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Ausgabe:

1989

Spalte:

719-722

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Mann, Ulrich

Titel/Untertitel:

Überall ist Sinai 1989

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 10

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geschlagenen erweiterten Sinn, also „ausgeweitet auf alle typischen Kontaktsituationen
zwischen Text und gesellschaftlicher Wirklichkeit" (Einführung in
die Formgeschichte, Tübingen 1987, 161).

37 E. Hennecke, W. Schneemelchcr. Neutestamentliche Apokryphen in deutscher
Übersetzung, Bd. 2. Berlin 1966, 114.

K. M. Fischer, Die Bedeutung des Leidens in der Theologie des Paulus.
Diss.(masch.) Berlin 1967, 104ff;Zitat 1Ü6.

w ..Die Offenbarung des Geistes geschieht Iiir Paulus. . . nicht mehr primär
in der Sphäre von Wundern und Ekstasen und nicht im schwärmerischen Auszug
aus der Geschichte. . ., sondern gerade in der Gemeinschaft mit dem
Gekreuzigten (vgl. Phil 3.100- Der Herrlichkcitschristologic seiner Gegner...
setzt Paulus seine Kreuzestheologie mit aller Schärfe entgegen." (Eckert,
a. a. O. 26) Denn: „Nicht das Wunder legitimiert den Apostel, sondern seine
Schwachheit, die ihn neben den Gekreuzigten stellt." (G. Schille. Die urchristliche
Wundertradition, Berlin 1966, 17).

4,1 „Das Wanderungsmotiv der Akten stammt. . . aus den Anhaltspunkten
geographischer Art und den Missionsnachrichten geschichtlicher Art, die das
NT bietet; erst später bricht antike Reisefäbulistik durch und verbindet sich mit
den Missionsmotiven zu einem neuen Wanderungsmotiv" (M. Blumenthal.
Formen und Motive in den apokryphen Apostelgeschichten, Leipzig 1933,
157).

41 F. Bovon, Das Leben der Apostel. Biblische Überlieferungen und apokryphe
Erzählungen, in: Lukas in neuer Sicht. 205-229, Zitat 221.
" Hennecke. Schneemelchcr, 114.
" Blumenthal. 107.

44 Bovon.a.a.O.220.

45 Söder. 181, s. aber auch schon S. 3.
A. a. O. 36 (Hervorhebungoriginal).

47 Ausnahme: die Malta-Perikope: ein Hinweis auf deren ursprüngliche
Eigenständigkeit. Zum Motiv von Fesseln und Kerker im hellenistischen
Roman und apokryphen Akten Söder 155.

4" 10,17 und 11,5, vgl. dazu 10,10 und 10,11.

Bovon, a. a. O. 218 mit Hinweis auf J. D. Kaestli. Les secnes d'attribution
des champs de mission et de depart de l'apötrc dans les Actes apoeryphes, eine
Arbeit, die mir nicht zugänglich war; doch vgl. schon Söder, a. a. O. 44 und
171 ff: Der göttliche Befehl zur Wanderung „fehlt bei keiner unserer AGG"
(175).

so ActPaul 3.7IT: Bekehrung der Thekla; ActAndr Codex Vaticanus 808:
Bekehrung der Maximilla; ActThom 8f: Bekehrung der Flötenspielerin.
51 Blumenthal 35f.
a HIV. 1,1; Epit. II, 144.
53 HX1I. 12. I; H XIII, 1,3; Epit. II. I44u. ö.
,4 Henneckc. Schneemelchcr. a. a. O. 116.

" Da die apokryphen Apostelgeschichten in stärkerem Maße literarische
Werke darstellen als die kanonischen Evangelien stellt sich für Bovon, a. a. O.
206. „weniger die Frage der mündlichen Fprmen als vielmehr die der literarischen
Modelle."

5* „Die formgeschichtliche Arbeit an den Einzelstücken aufzunehmen" fordern
Schneemelchcr und Schäferdicck (Hennecke. Schneemelchcr 117) mit
Hinweis auf „gewisse Ähnlichkeiten mit der Entstehung der synoptischen
Evangelien".

Die sprachliche Übereinstimmung der Wir-Stücke mit Apostelgeschichte
und Lukasevangelium hat A. Harnaek klassisch demonstriert (Beiträge zur Einleitung
in das Neue Testament Bd. IV, Leipzig 1911, 1 ff). Freilich sind seine
Beobachtungen noch kein Argument gegen die Verwendung einer Ouelle durch
Lukas.

Ein Beispiel für die inhaltliche Anpassung der Wir-Überlieferung an den
Gesamtentwurf der Apostelgeschichte ist die Erwähnung des Kaisers Act 27,4.
Sie setzt den Prozeßbericht voraus, der zu den Wir-Stücken in keiner primären
inhaltlichen Beziehung steht.

Ein Kenner antiker Literatur wie E. Norden weist daraufhin, daß Lukas
ein Interesse daran gehabt haben dürfte, seinen Lesern die Identifikation /liierter
Quellen zu ermöglichen: „Chronisten pflegen nicht das Bestreben zu haben,
vorzügliche Quellen zu verschweigen; es liegt vielmehr in ihrem Interesse,
deren Benutzung hervorzukehren" (Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte
religiöser Rede, Berlin 1913,331).

> Vgl. z. B. J. Gnilka. Jesus Christus nach frühen Zeugnissen des Glaubens.
Leipzig 1972,51.

. Ist er auch an anderer Stelle so verfahren? Als naheliegendes Beispiel wäre
Act 14,1-20 zu diskutieren. Auch dieser Textkomplex enthält eine Wundererzählung
mit deutlicher Anspielung auf r/ic/ov-aHfr-Frömmigkeit, die hier
allerdings scharf zurückgewiesen wird. Wieder tritt Paulus gegenüber seinem
Begleiter Barnabas in den Vordergrund. Die Verwandtschall zu den Wundererzählungen
der Wir-Quclle ist beträchtlich. Ein besonderes Merkmal des
Abschnitts liegt darin, daß Lukas hier Paulus (und Barnabas) den sonst verweigerten
Apostel-Titel zuerkennt, offensichtlich nicht aus Fahrlässigkeit, sondern
unter Traditionsdruck. Vermutlich handelt es sich hier um eine in
Antiochia beheimatete Übcrlieferungscinheit; der Apostel-Titel ermöglicht als
textsyntaktisehes Signal ihre Identifizierung.

u Blumenthal, a. a. O. 5.

Sogar der theologisch problematische Schluß der Wundererzählung
Act 28,3-6 bleibt stehen - anders als die parallele Aussage /xytmci oi 0a>i
dfwiiDOcvv.i dvOfthnoie mvi/ltinuv (14,1 I). die ja nachfolgend kräftig korrigiert
wird.

*4 Der Prozeßbericht weist „ein deutlieh konturiertes Paulusbild" auf. „Es
hat seine Eigenart dadurch, daß es in den die Jesusgeschichte begleitenden Weg
der prozessualen Auseinandersetzungen eingegliedert ist und so im letzten der
Jesusdeutung und nicht der Paulusdeutung dient." (V. Stolle. Der Zeuge als
Angeklagter, Untersuchungen zum Paulus-Bild des Lukas, Stuttgart, Berlin.
Köln. Mainz 1973, 2640 Die Parallelität von Jesus-Passion und Prozeß des
Paulus arbeitet auch W. Radi heraus (Paulus und Jesus im lukanischen Doppclwerk
, Untersuchungen zu Parallelmotivcn im Lukasevangelium und in der
Apostelgeschichte, Bern, Frankfurt/M. 1975). Schwierig ist die Frage, ob die
Parallclisierung der Paulus- oder Jesusdeutung dient. So nimmt z. B. A. J. Mat-
till jr. "an influence from Acts to Gospel. from Paul to Jesus" an: "To preach
the gospel more clearly and to defend Paul. Luke has in sevcral particulars con-
formed Jesus to Paul, that is. within limits he has Paulinizcd Jesus" (The Jesus-
Paul-Parallelsand thcPurpose ofLuke-Acts: H. H. Evans reconsidered. NT 17.
1975, 15-46, Zitate 37).

" Stolle, 275; vgl. auch 272: „Der lukanischc ProzeUbcricht vermittelt
somit... ein ganz spezifisches Paulusbild. Die Paulusfigur steht nicht nur im
Mittelpunkt des Berichts. Sie ist auch sein eigentlicher Integrationspunkt." Im
übrigen ist zu bedenken, daß die Apostelgeschichte neben diesem Bild des leidenden
Paulus (dazu auch Radi, 35511') weitere Paulusbilder integriert hat und
mit ihnen operiert, so z. B. das des bekehrten Verfolgers (de Boer, Images 37010
oder des legitimen und autoritativen Lehrers der Kirche (a. a. O. 379).

" Das ist allerdings für die gesamtkirchliche Entwicklung im nachapostolischen
Zeitalter vor Marcion weithin charakteristisch: „Paulus ist nicht als
Theologe gezeichnet. Nur selten verbindet sich mit seinem Bild ein Aspekt
genuin paulinischer Theologie" (Lindemann, a. a. O. 112).

1,7 W. C. van Unnik. Die Apostelgeschichte und die Häresien, ZNW 58.
1967,240-246 (Zitat 246) weist daraufhin, daß Lukas wojil gelegentlich Gefahren
erwähnt, die der Kirche seiner Zeit durch Häretiker drohen, daß er aber
offenbar gute Gründe hatte, die Ketzerpolcmik nicht in den Vordergrund zu
stellen.

" Schille, Paulus-Bild 18 mit Hinweis auf Kerygmata Petrou und 2Petr

3,16.

In diesem Zusammenhang verdient Plümachers Feststellung Beachtung,
„daß .. . zwischen Wir-Form und Schilderung von Seereisen ein Zusammenhang
besteht" (Wirklichkeitserfahrung 14). „Allgemein verbreitete
Bildungsmotive" (15) sollen in den Wir-Stücken nicht die Glaubwürdigkeit des
Historikers sichern, wohl aber illustrieren, daß die paulinische Mission und die
(iruppen, die sich darauf zurückführen, in der antiken Welt zu Hause
sind.

70 Bovon. Leben 227 notiert als Ergebnis der Kanonisierung der Apostelgeschichte
: „Die Kanonizität brachte Kosten mit sich: Eine gewisse narrative
Energie ging der Kirche verloren. Paradoxerweise lief man mit der Kanonisierung
der Apostelgeschichte Gefahr, daß sie nicht mehr gekannt wurde. Sie geriet
zu einer Angelegenheit des Klerus, von einer bis dahin privaten Lektüre zu
einer liturgischen."

71 A.a.O. 229.

Allgemeines, Festschriften

Mann, Ulrich: Überall ist Sinai. Die heiligen Berge der Menschheit.
Freiburg(Br.): Aurum 1988. 245 S. m. 3 Abb. 8 geb. DM 34,-.

Das ist ein ungewöhnliches Buch. Es verbindet Belesenhcit mit
lebendiger Erinnerung an Bergerfahrungen. Offensichtlich hat es den
Vf. ein Leben lang in die Berge gezogen; doch der Mann, der den
Olymp betrat, den Fclsenkessel von Petra zu Pferde erkundete oder in