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Ausgabe:

1989

Spalte:

756-759

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Gollwitzer, Helmut

Titel/Untertitel:

Coena Domini 1989

Rezensent:

Wenz, Gunther

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 10

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schlußreich sind die vom Vf. eruierten Indizien für eine Thomas
angemessene intensionale Deutung des modus significandi (vg. 145).
Sie besagt, daß ein Terminus zwar in einer bestimmten Bedeutung
verwendet wird, diese jedoch einen anderen Gebrauch desselben Terminus
nicht ausschließt.

Die Lektüre des Buches dürfte den Philosophen ebenso wie den
Theologen in mancherlei Hinsicht zu erneutem Nachdenken über die
„Semantik genereller Termini" - besonders in bezug auf die theologische
und philosophische Wissenschaftssprache - anregen. Freilich
bleibt der Leser dabei völligauf sich gestellt.

Und hier zeigt sich die Kehrseite einer eher reproduktiven als innovativen
, Thomas und Wittgenstein vor allem dokumentierenden
Erörterung. Sie ist m. E. in einer mangelnden Berücksichtigung nahe-
ligcnder Kontextbezüge bzw. einem fehlenden (oder unterdrückten?)
Interesse an der Aktualität der von Thomas und Wittgenstein gezogenen
Konsequenzen zu sehen: Bieten Thomas' Argumente für die Notwendigkeit
eines semantischen (und nicht metaphysischen) Analogieverständnisses
(vgl. 120-127) nicht eine Fülle noch „untraktierter"
Impulse für die Auseinandersetzung mit ontologisierenden Strukturalismen
(vertreten etwa durch Claude Levi-Strauss)? Oder: Könnte die
stärkere Berücksichtigung der im Grunde „gebrauchstheoretisch"
(und nicht „gegenstandstheoretisch") konzipierten Lehre von der
Familienähnlichkeit, wie sie Wittgenstein begründet hat (vgl. 100.
166-170), nicht zur Klärung der Diskussion um den Sinn semantischer
Komponentenanalysen beitragen?

Angesichts solcher, mit dem Thema des Vf. faktisch unmittelbar
verknüpften Fragen, wird man in der Arbeit eine fatale Systeminterne
konstatieren, die selbst im Hinblick auf ihre semantische Argumentation
nicht über die spezifischen Terminologien Thomas' und Wittgensteins
hinauskommt. Jedenfalls sollte man eine dezidiert semantische
Studie nicht mit dem irreführenden Vorsatz einleiten, von zwei
Theorien her verständlich machen zu wollen, „wie wir ein und dasselbe
Wort für verschiedene Dinge (Hervorhebung des Rez.) verwenden
können" (9). Ein solches Unterfangen ist nicht nur semantisch
anzufechten, sondern widerspricht außerdem den Erkenntnissen
des späten Wittgenstein selbst (vgl. 21.33).

Die vorliegende (und, wie aus dem Klappentext zu erschließen,
offenbar zur Erlangung des akademischen Grades Master o) Ans verfaßte
) Arbeit wäre sicher noch lesenswerter, hätte sich ihr Vf. vor der
Drucklegung der Mühe unterzogen, ihre reproduktive Dichte für den
potentiellen Leser etwas aufzulockern und andere Modelle, die sich
ebenfalls mit den Phänomenen „Analogie" und „Ähnlichkeit" befassen
, kontrastierend cinzubeziehen.

Leipzig Wilfried Engemann

Bacrtschi. Bernard: Qu'est-ee qu'une personne humaine? Rcflexions sur les
fbndementsphilosophiquesde la bioethique (RThPh 121,1989, 173-193).

Coda, Piero, u. Fulvio Gamba: Dialog - auf Kosten der Wahrheil? Eine
philosophisch-theologische Anfrage (Das Prisma I, 1989, 16-19).

Gcißer, Hans F.: .Schöpfung aus dem Nichts'. Die philosophisch annehmbare
, wissenschaftsgeschichtlich wirksame Weltinterpretation christlicher
Theologie (In: Stolz, F.: Religiöse Wahrnehmung der Welt. Zürich: TVZ
1988.S. 107-125).

llaubst. Rudolf: Nikolaus von Kues - „Pförtner der neuen Zeit". Trier:
Paulinus 1988.26 S. V = Kleine Schriften der Cusanus Gesellschaft, 12.

Kcpnes. Steven: Buber as Hermeneut: Relations to Dilthey and Gadamer
(HTR8I, 1988,193-213).

Lilly. Reginald: „Fundamental Dispositions" in Heidegger's Thought (TFil
50. 1988,668-694).

Ovlmüllcr. Willi: Hans Jonas.: Mythos - Gnosis - Prinzip Verantwortung
(StZ 113, 1988,343-351).

RungKaldier. Edmund: Die Rolle der Metaphysik in der analytischen Philosophie
: Zur Problematik der klassischen und analytischen Ontologie (Bijdr. 50,
1989.59-71).

Schüßler. Werner: Ontologie der Macht. Zur philosophischen Bestimmung
der Macht im Denken Paul Tillichs (ZKTh III. 1989. 1-25).
Steinacker. Peter: Denkender Glaube und Kritische Theorie. Reflexionen

zum Verhältnis der Theologie Carl Heinz Ratschows zur Frankfurter Schule
(NZSTh 30, 1988, 149-162).

Stevens, Bernard: Hcrmcncutiquc philosophique et hermeneutique hiblique
dans l'oeuvredePaulRicoeur(RTL20, 1989, 178-193).

Strol/.. Walter: Philosophie der Verantwortung für den Anderen. Eine Einführung
in das Denken von Emmanuel Levinas (NZSTh 30, 1988.131 -149).

Tünch, Paul: Naturc et sacrement (ETR 64, 1989, 191 -210).

Irowitzsch, Michael: Heideggers Verständnis der neuzeitlichen Technik.
Vorüberlegungen (In: ders., Technokratic und Geist der Zeit. Tübingen: Mohr
1988. S. 83-195).

Ullrich. Gisela: Wir sind aus dem Stolf der Möglichkeit. Frischs Ganlenbei-
Roman und Luhmanns Systemtheoric (LM 28. 1989, 117-120).

/.immer, Christoph: Definierbarkeil und Definition des Ausdrucks „Gott"
(Teil 1)(LingBibl 62, 1989,5-48).

Systematische Theologie: Allgemeines

Gollwitzer, Helmut: Coena Dumini. Die altlutherische Abendmahlslehre
in ihrer Auseinandersetzung mit dem Calvinismus, dargestellt
an der lutherischen Frühorthodoxie. Mit einer Einführung zur
Neuausgabe von D. Braun. München: Kaiser 1988. 328 S. 8' =
Theologische Bücherei. Systematische Theologie, 79. Geb.
DM 89,-.

Eine zutreffende Charakteristik seiner im Jahre 1937 auf der Höhe
des deutschen Kirchenkampfes erstmals erschienenen Monographie
hat der Autor selbst bereits im ersten Satz seines Vorworts gegeben:
„Diese Arbeit", schrieb Gollwitzer damals, „will einen Beitrag liefern
zur gegenwärtigen theologischen Behandlung der Abendmahlsfrage."
(V) Es ist daher zu begrüßen, daß sich der Verlag entschlossen hat. der
Neuausgabe eine Einführung von D. Braun über „Helmut Gollwitzer
in den Jahren des Kirchenkampfes 1934-1938" vorauszuschicken,
um auf diese Weise den zeitgeschichtlichen Kontext der Entstehungsgeschichte
des Werkes zu verdeutlichen. Brauns Studie konzentriert
sich naheliegenderweise vor allem auf das Problem abendmahlstheologischer
Verständigung zwischen den Reformationskirchen im
Kirchenkampf. Zugleich wird die enge theologische und kirchenpolitische
Nähe Gollwitzcrs zur Karl Barth aufgezeigt und ein
detaillierter Überblick über thematisch einschlägige Beiträge beider
gegeben. Dies geschieht insgesamt mit großer Akribie, so daß die
Lektüre äußerst lehrreich ist, auch wenn nach meinem Urteil manche
Passagen allzu umfangreich und kritiklos ausfallen.

Gollwitzers neuaufgelegte Untersuchung bietet eine Bcstandsaul-
nahme der Abendmahlslehre in der frühlutherischen Orthodoxie,
deren Zeitraum für ihn mit Luthers Tod beginnt, mit der Konkordien-
formel endet und gekennzeichnet ist durch eine fortgesetzte Auseinandersetzung
zwischen Luthertum und Calvinismus um das rechte
Verständnis des Herrenmahls. Hinzuzufügen ist, daß das Luthertum
der zweiten Hälfte des 16. Jh. selbst keineswegs eine homogene Größe
darstellt. Gollwitzer vergleicht daher nach einer knappen Einführung
zur allgemeinen Sakrameptenlehre (1-5) sowie Erwägungen zur
biblischen Begründung der lutherischen Abendmahlslehre (6-53)
zunächst die unterschiedlichen Konzeptionen ihrer beiden Väter.
Luthers (54-65) und Melanchthons (65-96), wobei die Stärken der
melanchthonischen Theorie und ihr vermittelnder Charakter nachdrücklich
hervorgehoben werden. Der bei weitem umfangreichste
Teil ist sodann den abendmahlstheologischen Systemansätzen der
lutherischen Frühorthodoxie gewidmet (97-31 I). Grundlegend ist Für
sie nach Gollwitzer die Scheidung zwischen substantia und usus.
Wesen und Nutzen des Altarsakraments, weshalb zunächst von den
ins Wort gefaßten eucharistischen Elementen und der Realpräsenz
Christi in ihnen (97-199) und erst dann und getrennt davon von der
eucharistischen manducatio und ihren Modi (200-271) gehandelt
wird.

Nun darf und muß man freilich im Sinne der lutherischen Frühorthodoxie
durchaus sagen, daß die elementare Präsenz Jesu Christi
im Abendmahl ihrem Wesen nach als Gegenwart Für uns zu denken

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