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Ausgabe:

1989

Spalte:

681-683

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bundschuh, Benno von

Titel/Untertitel:

Das Wormser Religionsgespräch von 1557 1989

Rezensent:

Müller, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 9

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mehr im Schatten der Polemik zwischen Zwingli und Eck stand, die
1523, gezielt 1524, einsetzte. Höhepunkt waren dann Ecks „404
Artikel", die er auf dem Augsburger Reichstag vorlegte. Bucer wendet
sich hier jedoch ganz gezielt gegen Ecks „Enchiridion locorum
communium adversus Lutherum et alios hostes ecclesiae". Dieses
Handbuch Ecks erschien erstmals 1525 und erlebte über 90 Auflagen,
und Übersetzungen, was seine Bedeutung unterstreicht. Es führte zu
den strittigen Lehrfragen den Schrift- und Väterbeweis und zog
danach die Meinungen der Gegner heran, die widerlegt wurden. Auf
nur 17 Druckseiten werden hier zahlreiche Quellen Bucers vorgestellt,
vor allem fasziniert die Kenntnis der Logik, deren Beherrschung
durch Bucer m. W. bisher so nicht bekannt war.

Der zweite Band ist der weitaus umfangreichste der hier vorzustellenden
. Er enthält die kritische Edition des Johannes-Kommentars
Bucers, der erstmals nach der Berner Disputation 1528 erschien, 1530
nach dem Marburger Kolloquium revidiert wurde und seine endgültige
Gestalt 1536 nach der Wittenberger Konkordie erhielt. Der
Kommentar ist von antiiutherischer Polemik genau so durchzogen
Wie von Angriffen gegen die Katholische Kirche oder die Wiedertäufer
. In seiner exegetischen Methode ist Bucer stark abhängig von
Augustin, Chrysosthomus, Thomas von Aquin, aber auch von Erasmus
und vom 1527 erschienenen Johannes-Kommentar des Johannes
Brenz, was im Einzelnen jeweils ausführlich und mit großer Akribie
nachgewiesen wird. Die Entstehungsgeschichte rechtfertigt ein Vorlegen
der letzten überarbeiteten Ausgabe und nicht des Erstdruckes.
Alle Vorstufen werden aufgezeichnet, was interessante Einblicke auf
den Einfluß der Abendmahlsgesprächc für die Gestaltung des
Kommentar aufzeigt.

Erstmals aus dem Manuskript wird im 3. Band Bucers „Florilegium
Patristicum" vorgelegt, eine Sammlung von patristischen und frühmittelalterlichen
Texten. Bucer begann 1538 mit der Sammlung und
nahm sie dann mit nach Cambridge,, wo sein dortiger Freund und
Kollege Matthew Parker die Sammlung erbte und ergänzte. Sie
erscheint darum, auch wenn die Hauptsammeltätigkeit bei Bucer lag,
unter beider Namen. Die Sammlung erlaubt dem Benutzer einen Einblick
in die Studierstube eines Theologen des 16. Jh. und zeigt Bucers
umfassende patristische Kenntnisse.

Alle drei anzuzeigenden Bände haben einen umfangreichen kritischen
und kommentierenden Apparat, der alle Bezüge und Anklänge
an die Patristik, die Scholastik oder an Zeitgenossen nachweist
~ eine immense, zeitaufwendige Leistung der Editoren, besonders aber
von Irena Backus im Johannes-Kommentar! Die Serie II beschreitet
hier einheitlichere und ausführlichere Wege im deutlichen Unterschied
zur Serie I.

Es ist nur zu wünschen und zu hoffen, daß bis zum Erscheinen der
nächsten Bände nicht wieder ein so langer Zeitraum verstreicht.

Berlin Hans-Ulrich Delius

Bundschuh, Benno von: Das Wormser Religionsgespräch von 1557.

Unter besonderer Berücksichtigung der kaiserlichen Religionspolitik
. Münster/Westf.: Aschendorff 1988. XXVII, 603 S. gr. 8" = Re-
formationsgeschichtl. Studien und Texte, 124. Kart. DM 158,-.

Der Vf. hat diese Arbeit bei Georg Pfeilschifter begonnen, wurde
m't ihr aber erst nach dessen Tod in Würzburg im Jahr 1980 promo-
V|ert. Pfeilschifter hatte seinem Schüler ein quellenreiches Thema
bestellt, das dieser in zwei Teilen bearbeitete: zunächst die Vorgeschichte
des Gespräches von 1557, dann dieses selbst samt seiner
kurzen Nachgeschichte. Zunächst überrascht, daß der erste Teil etwa
*Wei Drittel der Arbeit umläßt, dann stellt sich aber heraus, daß die
Vorgeschichte - wenn sie denn analysiert werden sollte - nur umfas-
Send dargestellt werden konnte.

Bereits im 17. Jh. fand das Wormser Kolloquium von 1557 Beachtung
. Es wurden damals sogar Quellen publiziert, und bis ins letzte Jh.
hinein widmeten sich immer wieder Autoren diesem Ereignis. Aber in
Unserem Saeculum stand die Zeit nach 1555 bekanntlich stark im

Schatten der vorausgegangenen Jahrzehnte, was sich auch auf das
zweite Wormser Kolloquium auswirkte - ein Religionsgespräch in
dieser Stadt hatte es bekanntlich schon 1540 gegeben.

B. von Bundschuh weist nach, daß seit der Fürstenverschwörung
von 1552 der Kaiserhof genötigt war, nach einer Lösung der religiösen
Frage zu suchen. Das Interim von 1548 hatte die Streitigkeiten nicht
beenden können, und politisch war durch das Verhalten von Kurfürst
Moritz von Sachsen neuer Handlungsbedarf entstanden. Allerdings
gab es zwischen den Habsburger Brüdern erhebliche Spannungen, die
sich auch in der Bewertung der religiösen Frage und der Beurteilung
ihrer Dringlichkeit äußerten. Der Vf. kann hier auf die Habilitationsschrift
von Heinrich Lutz über die Jahre 1552 bis 1556 zurückgreifen,
deren Ergebnisse im wesentlichen bestätigt werden.

Bei der Religionsfrage war strittig, ob deren Lösung einem Generalkonzil
, notfalls auch einem deutschen Nationalkonzil oder einem
Gespräch, anvertraut werden sollte, wobei Benno von Bundschuh
Religionsgespräche im Anschluß an H. Jedin als Gespräche interpretiert
, zu denen das Oberhaupt des Reiches einlud. König Ferdinand,
dem der ältere Bruder „im Juni 1554 ... die Leitungs- und Entscheidungsvollmacht
" auf dem nächsten Reichstag übertragen hatte,
bevorzugte die Kolloquiumslösung, also eine Verständigung innerhalb
Deutschlands über die wesentlichen theologischen und kirchlichen
Fragen. Kaiser Karl V. hatte dafür aber nichts übrig, auch die
altkirchlichen Stände lehnten ab, so daß auf dem Augsburger Reichstag
1555 zwar ein Frieden geschlossen, aber keine religiöse Einigung
erreicht wurde, die jedoch in der Zukunft erfolgen sollte. Auch auf
dem Rcgensburger Reichstag 1556/57 kam es zu keinem Kolloquium
, was vom Vf. sehr breit geschildert wird, so daß man nicht nur
über die vorhergehenden innerprotestantischen Streitigkeiten,
sondern auch über die einzelnen Gesprächsphasen der Reichsstände
informiert wird. Auch über innerprotestantische Verständigungsversuche
wie den Frankfurter Fürstenkonvent von 1557 wird
berichtet. Hier kann natürlich nur im Detail Neues beigetragen werden
.

Interessant ist dagegen die Analyse von acht altkirchlichen theologischen
Gutachten, die zwischen 1554 und 1557 entstanden sind.
Wenn sie auch nicht unmittelbar für das Wormser Gespräch wichtig
wurden, so haben sich doch einzelne Teilnehmer damit vorbereitet.
Außerdem wird deutlich, wie häufig grundsätzliche theologische Fragen
während dieser Zeit im römisch-katholischen Bereich beachtet
wurden.

Damit sind wir dann beim Gespräch selbst, zu dessen Präsident
Kaiser Ferdinand Julius Pflug ernannte. Die Teilnehmer werden vorgestellt
, und die Verständigung über das Verfahren wird geschildert.
Dabei erwies sich die von altkirchlicher Seite durchgesetzte „schriftliche
Verhandlungsweise" als problematisch: Nachdem die Texte verlesen
waren, wurden sie schriftlich übergeben, was die Theologen zu
entsprechenden Repliken am folgenden Tag provozierte. Dadurch
karg kein rechtes Gespräch zustande.

Bereits die erste große Streitfrage führte zum Abbruch des Gespräches
. Man vermochte nicht, sich über die Bedeutung der Tradition zu
einigen. Während die Evangelischen auf dem ,,spla scriptura" bestanden
, Warden Altkirchlichen die entsprechende Sachentscheidung des
Konzils von Trient vorgegeben. B. von Bundschuh kritisiert, daß
Melanchthon am Beginn des Gespräches die Ergebnisse des Tridenti-
nums ablehnte, aber man muß doch fragen, ob nicht tatsächlich am
Anfang hätte geklärt werden müssen, welche Bedeutung diese besitzen
, denn man konnte ja nicht geschichtslos an 1541 anknüpfen.

Da der altkirchlichcn Seite nicht verborgen geblieben war, welche
Differenzen die evangelische Seite entzweiten, ließen Canisius und
Heiding es sich nicht entgehen, auf einer Klärung zu bestehen, wer
denn nun wirklich zur Confessio Augustana stehe und diese recht
interpretiere. Die Protestanten fielen auf diese Provokation herein
und protestierten. Die Vertreter von Herzog Johann Friedrich von
Sachsen reisten ab. und die „Schadenfreude bei den Altkirchlichen"
war groß. Die zurückgebliebenen Evangelischen bemühten sich zwar