Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

738-742

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Schriften und Briefe 1539 bis März 1543 1989

Rezensent:

Fligge, Jörg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

737

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 10

i

738

dürfte das Verständnis von 1 Kor 11,10b in der von K. vorgeschlagenen
Richtung die am Ende überraschenderweise Schöpfungs-,
Schutz-, Kult- und gefährliche Engel gleichermaßen integrieren
möchte (S. 489), - trotz des immensen Aufwandes nicht hinreichend
abgesichert sein.

Berlin Christian Wolff

Dobbeler. Stephanie von: Das Gericht und das Krbarmen Gottes. Die

Botschaft Johannes des Täufers und ihre Rezeption bei den Johan-
nesjüngern im Rahmen der Theologiegeschichte des Frühjudentums
. Frankfurt/M.: Athenäum 1988. 258 S. gr. 8" = Athenäum
Monografien, Theologie, Bonner Biblische Beiträge, 70. Pp.
DM 58,-.

Johannes der Täufer und seine Nachgeschichte ziehen seit der
grundlegenden Monographie von M. Dibelius (191 1) immer wieder
die Aufmerksamkeit der Exegeten auf sich. So hat vor kurzem auch
der Lehrer von Frau von Dobbeler (H. Merklein: Jesu Botschaft von
der Gottesherrschaft, 1983, 27-36) eine knappe, jedoch gehaltvolle
Würdigung des Täufers vorgelegt. Parallel und unabhängig zur Dissertation
der Autorin beschäftigte sich zuletzt J. Ernst mit dem Thema
(Johannes der Täufer, 1989).

Will man die Promotionsschrift von Frau von Dobbeler in die Forschungsgeschichte
einordnen, so wird man vor allem drei Exegeten
nennen, auf die sie aufbaut: Für das Verständnis des Täufers steht sie
der Ansicht ihres Lehrers H. Merklein nahe. Er ordnet die Gerichtsbotschaft
des Täufers in den Zusammenhang des deuteronomistischen
Geschichtsbildes ein. Diesem Ansatz geht Frau von Dobbeler weiter
nach und fußt dabei auf der grundlegenden Arbeit von O. H. Steck
(Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, 1967). Für ihr
methodisches Vorgehen lehnt sich die Autorin an den Ansatz von
K. Berger (Formgeschichte des Neuen Testaments, 1977) an.

Die Vfn. baut ihre Untersuchung so auf, daß sie in einem ersten
grundlegenden Teil die Umkehrpredigt des Täufers behandelt
(S. 41 II"), um danach in einem zweiten Teil die Rezeption der Täuferbotschaft
bei seinen Jüngern zu erörtern (S. 151 ff). Dabei ist es methodisch
sinnvoll, bei der Gerichtsbotschaft des Täufers einzusetzen und
alle anderen Probleme im Gefolge dieser Aussagen zu besprechen.
Allerdings ist die Bezeichnung der beiden Teile nicht ganz glücklich:
Das Stichwort „Gericht" aus dem Dissertationsthema gehört m. E. in
die Überschrift zum ersten Teil, weil der Umkehrruf Folge der
Gerichtsbotschaft ist und nicht Basisaussagc der Täuferbotschaft.
Wenn weiter unter der Überschrift des zweiten Teils auch z. B. die
Taufe des Täufers besprochen wird, ist der Leser verwirrt, erwartet er
diese doch nicht bei den Nachwirkungen des Täufers, sondern bei ihm
selbst behandelt.

Bei dem Zugriff auf die Quellen nehmen mit Recht die Logienquelle
und Markus eine herausragende Stellung ein. Doch die Sondertraditionen
inJoh 1,19fr; 3,22-30; TO.40-42; Apg 19,1 ff und die Ausführungen
bei Josephus treten wohl doch etwas zu sehr in den Schatten.
Das ist insofern schade, als diese Texte eine Rczeptionsvielfalt zeigen,
die zum Anlaß dienen sollte, über dieses Phänomen methodisch nachzudenken
. Auch sind diese Texte wohl doch etwas ergiebiger für die
Beurteilung des Täufers selbst, als die Autorin ihnen jetzt stillschweigend
zubilligt. Natürlich ist sie im Gefolge ihrer Vorgänger gut beraten
, vor allem von der Logienquelle auszugehen. Jedoch gibt es Tür
diesen Teil der Täuferüberlieferung auch indessen einen relativ breiten
Konsens der Forschung.

Die Vfn. setzt damit ein. einen ..Grundtext der Umkehrpredigt" aus
Q zu rekonstruieren (Mt 3.7-12 par im Grundbestand). Im Gefolge
von K. Berger versucht sie, mit dessen Methodik diesen Text zu
beschreiben. Doch sie begründet die Kohärenz dieses Textes mit recht
ambivalenten Beobachtungen. Im Unterschied zur Autorin wird man
darum weiter von zwei selbständigen und in sich gerundeten Einheiten
auszugehen haben, nämlich von Mt 3,7-10 par und Mt 3.11 fparr.
Zu diesem Urteil zwingen schon die Entsprechungen in Mk l,7f;

Joh l,26f.30,. die das traditionsgeschichtliche Eigenleben von
Mt 3,11 f bezeugen. Auch in der Textsorte differieren beide Stücke,
insofern das erste Stück ein diskutierendes Gerichtswort ist. das zw.eite
beschreibende Zukunftsansage. Endlich zeugt auch die Inhaltsbestimmung
für die Selbständigkeit: Einmal wird der Wertzerfall der
Abrahamkindschaft angesichts des Gerichts thematisiert, das andere
Mal die Taufe von der Gerichtsbotschaft her erläutert.

Im einzelnen gibt auch die Rekonstruktion der ältesten Überlieferungsstufe
zu Mt 3,11 f parr Anlaß zu Nachfragen. Frau von Dobbeler
rekonstruiert für den Anfang dieses Stückes einen recht einfachen
Text: „Ich taufe euch mit Wasser, der Kommende wird euch mit

r

Feuertaufen" (S. 59). Aber kann man das Recht von Mk l,7:Joh 1,27
so weit unterdrücken? Das Bild von den Schuhriemen, das für Frau
von Dobbeler christlich ist, ist höchst auffällig, singulär und unabhängig
von Mk eben auch von Joh bezeugt. Wo gibt es eine Analogie in
der christlichen Rezeptionsgeschichte des Täufers, die ihn Jesus
gegenüber auf ähnliche Weise deklassiert? Er wird durch das Urchristentum
theologisch herabgestuft und vereinnahmt, jedoch nirgends
gesellschaftlich unterhalb eines Sklaven eingestuft. M. E. gibt
diese Selbsteinschätzung des Täufers eben doch mehr Sinn, wenn man
sie zur ursprünglichen Täuferpredigt rechnet. Der Täufer markiert so
seine Stellung gegenüber dem Kommenden (vgl. J. Becker: Johannes
der Täufer und Jesus von Nazareth, 1972,34ff).

Bei der Auslegung ihres Grundtextes gelingt es dann der Vfn., das
Urteil des Täufers über Israel aufgrund der Vermittlung durch das
deuteronomistische Geschichtsbild zu beleuchten und die Gerichtsandrohung
mit der Kehrseite der Heillosigkeit der Geschichte in den
Zusammenhang der damaligen Apokalyptik einzubinden. Daß hierbei
im Grundsatz Richtiges aufgewiesen wird, ist mir nicht zweifelhaft
. Diese Ausführungen sind obendrein wohl die stärkste Partie der
Dissertation. Allerdings ist zu fragen, ob diese beiden Hintergrundbezüge
allein schon zu einer theologiegeschichtlichen Würdigung des
Täufers ausreichen. Johannes ist eben nicht einfach deuteronomisti-
scher Prediger oder frühjüdischer Apokalyptiker. sondern Prophet.
Die Vfn. versäumt es, sich Fragen wie diesen zu stellen: Woher
nimmt der Täufer die Autorität, so betont „Ich" zu sagen? Warum
fehlen bei ihm Geschichtsabrisse? Warum wird die Gerichtsverfallen-
heit Israels so radikal vertreten? Wie erklärt sich das von der Zukunft
her bestimmte Denken mit dem Modus zugespitzter Naherwartung?
Solche vermehrbaren Fragen machen darauf aufmerksam, daß Frau
von Dobbeler noch einen dritten entscheidenden Abschnitt dieser
Erörterungen hätte anschließen müssen, in dem die Gerichtsprophe-
tie von Arnos bis Jeschua ben Hannas (Josephus, bellum 6,300ff) in
ähnlicher Weise aufzuarbeiten gewesen wäre, wie sie es beim deuteronomistischen
und apokalyptischen Geschichtsbild tat.

Im zweiten Hauptteil bespricht die Autorin dann noch vor allem
die Problemfelder Taufe und Sündenvergebung und den Tod des Täufers
. Dabei ist von besonderem Interesse, wie die Vfn. das Verständnis
der Sündenvergebung durch Wortfelduntersuchungen herausarbeitet
und in einem nichtkultischen Verstehenszusammenhang lokalisieren
kann, für den Gottes Erbarmen und des Menschen Sündenbekenntnis
allein konstitutiv sind, also kultische Sühne keine Rolle spielt. Dieser
Ansatz hat m. E. deutlich Nachwirkungen in Jesu Verkündigung, womit
ein weiterer und bisher nicht hinreichend bedachter Zusammenhang
zwischen Johannes und Jesus sichtbar wird.

Kiel Jürgen Becker

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Oslander. Andreas d. Ä.: Gesamtausgabe. Bd. 7. Schriften und Briefe
1 539 bis März 1543. Hg. von Gerhard Müller u. Gottfried Seebaß.
Gütersloh: Mohn 1988. 956 S. gr. 8'. Lw. DM 340,-.

Bislang wurde über seehs Bände der Osiander-Ausgabe in der Theologischen
Literaturzeitung berichtet (vgl. ThLZ 102, 1977, 115-117;