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Ausgabe:

1989

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 10

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grundsätzlich behandelt. Über „Diakonie und Theologie" werden
hier abschließend Thesen vorgelegt. Der 2. Teil „Diakonische Praxis
unter den Bedingungen einer Volkskirche" reflektiert gemeindediako-
nische Aktivitäten, und zwar allgemein die Sozial- und Beratungsarbeit
und spezieller die Aufgabe am Gefangenen. Es ist bei den vielfältigen
Anforderungen, die sich dabei ergeben, mit Recht der Zusammenarbeit
von Theologen und Nichttheologen ein eigener Abschnitt
gewidmet. Das besondere entwicklungspolitische Interesse Daibers
wird im 3. Hauptteil „Diakonische Praxis im ökumenischen Kontext
" deutlich. Besonders wird dabei auf das Verhältnis von Mission
und Diakonie und die Weckung des Selbstvertrauens bei den Empfängern
geachtet. Welche Positionen die diakonische Hilfe in den sich
dabei unvermeidlich ergebenden Konflikten beziehen muß, wird vor
allem an inhaltlichen Aussagen aus der Arbeit des Ökumenischen
Rates geprüft.

Der inhaltliche Aufriß läßt erkennen, daß hier nicht eine Monographie
zum Thema „Diakonie und kirchliche Identität" vorgelegt
wird, sondern es werden, wie bei den Nachweisen kenntlich gemacht
(205) und im Vorwort erwähnt (9-11), vom Vf. bei verschiedenen
Gelegenheiten erbetene Auftragsarbeiten locker miteinander verbunden
. Es handelt sich dem Untertitel gemäß um Studien, die Praktikern
willkommene Möglichkeiten zu theologischer Uberprüfung von
Inhalten und Methoden diakonischer Arbeit bieten.

Daiber verbindet den ernüchternden Einblick in die Realitäten des
diakonischen Alltages mit dem ermutigenden Ausblick auf Perspektiven
, die theologisch begründet und in ein kirchliches Konzept von
Sozialarbeit einbezogen werden. Er weiß, wovon er schreibt auch und
gerade, wo er nicht nur Vorhandenes beschreibt, sondern es auch auf
seine kirchliche Verantwortbarkeit überprüft. Es herrscht hier nicht
die ängstliche Sorge um die Wahrung eines kirchlichen Propriums in
verschiedenen diakonischen Arbeitsfeldern vor. Daiber hat vielmehr
den Mut, sich kenntlich zu machen und zu provozieren. In einem
guten Sinn werden Konflikte aufgezeigt und mit ihrer ehrlichen
Benennung schon ein erster Schritt zu deren Beseitigung getan. In
wohltuender Weise werden die Konflikte, die weiter auszuhalten sind,
benannt und nicht verdrängt oder übertüncht. So wird in diakonischen
Handlungsfeldern eingeübt, was im konziliaren Prozeß auch
über die Diakonie hinausgehend bewährt werden muß. Unterschiedliche
Positionen werden zu gegenseitiger Befruchtung zueinander
geführt. Es entsteht ein überarbeitetes Konzept, in dem die kirchliche
Identität eingebracht werden kann und nicht verleugnet werden
muß.

Im Rahmen dieser Rezension kann nicht auf die insgesamt 13
Abschnitte mit ihrem unterschiedlichen Gewicht einzeln eingegangen
werden. Exemplarisch soll unter dem Vorzeichen der zum Ausdruck
gekommenen positiven Würdigung dieser anregenden Studien als
Dank an den Vf. und als Impuls für den Leser auf zwei Abschnitte
besonders eingegangen werden.

Daiber weiß sich einer volkskirchlichen Gemeindekonzeption verpflichtet
. In diesem Gesamtrahmen bedenkt er das Verhältnis zwischen
Ortsgemeinden und den erst als Vereine und heute als Werke
und Verbände organisierten funktionalen Diensten. Interessant sind
seine soziologischen Unterscheidungen zwischen handlungsformier-
ter und personengruppenspezifischer Gliederung der funktionalen
Dienste der Kirche. Seine Beobachtung, daß die „funktionalen
Dienste Ausdruck eines volkskirchlichen Kirchentyps" sind, ist wohl
zu verallgemeinernd (67). Funktionale Dienste gibt es auch seitens
Minderheitskirchen, die keinen volkskirchlichen Anspruch erheben
können. Aber sicher verdiente es einmal einer gesonderten geschichtlichen
Untersuchung, wie die diakonische Arbeit in Deutschland in
ihrer Größenordnung und ihrer funktionalen Differenzierung nur auf
dem Hintergrund einer volkskirchlichen Situation hat entstehen
können. Die Frage ist, ob dies in der heutigen Situation weiter aufrechterhalten
werden soll und kann.

Die spannende Frage, ob die von außertheologischen Faktoren sehr
mitgeprägten funktionalen Dienste noch als Verkündigung und

Mission deklariert werden können, stellt sich freilich nicht nur auf
dem volkskirchlichen Hintergrund. So sehr vor einer unzulässigen
Ausweitung beider Begriffe gewarnt werden muß (71), so sehr muß
doch deren Reduzierung auf nur Verbales widersprochen werden. Die
missio Dei meint alle Menschen und den ganzen Menschen als
Adressaten. Dies hat Daiber mit Recht bei seiner Aufnahme von
Bonhocffers Formel „Kirche für andere" im Blick. Bei der Bestimmung
der Beziehung von Mission und Diakonie wird darauf zu achten
sein, daß beide Begriffe nicht auf die Gründungen der entsprechenden
Einrichtungen des 19. Jh. einzuengen sind.

Im 2. Hauptteil wird unter verschiedenen Aspekten die Frage nach
dem Proprium der Diakonie gestellt. Angesichts unterschiedlicher
Anbieter sozialer Dienstleistungen stellt sich heute diese Frage besonders
dringlich. Daiber weist daraufhin, daß zudem in einer spezialisierten
Arbeit mit den speziellen fachlichen Gesichtspunkten auch
sehr verschiedene Einflüsse wirksam werden. Volkskirchliche Diakonie
geschieht in einer pluralistischen Kirche und in einer pluralistischen
Gesellschaft (120). Unter dieser Voraussetzung untersucht er
die Bedingungen, unter denen Sozialarbcit Diakonie wird. Die persönliche
christliche Motivation, die besondere Gestaltung der zwischenmenschlichen
Beziehungen und die Bedeutung des christlichen
Menschenbildes werden mit Recht als wichtige Faktoren herausgestellt
(1170-

Für die Vermittlung theologischer Einsichten in die sonst von den
Humanwissenschaften bestimmten Handlungsfelder sieht Daiber drei
Lösungsversuche: die Konzentration auf die Verkündigung, der
offene Dialog mit verschiedenen Entwürfen und die völlige Entkoppelung
von theologischen und sozialen Gesichtspunkten (1390-
Keinen dieser Lösungsversuche sieht er als voll befriedigend an, ohne
daß er einen eigenen Versuch vorlegt (141). Der Wert der Arbeit von
Daiber liegt darin, daß er dem zweiten Lösungsversuch am ehesten
verpflichtet ist. Dies nötigt ihn zur Argumentation und lädt den Leser
zu eigener Urteilsbildung ein, weil Daiber seine eigenen Argumente
als vorläufig kennzeichnet und nicht zur endgültigen Lösung er-
klärt.

Wer sich um eine theologisch verantwortete Gestaltung diakonischer
Arbeit in Theorie und Praxis bemüht, wird von diesen Studien
Gewinn haben.

Halle (Saale) Reinhard Turre

Hollweg, Arncl: Diakonie und die'Paradigrncnproblematik in der Theologie-
Fortführung einer Auseinandersetzung(PTh 78, 1989, 19-33).

Kaiser, Jochcn-Christoph: „Politische Diakonie" zwischen 1918 und 1941:
Der Rechenschaftsbericht Horst Schirmachers über seinen „Dienst in dcr
Inneren Mission der Deutschen Evangelischen Kirche" (JWKG 80, 1987.
207-228).

Klusak, Sebastian: Taize und das diakonische Engagement der Jugend (Dia-
konie 15, 1989,88-91).

Neukamm, Karl Heinz: Diakonischc Werbung um die junge Generation
(Diakonie 15, 1989.66-69).

-: ..... und deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" Die Aufgabe dcr

Diakonie in der Sozialpolitik (Diakonie 14, 1988,66-68).

Steinkamp, Hermann: Christliche Diakonie angesichts der .Krise des Her
fens'(WzM 40. 1988,306-316).

Ökumenik: Allgemeines

Wilfred, Felix [Hg.]: Verlaß den Tempel. Antyodaya - indischer Weg
zur Befreiung. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1988. 208 S. 8' =
Theologie der Dritten Welt, 11. Kart. DM 34,-.

Dieser Sammelband über indische Befreiungstheologie ist der elfte
Band der Serie „Theologie der Dritten Welt" bei Herder, herausgegeben
vom Missionswissenschaftlichen Institut Missio, Aachen, der
zweite aus Indien, der zweite auch über „Theologie der Befreiung in