Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

727-728

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jeansonne, Sharon P.

Titel/Untertitel:

The old Greek translation of Daniel 7 - 12 1989

Rezensent:

Koch, Klaus

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

727

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 10

728

Jeansonne, Sharon Pace: The Old Greek Translation of Daniel 7-12.

Washington, DC: The Catholic Biblical Association of America
1988. IX, 147 S. 8" = The Catholic Biblical Quarterly Monograph
Series, 19. $5.-.

Die Textgeschichte des Danielbuches stellt bekanntlich dadurch ein
besonderes Problem dar, daß die Septuaginta-Übersetzung (o '= LXX)
im christlichen Kanon durch eine zweite Version, welche Hieronymus
(sicher zu Unrecht) dem Theodotion (!>' = ,.77;") zuschreibt,
ersetzt worden und nur noch in zwei griechischen Handschriften
sowie der syrischen Hexapla-Fassung erhalten ist. In neutestament-
lichen Schriften wird mal die eine, mal die andere Version zitiert, also
sind beide vorchristlichen Ursprungs. ,,Th" steht dem masoretischen
Text (M) nahe, während sich LXX in einigen Kapiteln weit davon
entfernt. Zudem wechselt das Verhältnis der beiden griechischen Fassungen
zueinander in auffälliger Weise. An manchen Stellen bieten sie
faktisch denselben Text, an anderen, vor allem Kap 4-6, laufen sie
weit auseinander. Die Differenz läßt sich nicht einfach auf die zwei
Hälften des Buches verteilen, so daß man mit dem Wechsel von Übersetzern
eine zureichende Erklärung finden könnte. Sie bricht selbst bei
deuterokanonischen Kapiteln innerhalb desselben Kapitels auf, wenn
etwa LXX und „Th" in den erzählenden Rahmungen 3,25fT stark
differieren, hingegen im Hymnus der drei Männer nahezu identisch
sind' . Die Sachlage wird dadurch noch komplizierter, daß die altsyrische
Übersetzung offensichtlich eine Übersetzung des semitischen
Urtextes darstellt; sie deckt sich an einigen Stellen aber mit „Th",
nicht nur gegen LXX, sondern auch gegen M

Die vorliegende Monographie ist die Überarbeitung einer bei E.
Ulrich angefertigten Dissertation. Sie basiert auf einer undiskutierten
Voraussetzung und einer Arbeitshypothese:

a) LXX ist die einzige selbstständige Übersetzung und deshalb Old
Greek (OG)-,,, Th" hingegen eine Rezension, die sich an Morientiert
und eine Standardisation des Wortschatzes im Sinne einer genauen
Entsprechung von griechischen und hebräischen/aramäischen
Vokabeln anstrebt. Die einlinige Abhängigkeit wird von J. für so
selbstverständlich erachtet, daß andere Möglichkeiten nicht in Betracht
gezogen werden. Nur in einer Anmerkung wird zugegeben, daß
der letzte englischsprachige Kommentar (Hartmann - di Lella in der
Anchor Bible) mit zwei eigenständigen Übersetzungen rechnet (S. 22
A. 50); doch die Notiz steht an verborgenem Ort und bleibt unkommentiert
.

b) der Z.A'A'-Übersetzer ist nirgendwo absichtlich von seiner Vorlage
abgewichen und weist vor allem keine "theological Tendenz" auf. Da
die Vfh. weiß, daß die Annahme b) nicht allgemein geteilt wird, sucht
sie hierfür nach Beweisen.

Nach einem einleitenden Kapitel greift K. II "The Character and
Accurary of the Old Greek" Dan 8,1-10 als Testfall heraus. Synoptisch
werden M, hebräische Qumran-Fragmente, LXX in der Überlieferung
des Pap. 967 und derjenigen von 88 mit Syrohexapla sowie
,. 77?" nebeneinander angeordnet. Nahezu jede Abweichung von einer
anscheidend strikt wörtlichen Wiedergabe wird eingehend diskutiert.
Wo sich Unstimmigkeiten gegenüber dem Urtext bei LXX auftun,
wird entweder auf eine andere hebräische Vorlage oder auf Adaption
an einem lesbaren griechischen Prosastil geschlossen, was dann Auslassungen
oder Zufügungen rechtfertigt. Auf diese Weise gelangt J.
zum Ergebnis: "We have not discovered any variant readings in the
OG of Dan 8:1-10 which are possibly due to theological Tendenz"
(S. 57).

Zum Test hat die Vfn. einen Abschnitt ausgewählt, der nur ein
Gesicht schildert und nicht seine Deutung, bei dem also von vornherein
keine großen interpretativen Abweichungen zu erwarten sind.
Immerhin bedarf es einiger Weitherzigkeit, um schon bei der Behandlung
dieser zehn Verse Z.A'A'jede Tendenz abzusprechen. J. besitzt sie.
Wenn M von „Schauung" spricht V. 2 und LXX dafür „Traum"
(ivvnviov) setzt, gilt ihr das als "free but acceptable paraphrastic
translation" (S. 49); ähnlich das Urteil wenn 8,6 der Bock nicht

„zum" (M), sondern „über" (sni) den Widder kommt (S. 52). 8,4
dehnt sich nach M das medisch-persische Reich in drei Himmelsrichtungen
aus; LXX setzt deren vier ein, was J. als unbeabsichtigten
Irrtum oder Rückgriff auf eine andere hebräische Vorlage wertet
(S. 104-109); hier verweist sie auf ein Qumran-Fragmcnt. wo zwar die
Vierzahl, aber in anderer Reihenfolge auftaucht. Werden aus dem
„Heer des Himmels" (M) 8,10 „Sterne des Himmels" (LXX), so fehlt
nach J. wieder jede Tendenz. Warum freilich aus „seiner Kraft"
(koho) 8,6 „sein Zorn" (öpytj) wird, bleibt unerklärt. Die Unterschiede
zwischen LXX und „Th" werden auch dann aus der Tendenz zur
slandardization beim letzteren erklärt, wenn „Th" eine Vokabel
i£aypiaiveiv 8,7 benutzt, die sonst im Alten Testament nirgends auftaucht
(S. 53).

Die übrigen Partien des Buches wählen einzelne syntaktische Probleme
, semantisch auffällige Wiedergaben und umstrittene Einzelstellen
heraus. Eine solche Auswahl kann nur beschränkt aussagefähig
sein. Dennoch wirken einige Beispiele für die These der Vf. entgegen
ihrer Absicht nicht unbedingt günstig. Wenn sie unter "References to
Divinity" darauf verweist, daß LXX statt '"lohim/'alah mehrfach
xvpioc; einsetzt oder xvpioc, 6 i)eö$ (z. B. 3,28; 10,12 S. 63), kann dies
doch kaum ohne „theologische" Absicht geschehen sein, zumal angesichts
der hohen Wertschätzung, die xvpioc; als Gottestitel in manchen
hellenistischen Kreisen erhalten hatte.

Der Testfall jeder Untersuchung zur Daniel-Septuaginta ist die
berühmte Menschensohnsteile 7,13, wo k'har '"nas im griechischen
Text mit dem „Alten der Tage" identifiziert wird (ib; TtaXatÖc
r)pr.pwv), was dann bekanntlich Apk 1 aufgreift. Gegen die These, daß
der Übersetzer hier von Ez 1 her beeinflußt ist und also weiß, was er
tut, bevorzugt J. die Zieglersche Ableitung in der Göttinger Septua-
ginta (ohne neue Argumente) und rechnet mit zwei Stufen innergriechischer
Textverderbnis: 1) eojq > <l)q, 2) naAaiöc > naXaiov. Als Schwierigkeit
bleibt da nur, daß für die Wiedergabe der aramäischen Kon-
struktusverbindung nicht wie sonst ein griechischer Artikel verwendet
wird. J. behauptet, daß dies in Dan-Z.A'A' nicht durchgängig geschehe
und verweist zum Beweis auf 7,2 Fjamma rahhu - was aber keine
Konstruktusverbindung darstellt (gegen S. 98f).

Bei den Einzelvergleichungen bringt die Untersuchung eine Fülle
nützlicher Beobachtungen. Wer sich mit den griechischen Übersetzungen
des Daniclbuches beschäftigt, sollte an ihr nicht vorbeigehen.
Das Ergebnis aber, "that the OG tries to render faithfully the Vorlage
into well construeted Greek prose" (S. 131) steht auf schwachen
Beinen. Allein zehn Verse des Buches genau zu vergleichen und sich
sonst auf Einzelphänomene zu werfen, ergibt keine überzeugende
Lösung. Zumal dann, wenn die wichtige syrische Parallelübersetzung
unberücksichtigt bleibt.

Hamburg Klaus Koch

' K. Koch, Deuterokanonische Zusätze zum Danielbuch, AOAT 38. 1987 H
5fT;85IT.

Lohfink, Norbert: Unsere neuen Fragen und das Alte Testament-

Wiederentdeckte Lebensweisung. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1989. I57S. kl. 8" = Herder Taschenbuch, 1594. Kart. DM
12.90.

Vorliegendes Bändchen bietet eine Zusammenstellung von sieben
Gemeindevorträgen, die der Frankfurter Alttestamentier Norbert
Lohfink in den Jahren 1965-1983 gehalten hat. Es handelt sich um
eine unveränderte Wiedergabe der Texte, die bereits in verschiedenen
Sammclbänden 1967-1987 veröffentlicht worden sind. Die Vor-
tragsthemen: Kann die historische Auslegung des Alten Testaments
zu einer christlichen Auslegung werden? - Was ändert sich an de
Kirche, wenn wir sie als Volk Gottes bezeichnen? - Könnte es von der
Bibel her auch ein gewaltenteiligcs Kirchenregiment geben? - Unter
welchen Bedingungen bringen Wochenende und Freizeit dem Mcn-