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Ausgabe:

1989

Spalte:

688-690

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bührig, Marga

Titel/Untertitel:

Die unsichtbare Frau und der Gott der Väter 1989

Rezensent:

Lüthi, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 9

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und, auf derselben Linie, der Schweizer Theologen (156 f> hervorgerufen
hat. Damit hängt Luthers ambivalentes Verhältnis zur Trans-
substantiationslehre zusammen, wenn er einerseits die philosophische
Hilfskonstruktion der Unterscheidung von Substanz und Akzidenz
ablehnt, während er andererseits die Realität der Gegenwart von der
Wirkung des Wortes hier bestimmt mit dem Ergebnis: „Sicut ergo in
Christo res se habet, ita et in sacramento." (WA 6, 511, 34) Als „con-
substantiatio" kann daher Luthers Standpunkt nicht zutreffend bezeichnet
werden (171 "f; 283f): „Luther lehrte eine wirkliche, reale dif-
finitive Gegenwart und einen Vereinigungszustand zwischen Göttlichem
und Geschaffenem, der die Lehre Roms an Konkretion weit
übertraf.. ."(170)

In den Zusammenhang dieser Argumentation gehört Luthers Verhältnis
zur Lehre von der Konkomitanz, wozu es seit langem verschiedene
Auffassungen in der Forschung gibt. Die Lehre von der Konkomitanz
hatte die praktische Funktion, bei der Sakramentsspendung
„sub una" den Empfang der ganzen Gabe festzuhalten. Christologisch
jedoch geht es bei der Konkomitanz um die Allgegenwart Christi nach
seinen beiden Naturen in der Einheit der Person. In der Forschung ist
es aber nun strittig, ob Luther die Realpräsenz von der Konkomitanz
her bestimmt oder ob es sich bei ihm um eine „... substantielle'
Gegenwart nur des Leibes Christi und des Blutes Christi" (223) handelt
. Gegen H. Graß und A. Peters, doch mit H. Gollwitzer kommt
Vf. zu dem Ergebnis, daß Luther eindeutig die Konkomitanz ablehnt,
und dies bedeutet, daß die Realpräsenz nicht aus der Allgegenwart der
Person des erhöhten Christus bestimmt wird, sondern aus der durch
das Wort gewirkten Gegenwart von Leib und Blut Christi. Auch hier
setzt die Differenz zwischen Luther und Melanchthon ein: „Damit
werden die wirklich dogmatisch unterscheidenden Alternativen gezeichnet
: die lutherische Gegenwart diffinitive, die nur den Leib und
Blut Christi umfaßt, oder.. .die melanchthonische, die die ganze Person
Christi repletive im Sakrament gegenwärtig sein läßt." (233; 235)
In Kürze bedeutet dies, daß Luther die Realpräsenz strikt sakramental
und mithin aus den Einsetzungsworten ableitet, nicht aber christologisch
aus der Zweinaturenlehre folgert.

Diese These könnte in verschiedenen Zusammenhängen der
Abendmahlsstreitigkeiten des 16. Jh. überprüft werden, doch mit dem
letzten Kapitel „Venerabiiis et adorabilis eucharistia" konzentriert
sich Vf. ganz auf den Adorationsstreit und bemüht sich um die Klärung
strittiger Fragen der Sakramentenlehre und Sakramentsverwaltung
mit dem Ziel, das ursprüngliche Anliegen Luthers aus der Entstellung
oder Übermalung hervorzuholen. Durch erneute Sichtung
der z. T. für verschollen gehaltenen Quellen kommt Vf. gegenüber
vorliegenden Untersuchungen in manchen Punkten zu einer neuen
Sicht der verwickelten Auseinandersetzungen. Die entscheidende
Frage ist dabei, wie „actio und usus sacramenti" theologisch und mithin
im praktischen Umgang bestimmt werden. Es wird gezeigt, daß
Luther den Umfang der Realpräsenz von der „oratio dominica"
(= Herrenwort!) bis zur Konsumierung aller Elemente sieht (259ff).
Mit großer Sorgfalt werden die Positionen und auch die Mißverständnisse
im Adorationsstreit vorgeführt, die sich bei der Bestimmung des
„extra usum" und im Umgang mit den nicht konsumierten Elementen
ergaben. Im Ergebnis heißt das: „Daraus ergeben sich die praktischen
Konsequenzen, daß das, was in der Messe übrig bleibt, von den
Gnesiolutheranern als Sakrament angesehen wird, von den Melanch-
thonianern als Brot und Wein, und daß die ersten die Anbetung verteidigen
, die anderen sie verwerfen." (290) Für das rechte Verständnis
deradoratio aber ist wichtig, daß für Luther Glaube und Sakramentsanbetung
untrennbar zusammengehören; denn „der Glaube ist das
rechte Anbeten, daß ich gläube, es sei daselbs sein Fleisch und Blut,
für mich gegeben und vergossen, da bleibt bei". (247/WABr2, 555,
240.

Es ist für die Abendmahlslehre ebenso wie für die Sakramentsverwaltung
von großer Bedeutung, daß dieses Werk nun in einer Übersetzung
vorliegt, und man wird sich damit wesentlich ausführlicher, als
es in einer Besprechung geschehen kann, auseinandersetzen müssen.

Um so mehr ist aber zu bedauern, daß die deutsche Textgestalt nur als
skandalös bezeichnet werden kann. Fortlaufend trifft man nicht nur
auf Druckfehler, sondern auf Fehler in der Orthographie, Interpunktion
und Syntax. Zwei Beispiele mögen das illustrieren: „Luther formuliert
keine pneumatische Regel, wodurch er sich gebräuchlicher
Rechenschaftsschuldigkeit für seine Schriftstellerschaft entzieht..."
(70); „eine bestimmte Spitzenlosigkeit scheint bei Melanchthons
Worten zu herrschen, die nach der gewöhnlichen Deutung annähernd
beinhaltet..." (117). Lateinische Wörter werden mit falschem deutschen
Artikel verbunden wie „der corpus Christi" (143; 225), „den
genus majestaticum" (78) oder: „die Reliqua vini zur ,aedituus' zu
überlassen" (273), womit doch der Küster gemeint ist. Viele Fehler
finden sich in lateinischen und griechischen Zitaten, die dadurch völlig
unverständlich werden, wenn es z. B. heißt: „Porro est (statt: is),
qui aeeepit hostiam . . ." (191), oder wenn man liest: „Ubi auditor
(statt: auditur) vox patris e coelo, conspicitur cari (statt: caro!)
fiIii . . ." (239). Solche leider nicht zufällige, sondern durchgehende
Anstöße erleichtern nicht gerade den Zugang zu einem Werk, das
selbst bei unterschiedlicher Bewertung von Einzelheiten für die theologische
Forschung erhebliche Anregungen und für die kirchliche
Sakramentsverwaltung wichtige Einsichten erschließt.

Erlangen Reinhard Slcnczka

( allin. Yves: De l'homme humain. Laquestion de l'hommcdans la penscede
Thomas d'Aquin (RThPh 121,1989, 1-25).

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einem umstrittenen Begriffbei Thomas von Aquin(TThZ 97, 1988.39-51).

Systematische Theologie: Allgemeines

Böhrig, Marga: Die unsichtbare Frau und der Gott der Väter. Eine
Einführung in die feministische Theologie. Stuttgart: Kreuz Verlag
1987. 135 S. 8'. Kart. DM 19,80.

Die Autorin setzt mit der These ein: „Frauen sind unsichtbar"
(S. 9ff). Das bedeutet: die Frau ist im Bereich des Christentums ohne
Wirkungsgeschichte. Die Unsichtbarkeit entsteht durch die patriarchalischen
Strukturen der Kirchen, durch androzentrische Theologie
und durch die androzentrische Sozialisation der Frau. Symptom der
Unsichtbarkeit ist nach Meinung der Autorin schon die Tatsache, daß
Frauen am Grabe Jesu die ersten Empfängerinnen der Auferstehungsbotschaft
Jesu waren, daß sie aber dann in 1 Kor 15 nicht in die Liste