und um die richtige Einschätzung der
geschichtlichen Situation geht, seinen Ursprung im Nordreich hat. Bei
den falschen Propheten, deren Verkündigung im Gegensatz zur Botschaft
der klassischen Propheten steht, ist das Gottesverhältnis beeinträchtigt
, wodurch es zur „Verengung und Verhärtung der Glaubenshaltung
" und zur „Störung des prophetischen Erkenntnisprozesses",
der als vielschichtig zu betrachten ist. kommt, was „eine beschwichtigende
Sicht der jeweiligen Gegenwart" und manchmal auch ethisch
anstößiges Verhalten zur Folge hat (S. 85). Letzteres ist in der deuteronomistischen
Redaktion des Jercmiabuchcs neben der Frage nach
dem Eintreffen des Prophetenwortes als Kriterium für wahre und falsche
Prophetie von Bedeutung. Abschließend versucht der Vf. zu zeigen
, welche Denkanstöße sich aus der Kontroverse der Propheten für
die Gegenwart ergeben.

Der Wert der Arbeit liegt in der sorgfältigen Analyse der Texte als
Basis für differenzierte Lösungen entsprechend der eingangs erwähnten
Warnung. Das Urteil des Vf. ist stets ausgewogen, auch bei Auseinandersetzungen
mit anderen Meinungen.

Weimar KvaOüwald

Watts, John D. W.: Isaiah 1-33 and Isaiah 34-66. Waco, TX: Word
Books 1985/87. LVII, 449 S. and XXIII, 386 S. gr. 8' = Word Bibli-
cal Commentary, 24 and 25.