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Ausgabe:

1989

Spalte:

744-745

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Die Zeit nach 1945 als Thema kirchlicher Zeitgeschichte 1989

Rezensent:

Schjorring, Jens Holger

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 10

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Müntzer, Thomas: Deutsche Evangelische Messe 1524. Hg. von
S. Bräuer. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1988, 136 S. 8'. Kart.
DDR M 9,20; Ausland DM 12,50.

Es ist ein bewährtes Mittel der Quellenedition, Originaldrucke im
Reprintverfahren oder als photomechanischen Nachdruck vorzulegen
, vor allem für solche Werke, die zwar für eine kritische Edition
vorgesehen sind, die aber bis zum Zeitpunkt ihres aktuellen Interesses
noch nicht vorliegen kann. In Sachen einer Neuedition der Schriften
T. Müntzers befindet man sich hinsichtlich seiner Deutschen Evangelischen
Messe in einer mehrfachen Schwierigkeit. Der Allstedter
Originaldruck gibt die allerwenigsten Antworten, die versucht werden
müssen. S. Bräuer hat sich dankenswerter Weise der Aufgabe unterzogen
, den Druck von 1524 nach dem Exemplar der Forschungsbibliothek
Gotha (Sign.: Theol. 4" 235 [6] Rara) nicht nur in photomechanischem
Nachdruck vorzulegen, sondern zugleich nach einer
Einleitung, Bemerkungen zur Textgestaltung und einem eigenständigen
Beitrag „Müntzers Reform des Meßgottesdienstes in Allstedt"
auch eine Übersetzung ins Hochdeutsche anzubieten (S. 19-40). Der
genannte Beitrag erscheint um so willkommener, als es wohl eine
liturgiewissenschaftliche Untersuchung von Müntzers „Deutschem
Kirchenamt" gibt (Honemeyer, 1974), nicht aber eine solche zur
Messe. Die Edition gibt Anlaß, diesen Teil des reformatorischen Erbes
in heutige Überlegungen zur Gottesdienstgestalt einfließen zu lassen
und für das ökumenische Gespräch über den Gottesdienst fruchtbar
zu machen.

M.P.

Baylor, Michael G: Theology and Politics in the Thought of Thomas Müntzer
: The Case of the Elector (ARG 79, 1988,81-101).

Borinski, Ludwig: Wyclif, Erasmus und Luther. Vorgelegt in der Sitzung vom
1. Juli 1988. Hamburg: Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften; Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht i. Komm. 1988. 46 S. 8' = Berichte aus den
Sitzungen der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e. V.,
Hamburg, Jg. 6,1988,2. Kart. DM 10,80.

Bräuer, Siegfried: Die Theologie Thomas Müntzers als Grundlage seiner
sozialethischen Impulse (Standpunkt 17,1989,62-67).

Edwards, Mark U.: Catholic Controversial Literature, 1518-1555: Some
Statistics(ARG 79,1988,189-204).

Franz, Gunther: Die Reformation im Tauberland (BWKG 88, 1988,
78-110).

HSring, Hermann: Naar een nieuwe omschrijving van vrijheid. Erasmus'
diskussiemet Luther (TTh 20,1989,19-37).

Heimann, Heinz-Dieter: „Verkehrung" in Volks- und Buchkultur als
Argumentationspraxis in der reformatorischen Öffentlichkeit (ARG 79, 1988,
170-188).

Honec, Eugene: De reformatie in romeinse ogen. Reacties van de pauselijkc
curie en haar gezanten op de geloofensverdeelheid in het duitse rijk
(1521-1555)(TTh 28,1988,335-348).

Junghans, Helmar: Sozialethisches Denken und Handeln bei Martin Luther
(Standpunkt 17,1989,67-71).

Kandier, Karl-Hermann: CA VII - Konzentration und Weite lutherischer
Ekklesiologie (KuD 35,1989,70-83).

Kobelt-Groch, Marion: Von „armen frowen" und „bösen wibern" - Frauen
im Bauernkrieg zwischen Anpassung und Auflehnung (ARG 79, 1988,
103-137).

Kroon. Marijn de: Die Augsburger Reformation in der Korrespondenz des
Straßburger Reformators Martin Bucer unter besonderer Berücksichtigung des
Briefwechsels Gereon Sailers (In: Schwarz: Die Augsburger Kirchenordnung
von 1537 undihrUmfeld.Gütersloh: Mohn 1988. S. 59-90).

Molnär, Amedeo: The Ideological Significance of Hussitism (CV 31, 1989,
103-125).

Sakrausky, Oskar: Primus Trüber (1508-1586). Reformator der Slowenen
und Missionar der Kroaten und Türken (In: [Beyerhaus, P.:] Martyria.
Wuppertal-Zürich: Brockhaus 1989. S. 116-121).

Vogler, Günter: Sozialethische Vorstellungen und Lebensweisen von Täufergruppen
- Thomas Müntzer und die Täufer im Vergleich (Standpunkt 17,1989,
75-79).

Wartenberg, Günther: Die evangelische Bewegung im albertinischen Thüringen
(In: Fundamente. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1989. S. 133-141).

Kirchengeschichte: Neuzeit

Conzemius, Victor, Greschat, Martin, u. Hermann Kocher [Hg.]: Die
Zeit nach 1945 als Thema kirchlicher Zeitgeschichte. Referate der
internationalen Tagung in Hünigen/Bern (Schweiz) 1985. Mit
einer Bibliographie Andreas Lindt. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1988. 322 S., 1 Porträt gr. 8° Kart. DM 48,-.

Als vor nunmehr 15 Jahren die Schriftenreihe der Evangelischen
Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte „Arbeiten zur
kirchlichen Zeitgeschichte" zu erscheinen begann, war in mehrfacher
Hinsicht eine Erweiterung der Perspektive in der bisherigen Kirchen-
kampfforschung beabsichtigt. Zum einen sollte der Zeithorizont über
die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft hinaus erweitert
werden. Zum anderen suchte man die internationale Perspektive stärker
zum Ausdruck zu bringen. Zum dritten meldete sich das ökumenische
Anliegen unüberhörbar an. Endlich sollten die historischen
Methodenprobleme klar angesprochen werden.

Der hier vorliegende Sammelband, der die Beiträge eines internationalen
Symposiums aufschloß Hünigen (Schweiz) im Jahr 1985
festhält, zielt deutlich auf die Einlösung der genannten Absichten,
wenn auch der Band formell nicht in die Schriftenreihe „Arbeiten zur
kirchlichen Zeitgeschichte" gehört. Jedoch läßt sich eine derartige
Zielsetzung selbstverständlich nicht kurzfristig bewältigen; die vorgelegten
Beiträge, so wertvoll sie je für sich auch sind, bringen lediglich
die vorhin angesprochenen Sach- und Methodenprobleme in Erinnerung
, doch ohne aufeinander Bezug zu nehmen.

Reinhart Koselleck erörtert in dem ersten Beitrag begriffsgeschichtlich
, was „Zeitgeschichte" besagt.

Der Schweizer Kirchenhistoriker Victor Conzemius kommt mit
seinem Aufsatz „Katholische und evangelische Kirchenkampfge-
schichtsschreibung im Vergleich: Phasen, Schwerpunkte, Defizite"
dem Wunsch nach einer übergreifenden Diskussion weitgehend entgegen
. Vielleicht ist es gerade die Rolle des ausländischen Beobachters,
die es Conzemius ermöglicht, die Probleme umfassend und tiefgreifend
ins Auge zu fassen. Er beschreibt seine Absicht folgendermaßen:
„die bisher allzu zaghaft in Angriff genommenen konfessionsübergrei-
fenden Ansätze unserer Forschung weiterzuführen, Mißverständnisse
und Schwierigkeiten zu benennen, vorbei an den Klippen konfessioneller
Selbstrechtfertigung, aber auch an diffus ausgesprochenen
Schuldbekenntnissen oder Schuldzuweisungen, für die Theologen
anfalliger als Historiker sind" (S. 350- Zu Recht moniert Conzemius
in der bisherigen Forschung ein „Überwiegen von theologisch und
theologiegeschichtlich orientierten Arbeiten auf evangelischer Seite,
Konzentration auf institutionelle und organisationsmäßige Aspekte
in der katholischen Forschung" (51). Dies führt er auf folgende
Defizite zurück: „der Bekennenden Kirche gelang es wohl, gewisse
schützende Dämme gegen einen weiteren Zerfall des Bekenntnisses
aufzurichten, jedoch nicht ,zerstörte' Kirchen wiederzugewinnen. Der
Stellungskrieg der katholischen Kirche bewirkte die Erhaltung
bedeutsamer Freiräume der Verweigerung gegenüber dem Regime,
führte jedoch kaum und wenn überhaupt viel weniger faßbar zu einer
theologischen Neureflexion ihrer Staatslehre im Blick auf den totalitären
Staat" (ebd.).

Zwei Beiträge befassen sich mit der Entwicklung in der Schweiz
während der Nachkriegsjahre. Der Berner Kirchenhistoriker Andreas
Lindt, der die Tagung vorbereitet und organisiert hatte, doch kurz
nach der Konferenz verstarb, beschreibt in seinem Aufsatz den herkömmlichen
Gegensatz zwischen Liberalismus und „positiver"
Rechtgläubigkeit und zugleich die Zeichen einer Neuorientierung.
Urs Allermatt analysiert in entsprechender Weise die katholische
Kirche in der Schweiz unter dem Titel: „Die Stimmungslage im politischen
Katholizismus der Schweiz von 1945: ,Wir lassen uns nicht
ausmanövrieren'".

Eine zentrale Rolle fällt nun auch den sich anschließenden zwei
Beiträgen aus deutscher Perspektive zu, und zwar nicht nur. weil beide