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Ausgabe:

1989

Spalte:

690-691

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Eindeutige Antworten? 1989

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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689

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 9

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der Auferstehungszeugen aufgenommen wurden. Es gibt in der christlichen
Tradition von Anfang an „Schemata der Selektion ..., die sich
durch die ganze Zeit des Patriarchates hindurch als wirksam erwiesen
haben" (S. 20)..

Marga Bührig weist dann daraufhin, daß es die säkularen Frauenbewegungen
waren - und zwar sowohl die bürgerliche wie die sozialistische
-, die zum Anstoß für eine Neubesinnung der Kirchen würden.
Positiv wertet sie die Rolle der Ökumene mit den Pionierinnen Madeleine
Barot, Constance Parvey usw.; allerdings fürchtet sie wieder ein
..Unsichtbarwerden" der Studie des Ökumenischen Rates mit dem
Titel „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche".
Leiter unterscheidet die Autorin eine erste Frauenbewegung, die die
Gleichberechtigung anzielt, und eine zweite, der es um die Umwandlung
der Gesellschaft, um die Selbstfindung und Selbstbefreiung der
Frau geht. Feministische Theologie .ist darum methodisch Erfah-
rungs- und Befreiungstheologie (vgl! auch S. 42 ff).

Für den Zusammenhang „Frauen-Bibel-Tradition" (S. 33ff)
schließt sie sich hauptsächlich zwei Autorinnen aus den USA an. Mit
Elisabeth Schlüssler-Fiorenza hält sie fest: Ort der biblischen Offenbarung
kann nicht einfach der androzentrische Text sein; hier ist eine
Korrektur von Frauenerfahrungen her nötig. Und: die ursprüngliche
Jesusbewegung war egalitär. Für Rosemary Radforth-Ruether"bildet
die prophetische Tradition des Alten Testaments einen hermeneuti-
schen Schlüssel, der auch die Botschaft Jesu aufschließt. Es geht darum
, sich selbst in Frage zu stellen und sich zu erneuern. Das bedeutet
konkret: Parteinahme für Unterdrückte, Kritik der Macht (Götzenkritik
), utopisches Denken (Eschatologie), Ideologie- und Religionskritik
, Texte nicht als festgeschrieben verstehen, sondern Texte neu
schreiben.

Für die Gottesbilder hat nun die Frauenerfahrung einen hohen Stellenwert
(S. 55). Gott muß als „Gott der neuen Möglichkeiten" (S. 61)
Erstanden werden. Darum sind die weiblichen Dimensionen Gottes
zu suchen, darum geht es um Gottesbilder, die patriarchalische
Begrenzungen überschreiten, und es geht um ein inklusives und nicht
niehr um ein exklusives Gottesbild. Köpnte Gott auch als Mutter verstanden
werden? Hier fürchtet die Autorin neue Abhängigkeiten: soll
der Glaubende ewig Kind bleiben? Vorschläge von Catharina Halkes
Und Mary Daly scheinen weiterführender zu sein: Gottes Transzendenz
wäre durch Gottes Immanenz zu ersetzen, und Gottes Sein wäre
einem Verb-als dynamischer Prozeß-auszudrücken.

Die Autorin setzt sich dann auch mit den im heutigen Feminismus
aktuellen Matriarchatstheorien auseinander (S. 69ff). Sie kann sie als
-.für die Zukunft hilfreiche Utopie" akzeptieren, es kann mit ihnen
auch eine Symbolik weiblicher Lebenszyklen entwickelt werden, und
S|e vermitteln Selbstvertrauen in weibliche Kraft, Innovation und
Macht. Für die Bilder eines weiblichen Erlösers bezieht sich die Auto-
nn auf die Symbolik der Sophia und des Weinstocks, also auf weibliche
Symbole, die schon in der traditionellen Christologie eine Rolle
sP'elt. Schließlich wird auch auf die „mach" hingewiesen, indem
d'ese die Seite des Göttlichen ist, die Leben wirkt (vgl. z. B. Ps 104,
E* 37 usw.).

Mit der Verhältnisbestimmung „Frau-Natur-Geist" wird durch
d'e Autorin die Problematik der abendländischen Dualismen aufgenommen
(S. 85ff). Diese wird in Auseinandersetzungen mit Augu-
s''n, Thomas und Barth verifiziert. Ein Gegenbild wird mit den Argumenten
von Elga Sorge entwickelt: Gen 3 wäre als historisierter
Mythos zu verstehen, der die Hofideologie Salomos legitimiert. Eine
Entideologisierung führt zu einem matriarchalen Mythos:'Eva wäre
die Mutter des Lebens. Adam als ihr Heros würde von Eva in die
Geheimnisse der Liebe eingeführt; die Schlange symbolisiert Fruchtbarkeit
und Leben. Das alles hat nun eine patriarchale Epoche nicht
^ehr ertragen, und es kam schon mit der Sündenfallgeschichte zur
^epotenzierung Evas.

Schließlich stellt die Autorin das Bild einer „ganzheitlichen Kir-
°he" dar, in der die Unsichtbarkeit der Frau aufgehoben wäre
®- 113ff). Damit müßte allerdings u.a. ein zyklisches Denken neu

akzeptiert werden und im Gottesdienst zum Ausdruck kommen.
Ebenso käme es zu einem Konsens mit Bemühungen um die Unsterblichkeit
von Natur und Leben. Das Ideal des „Dienens" dürfte nicht
mehr mit hierarchischen Strukturen verbunden sein. Für die Autorin
ist es selbstverständlich, daß das neue Kirchenverständnis die weibliche
Pastorin und Priesterin impliziert. Solche Ideale sind von heutiger
kirchlicher Wirklichkeit noch weit entfernt. Dazu ein orthodoxer
Text (S. 1180: die apostolische und die Vätertradition, die durch ökumenische
Synoden besiegelt wurde, hält fest, daß die Weihe, daß Vollzug
und Weitergabe der Mittel der Gnade und der Sakramente „dem
Geschlecht der Männer" zukommt. Der Text wendet sich dann gegen
die Anglikaner: ihre Bemühung um das weibliche Pfarramt habe für
den weitergehenden, ökumenischen Dialog „zurückwerfende Bedeutung
"; ein Festhalten am weiblichen Pfarramt läßt sogar die Frage
entstehen „ob der Dialog zwischen Orthodoxen und Anglikanern
noch einen Sinn hat".

Mit dem Buch von Marga Bührig ist eine aktuelle und in ihrer Argumentation
ruhig-sachliche Einführung in die feministische Theologie
entstanden, die man empfehlen kann.

Wien Kurt Lüthi

Niewiadomski, Jözef [Hg.]: Eindeutige Antworten? Fundamentalistische
Versuchung in Religion und Gesellschaft. Thaur: Österr.
Kulturverlag 1988.210 S. 8° = theologische Trends, 1. öS 198.-.

Der vorliegende Band, der hier nur knapp vorzustellen, aber doch
nachdrücklich zu empfehlen ist, geht auf eine Ringvorlesung des Assistentenverbandes
an der (katholischen) Theologischen Fakultät in
Innsbruck im Sommersemester 1987 zurück, in der versucht wurde,
in drei Bereichen das verbreitete, offensichtlich sich ausbreitende und
in vielen Spielarten begegnende Phänomen des Fundamentalismus
unter den verschiedensten Blickwinkeln zu diskutieren. Insgesamt
zehn Beiträge behandeln unterschiedliche Aspekte.

In einem ersten Bereich, „Zugänge zum Thema aus der Erfahrung
der Gegenwart", sind das die „besondere katholische Spielart" eines
Marcel Lefebvre, inzwischen ja wegen der unerlaubten Weihe mehrerer
Bischöfe exkommuniziert (S. 17-40); zum anderen ein höchst aufschlußreiches
Beispiel gegenwärtiger Grenzüberschreitungen: „Amerikanischer
Fundamentalismus: Zur Problematik der Vermischung
von Religion und Politik" (S. 41-62); ein dritter Blick gilt dem „theologischen
Fundamentalismus im Islam" (S. 63-88), ein vierter dem
„Fundamentalismus bei den Grünen und Alternativen" (S. 89 bis
108).

Drei Beiträge gehen in einem zweiten Bereich dem Fundamentalismus
„Im Umkreis der Bibel", nach anhand der Aspekte Archäologie
(S. 111-124), Bibelauslegung (S. 125-132) und praktisch als eine Art
Probe aufs Exempel dem speziellen Thema des Umgangs mit gewalttätigen
Zügen im biblischen Gottesbild (S. 133-160). Der dritte
Bereich schließlich bietet drei „Systematische Reflexionen": „Aneignung
und Verlust der Wirklichkeit" (S. 161-178), „Religion und
Propaganda: Sprachanalytische Bemerkungen" (S. 179-194) sowie
nach diesen mehr philosophischen Einblicken „Katholizismus - Synkretismus
- Fundamentalismus" (S. 195-204), womit gleichsam der
Bogen zum Ausgangspunkt zurückgeführt wird. Ein knappes Verzeichnis
einschlägiger Literatur sowie der in den Fußnoten verwendeten
Abkürzungen beschließt den Band.

Die Aktualität der Fragestellung, und zwar in allen ihren hier diskutierten
Aspekten, bedarf keiner eigenen Begründung. Wiederholt, programmatisch
schon im Untertitel und dann in der Einführung
(S. 11-14), die den Begriff des Fundamentalismus als solchen beleuchtet
und Verbindungslinien zu den gegenwärtigen Phänomenen
zieht, wird von der „fundamentalistischen Versuchung" gesprochen.
Diese Versuchung ist allgemein. Eindeutige Antworten sind nirgendwo
mehr möglich, nicht einmal auf die Frage nach der Eigenart dieser
Versuchung selber, worauf die beiden philosophischen Beiträge nachdrücklich
hinweisen. Und die Entwicklungslinien in der Zeit, seitdem