Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

58-59

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Der Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft 1989

Rezensent:

Gensichen, Hans-Peter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

57

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 1

58

Halle (Saale) Michael Beintker

nsiert wird (vgl. 235). Ein zweiter Abschnitt (63-1 19) widmet sich der gischen Kantianismus in Barths Werk. Aber sie verdeckt ebenso - die
Phase des ersten „Römerbriefs" (1914-1919), in der Barth, irregewor- vom Vf. an sich aufgewiesene - Wechselwirkung von Formen und
den an der Vereinnahmung Gottes durch die deutsche Kriegstheolo- Inhalten bei Barth und unterschätzt zu sehr, wie die Veränderung des
g'e, die Kategorie des Erlebnisses hinter sich ließ (66fT) und im „normativen Zentrums" Denkstrukturen der „anfanglichen Theolo-
Lernprozeß mit dem Römerbrief des Paulus zur „Selbstbesinnung der gie" Barths zerbrochen hat.
Theologie auf ihr Thema" (73) vorzustoßen sucht. Wie rasch die hier
gefundenen Lösungen Tür Barth veralteten, zeigt sich im dritten Abschnitt
(121-198), in dem der Vf. die Phase des zweiten „Römerbriefs
" (1919-1924) in den Blick nimmt. Barth fängt nochmals mit .„„ ... , _ ,

ripm Ar . . ., _ ,. _ _ . _ „ . Hubner, Jürgen IHg.l: Der Dialog zwischen Iheooeie und Natur-

°em Anfang an vgl. I 10; die Tautologie „Gott ist Gott" des ersten . ,5,. L._ KWr , . D ., ... . v-

P ■• . . ,, , Wissenschaft. Ein bibliographischer Bericht. München: Kaiser

•^ornerbr,efs"(vgl. 730 findet ihr Widerlager in einer konsequent das 1987 X1I, 522 S. 8' = Forschungen und Berichte der Evang. Stu-

-.Nicht-Gott"-Sein der Welt (142) respektierenden Haltung, die sich diengemeinschaft 41 Lw DM 69 -
den Blick am Geist Heinrich Barthscher Ursprungsphilosophie (123ff,

'52flf) zu schärfen wußte und in Betroffenheit die Diskrepanz von Wer sich über die Beziehungen zwischen Theologie und Evolu-
Verheißung und Erfüllung (153) realisiert. Schließlich (199-234) zeigt tionstheorie bis 1964 informieren will, kann das mit Hilfe von
van der Kooi, wie Barths anfängliche Theologie in der vierten Phase J. Hübners Buch „Theologie und biologische Entwicklungslehre" von
der „Christlichen Dogmatik" (1924-1927) zur explizit wahrgenom- 1966 tun. Wer einen guten bibliographischen und systematischen
menen dogmatischen Arbeit gelangte und wie sich dadurch noch Überblick über den gegenwärtigen Stand und die Nachkriegsge-
einmal Stil und Perspektiven seines Denkens wandeln, ohne daß schichte der Begegnung der Theologie mit der gesamten Naturwissen-
eigentlich von einer Diskontinuität zum zweiten „Römerbrief" ge- schaft sucht und dabei viel Zeit sparen will, sollte zu H.s neuem Buch
sProchen werden kann (vgl. 199ff). greifen. Er und 19 Mitarbeiter dokumentieren und kommentieren in
Die vom Vf. vorgenommene Periodisierung des Barthschen Denk- zwölf Kapiteln den literarischen Niederschlag dieser Begegnung seit
Weges einschließlich der Herausarbeitung zentraler, jeweils leitender 1945, hauptsächlich aber von 1965 bis 1985. Deutschsprachige Lite-
Beweggründe und Themen ist gut begründet. Rückfragen werfen ratur überwiegt; etwa ein Drittel ist fremdsprachlich. Sind Bücher ins
freilich die vom Vf. gewählten Problemstellungen auf, mit deren Hilfe Deutsche übersetzt, so beziehen sich (außer bei den Werken Teilhard
ersieh in Barths früher Theologie zu orientieren versucht. Bewußt soll de Chardins) die bibliographischen Angaben auf die deutsche AusBarths
„anfängliche Theologie im Lichte der Frage nach der Verant- gäbe, die Angaben des Originaltitels sind dann unterschiedlich genau.
Hortung des Glaubens" betrachtet werden (12). Daraus ergeben sich - Natürlich fehlen Titel. Manche sind wegen Irrelevanz weggelassen,
dem Vf vier interpretatorische Leitaspekte: 1. Von welchen Wegen andere sind schlicht übersehen worden. Der Hg. bittet schon in der
der Glaubensbegründung grenzte Barth sich ab? 2. Welchen Weg Einleitung um Nachsicht. Wirklich gefehlt haben mir (außer den
schlägt seine Darstellung ein (die als Explikation des Glaubensgegen- unten genannten) nur einige neue Titel zu den Hochtechnologien, die
Standes bereits Begründung ist)? 3. Wie reagiert sein Denken auf die die Relation zur Theologie zwar nicht explizit herstellen, aber sehr
v°n Lessing beschriebene Distanz zwischen historischen Texten und begegnungsrelevant sind.

dem heute zu verantwortenden Glauben? 4. Wie reagierte Barth Die Kapitel sind hauptsächlich nach Forschungsgebieten benannt

j^We''s auf den geschichtlichen Kontext seiner Arbeit? (vgl. 12-17). (Physik, Informatik/Kybernetik, Biologie, Medizin, Psychoanalyse,

11 dem so gewonnenen Viererschema „Abgrenzung - Darstellung - Anthropologie, Futurologie, Ökologie; es handelt sich also nicht nur

'stanzfrage - Beurteilung der Zeit" strukturiert der Autor seine Dar- um Naturwissenschaften!), teils hingegen auf Querschnitte durch das

Stellung in allen Kapiteln. Dadurch erreicht er Übersichtlichkeit und Ganze orientiert (Gesamtdarstellungen, Theorie der Naturwissen-

^errnag dem Eindruck der Barth-Kritik zu widersprechen, daß Barth schaft. Weltanschauliche Gesamtentwürfe, Praktisch-theologische

as Problem der Begründung von Glaubensaussagen durch autoritär Vermittlung). Jedes Kapitel hat einen Hauptteil mit Titelangaben und

gesetzte Offenbarungsansprüchc ebenso vergleichgültigt habe wie die Annotationen (jede zwischen drei und 15 Zeilen) und einen einleiten-

nkrete menschliche Wirklichkeit und ihren Erfahrungszusammen- den Kommentar von unterschiedlicher Länge (Physik: 1 1 S., Anthro-

han8- pologie: 5 S.).

^an kann nicht sagen, daß diese interpretatorischen Aspekte Die Mitarbeiter haben sich bei den Annotationen jeder Wertung
eir>fach an Barths Denken herangetragen wurden. Aber-wie steht es enthalten (bei H.W.Becks Kurzdarstellungen ist allerdings seine
Urn ihre Treffsicherheit und ihre Verankerung in Barths tatsächlichen Sympathie für fundamentalistische, z. B. antievolutionistische Auto-
entionen? Nach meiner Auffassung ist van der Kooi nicht immer ren unübersehbar); in den Einleitungen setzen sie jedoch, obwohl sie
er Gefahr einer zu schematischen Handhabung der genannten auch hier primär Berichterstatter sind, Akzente. Manche dieser Ein-
Pekte und einer damit verbundenen Formalisierung sehr komple- leitungen kommentieren mehr die nachfolgende Titelzusammcnstel-
"er Gegebenheiten entgangen. Das beispielhaft von Ingrid Spiecker- lung, manche sind auch nur dem Kenner der Materie verständlich.
^lann herausgearbeitete Movens der „neuen Theologie" Barths - Anderen gelingt eine gute Übersicht des Begegnungsgeschehens auf
estehend im gedanklichen Ringen um eine ihrem Gegenstand ihrem Gebiet, die zugleich - ohne im Niveau abzusinken - gut in das
^gemessene Gotteserkenntnis (vgl. dazu H. Stoevesandt in dargestellte Themenfeld einführt. Für besonders gelungen halte ich
k ^ '12. 1987. 62-66) - verliert in dieser Studie seine Konturen z. B. die Einleitungen zu den Kap. Physik und Theorie der Natur-
■ diffundiert in Teilsektoren des beschriebenen Viererschemas. Wissenschaften, beide von dem Berner theologischen Systematiker
ler vermißt man die wünschenswerte Tiefenschärfe, was dann auch Christian Link,
die Charakterisierung von Kontinuität und Diskontinuität zu- Die Zuteilung der Titel zu einem bestimmten Kapitel kann in recht
j^ckwirkt. Das zeigt sich etwa an der Bewertung der Beobachtung, daß vielen Fällen nur teilweise richtig sein: Die meisten Veröffentlichun-
^arth schon vor dem Bruch mit der liberalen Theologie unter dem gen gehören nach Lage der Dinge in mehrere der zwölf Gebiete. Der
'"fluß Herrmanns den Glauben streng aus sich selbst heraus zu Hg. hat dieses Problem durch ein System von Mehrlächnennungen
^antworten suchte. Der Vf. sieht hier eine durchgehende Konstante, und Querverweisen gelöst. Auch die Kapitcleinteilung selbst wirft
10 'hn zu der These veranlaßt: „Beurteilt man Barths Theologie Fragen auf; und diese sind nicht alle gelöst. Zwei seien genannt. In der
Untcr dem Gesichtspunkt der Denkstruktur, dann zeigt sich eine Einleitung zum Kap. Biologie wird hauptsächlich der Evolutionsstarke
Kontinuität. Nur die inhaltliche Bestimmung des normativen gedanke behandelt, für die Genetik wird auf das Kap. Medizin ver-
P nirums ändert sich." (235) Diese These öffnet mit einem gewissen wiesen. Das mag angehen, aber (I.) warum muß es dann noch ein Kap.
°W den Blick Tür die formbildende Rolle eines bestimmten theolo- Weltanschauliche Gesamtentwürfe geben, wenn in diesem nur evolu-