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Ausgabe:

1989

Spalte:

45-47

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Parker, Thomas H. L.

Titel/Untertitel:

Commentaries on the Epistle to the Romans, 1532 - 1542 1989

Rezensent:

Strohm, Stefan

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Theologische Literaturzeitung I 14. Jahrgang 1989 Nr. I



Herrschaltsanspruch des nationalsozialistischen Regimes widerstan- Haresche läßt auf die Gnade disponieren und unter ihr Verdienste

den. Wesensgemäß handelt es sich vornehmlich um einen „Gewis- erwerben, während nach Guilliaud die erste Gnade nicht verdient

senswiderstand". der aus der religiösen Überzeugung erwuchs und aus werden kann, nach Cajetan das Gesetz sehr wohl ohne Glauben in

dem der einzelne unterschiedliche Folgerungen für sein Verhalten seiner äußeren Substanz erfüllbar ist, nicht aber die bloße Natur ein

zog. Unterstützt wurde dieser Widerstand vom „katholischen ewiges Verdienst zu erbringen vermag, da nur der Glaube allein die

Milieu", in dem diese Jugendlichen lebten. Am Beispiel des Bischofs aliena iustitia in Christus ergreift: für Grimani setzt Rechtfertigung

von Würzburg. Matthias Ehrenfried, und zahlreicher engagierter durch Kult und Gesetzeswerke Gnade voraus; für Sadolcto ist der

Jugcndseclsorger wird das von manchen Historikern und Publizisten Gegensatz von Gesetz und Gnade aufgehoben in die Disjunktion

verbreitete Vorurteil widerlegt. Bischöfe und Präsides hätten versagt, fleischlich-irdisch gegen göttlich-geistlich, so daß Christi Verdienst im

treu und mutig sei nur das „Fußvolk" gewesen. Goldhammer Tod darin liegt, den Weg eröffnet zu haben zum Ergreifen des Ewigen,

beschreibt anschaulich das gute Verhältnis zwischen Geistlichkeit wie ihn von sich aus kein Mensch fände.

und katholischcrJugend. eine enge Beziehung wechselseitiger Ermuli- Zweideutig klingt nach Parker insgesamt die römische Gnadcn-
gung, Achtung und Hilfe im gemeinsamen Kampf. lehre, wo sie nicht ohnedies den Lohn betont. Bei Cajetan sei nicht
Die Stärke dieser Arbeit - nämlich das Zusammentragen möglichst auszuschließen, daß der die Gnade ergreifende Glaube verdienstlich
v'eler lokalgeschichtlicher Einzelheiten - ist zugleich auch ihre sei: wo voll von Gnade und Glaube gesprochen werde (bei Grimani
Schwäche. Es besteht hier und da die Gefahr, daß die Gesamtsicht ver- besonders), sei doch Gnade zugleich Initiativkraft der Werke oder
'orengeht. daß es bei der Aufzählung von Daten und Fakten bleibt. Glaube nur in der Mitwirkung der Liebe angesetzt,
ohne rechte Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung. So werden Durch Kontextexegese, die nicht an Begriffe fixiert ist. um wie C'aje-
■nteressantc Auswirkungen von allgemeinen Verordnungen lediglich tan und andere „römische" Ausleger, aber auch Buccr. Rom 2.13 mit
vor Ort bekannt, z. B. der erste große Versuch der Auflösung der Rom 3.20 zu versöhnen, gewinnt die reformatorischc Exegese ihre
katholischen Verbände in Unterfranken 1934 (S. 187ff). Bemerkens- Stärke, besonders in Calvin: Rom 2,16 steht noch unter dem bis 3.20
wert sind z. B. auch die Angaben über die Neugründung katholischer reichenden Verdammungsurteil von Rom 1,18; die Argumentation
Jugendgruppen nach 1933 (S. 297(1). Statt einer Aneinanderreihung zielt darauf, den Juden ihren möglichen Einwand eines Vorzugs durch
von Daten (vgl. Angaben über Prozessionen und Wallfahrten S. 286fr) das Gesetz zu nehmen. Durch die korrelative Beziehung von Verwäre
aber an manchen Stellen die statistische Methode in Form von heißung und Glaube aufeinander-vertreten durch Melanchthon, aufTabellen
o.ä. anschaulicher und übersichtlicher gewesen, wie etwa gegriffen von Calvin - ist jedes Verdienst ausgeschlossen,
der Versuch, die Mitgliederzahlen des KJMV und des Zeitschriften- Interessant läßt sich beobachten, daß Rom 3.20 die Deutung der
bezugs in einigen Städten Unterfrankens tabellarisch darzustellen „Werke des Gesetzes", die keinen rechtfertigen, von einigen Vcrtre-
<s- 274). Es fragt sich auch, ob die Gliederung bzw. die Anlage dieser lern beider Konfessionen auf die Zeremonien nicht die positive Verübelt
unter den Perspektiven von Teil I und Teil II günstig war. dienstlichkeit von moralischen Werken präjudiziell, da für Calvin sie
Die Geschichte der katholischen Kirche unter nationalsozialisti- um so weniger rechtfertigen, als es schon die zercmonialen nicht
scher Herrschaft wird durch die Studie von K.-W. Goldhammer vermögen, andererseits für den pclagianisierenden Sadolcto alle
Punktuell erhellt und hat ihren Wert vor allem im Zusammentragen „Gesetzeswerke" in Kult und Moral fleischlich seien,
und der Aufarbeitung einer großen Menge historisch relevanten Über die kritische Befragung der katholischen Auslegung hinaus
Materials. lautet das ökumenisch versöhnliche Resümee Parkers. daß Katholiken
und Reformatoren sich an der Schrift messen, die einen, um die
neue Lehre zu bekämpfen zwar, die anderen nicht weniger nur, um sie
zu verteidigen. Die Bewährung an der Schrift im Gehorsam gegen
Gott begründe nach Calvin gegenseitige Anerkennung. Zu diesem

^°'n Barbara Schcllcnberger

Dogmen- und Theologiegeschichte

Resümee paßt die Mühe des Vf., der die ausgelegten Passagen wörtlich
Parker. T. H. L.: Commcntaries on the EpJ.rle t» the Romans nach dem griechischen Urtext bei Erasrpus, nach der Vulgata und in
1532-1542. Edinburgh: Clark 1986. XII, 226 S. 8'. Lw. £ 14.95. der lateinischen Übersetzung des Erasmus zitiert. Dazu notiert er alle

griechischen und lateinischen Lesarten der Erasmuseditionen mit
Die Stärke des Buchs liegt in seiner Konzentration auf eine mar- Übersetzung (1516/19/22/27/35), der Complutcnsischen Polyglotte
nte Epoche in der Römerbriefexegese des 16. Jh. und in der Ein- (1514-1517), der interessanten Urtextausgabe bei Colinaeus (Paris
grenzung seiner pointierten Darstellung der Kommentare auf drei 1534) und aus Vulgatacditionen. Das geschehe, um zu zeigen, daß
schwierige und kontroverse Passagen des Paulusbriefs. Nur in den elf voneinander abweichende Auslegungen nicht auf verschiedenen
rcn von 1532 bis 1542 erschienene zeitgenössische Kommentare Texten beruhten. Das war auch kaum anders zu erwarten. Doch
^erden im summarisch einleitenden Abschnitt vorgestellt und aus damit setzt sich Parker der hermeneutischen Anfrage aus.
1 nen noch Paraphrasen (J. Gagney), Kollektancen (J. Lonicer) und

Poetische Nachdichtungen (F. Bonadus) für die Einzelbesprechung Schon rcin Philologisch ist sein Vorgehen unverständlich: Rom 3.26 ist die

an-

ausBesrhlori»« rv r • i- •• .i- u (abwegige) Lesart icsoitit der Complutensis lur iesou bei Erasmus nicht

&"cnieden. Diese referiert mit längeren wortlichen Ubersetzungen ee /_ , ,71

anucn»;«.!. — j- - -.,„•, „ ,. . , geuinrt; Rom 1,23 zitiert er nach Erasmus 1527: mulavcrunlque glonam

ewcicnert die Exegese von aufschlußreichen Stellen, an welchen " .. . . , _ .. , ......

s,ch H a immortahs dei. per imaginem. non solum ad mortalis hominis simihtudinem

erwei d°S Verstiindnisscs der Paulinischcn Argumentation eflictam, verum etiam volatilium et quadrupedum et reptilium. Er erklärt: "no

He d'SCn kan": '''8_23'Go,teS Zom; RÖITI 2-13-1 °- Werke der variant readings in relevant cdd". Da er sonst alle Varianten nennt, sei die Aus-

1 en: Rom 3,20-28, Rechtfertigung aus Gnade durch Glauben. gabc von 1516 zitiert: et mutaverunt gloriam incorruptibilis dei, in assimila-

csprocnen werden dazu die Auslegungen von P. Melanchthon tionc imaginis eorruptibilis hominis, et volatilium ei quadrupedum et rep-

532), T. Cajetan (1532), H. Bullinger (1533), J. Sadoleto (1535), tilium. Zu Rom 1,18 gibt Parker Tür 1516 im Apparat manifestatum statt mani-

■ "ucer (| 536) p Haresche (I 536) K Pellikan (1539) J Calvin festatur, zu Rom 1.19 ist der Apparat unklar (es müßte heißen cognobile est).

"540).

M. Grimani (1 542) und C Guilliaud (I 542). Röm 2,11 feh|en die drei Varianten von 1516 auditores legis und legem operc

Wie ,„r ,c ■ , i. n servant sowie iustificabuntur zu qui audiunt legem und legem factis exprimunt

ie der Vf. im Vorwort anmerkt, ist der Ton der Kommentare . . ., , , , „

Selten n~t • ■ , • i sowie iusIi habebuntur 1519-1535. Rom 2.14 lernt die Lesart 1516 ii zu cac von

polemisch, die Differenz unter den Autoren gleicher Glau- .... ,,c ,, j- au , „.. ,„rvi,

bensri V, 1519 an. Rom 2.15 ist für I 516 lernendes co vor die übersehen. Rom 3,21 Ich Ii

zitic ng methodisch und sachlich erheblich. Die Protestanten dic Lcsar( von , 516 manjrcsla csl comprobata zu nuuufestät». dum comproba-

™n teils die Viilofltü wie IVIIi L :in rvfer iihi'rxiM 7#n u»1h*t3nHia wir ____ Kin r» i n __ _.. r» •-__i ic t__■ .. _______:__ __

" ren teils dic Vulgata wie Pellikan oder übersetzen selbständig wie {m von 15 ]y an, Rom 3,23 ae zu et. Röm 3.25 in ipsius sanguine zu inter-
■n. Schön zu sehen Ist an der Nachzeichnung der Einzelexegesc veniente ipsius sanguine. Röm 3.26 ad ostensionem iustitiae suac zu ad osten-
roniischcn" Ausleger die Spannweite ihrer Gnadcnlchrc: dendam iustitiam suam. Röm 3.27 sed per legem zu imo per legem; dazu kom-