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Ausgabe:

1989

Spalte:

667-668

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Callaway, Phillip R.

Titel/Untertitel:

The history of the Qumran community 1989

Rezensent:

Stemberger, Günter

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Seite 1

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667

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 9

668

Judaica

Callaway, Philip R.: The History ofthi Qumran Community. Sheffield
: JSOT Press 1988. 270 S. 8° = Journal for the Study of the
Pseudepigrapha, Suppl. Series 3. Lw. £ 30.-.

Das Buch, eine nur unwesentlich überarbeitete Dissertation, die
1986 an der Emory University (Atlanta, Georgia) eingereicht wurde,
ist eine kritische Darstellung der bisherigen Forschung zur Geschichte
der Qumran-Gemeinde, in der v. a. die weithin angenommene mak-
kabäische Datierung getestet werden soll. Das Einleitungskapitel stellt
kurz die verschiedenen Theorien und die Quellen vor. Es folgt ein
Kapitel über die Archäologie und die Geschichte der Qumran-
Gemeinde v. a. auf der Basis des Grabungsberichts von R. de Vaux.
Hier arbeitet C. gut heraus, daß die fast allgemein übernommene
These von de Vaux, die Anläge von Qumran sei 31 v. Chr. durch ein
Erdbeben zerstört worden und dann bis 4 v. Chr. verlassen gewesen,
nur schwach begründet ist. Datierungen durch Erdbeben werden in
letzter Zeit immer mehr angegriffen; dazu kommt v. a. der durchaus
nicht eindeutige Münzbefund. Eindeutig scheint hingegen der Untergang
der jüdischen Siedlung von Qumran im Jahr 68/69 belegt zu
sein. Das folgende Kapitel zur Paläographie der Qumran-Handschrif-
ten ist eine recht flüchtige Zusammenfassung der Thesen von
F. M. Cross, leider recht schlampig formuliert und teilweise konfus
(z. B. heißt es S. 58: "4 QD may have been copied as early as 75 BCE,
but not earlier... Palaeographical analysis would date the copying
and implicitly the composition of 4 QD before 75 BCE". Was von bei-
dem stimmt? S. 59f bezeichnet die Schrift von 4 Qp Nah als herodia-
nisch, ca. 30 v. Chr. sei ergo der Terminus ante quem. Gemeint ist
wohl „post quem").

Anschließend untersucht C, ob die antiken Quellen über die Essener
(Philo, Josephus und Plinius) sowie die Erwähnungen der Asidäer
in den Makkabäerbüchern mit den Qumran-Texten verbunden werden
können, und vergleicht diese Zeugen untereinander und mit den
Qumran-Texten. Zu Recht warnt er vor zu direkter Identifikation der
Essener mit der Qumran-Gruppe; daß der um 77 schreibende Plinius
schon von einer Besiedlung nach dem Ende des eigentlichen Qumran
68/69 schreiben soll, erscheint mir hingegen übertriebene Skepsis.
Andererseits sagt 2Makk 14,6 (gegen S. 84. 87) nicht ausdrücklich,
daß Judas der Makkabäer selbst ein Chasid war.

Die folgenden Kapitel besprechen der Reihe nach je für sich die
Damaskusschrift, die Pescharim, die Testimonia und die Hodajot im
Blick auf ihre historische Verwertbarkeit. Auch hief ist C. primär
forschungsgeschichtlich orientiert, analysiert aber auch selbständig
alle Stellen, aus denen man geschichtliche Informationen gezogen hat.
Mit einigem Zögern akzeptiert er die Angaben von CD 1,3-1 1 über die
390 + 20 Jahre seit Nebukadnezzar für das Entstehen der Gemeinde
bzw. das Auftreten des Lehrers als Fixpunkte, ebenso 4 Qp Nah als
Hinweis auf die bei Josephus geschilderten Ereignisse des Jahres 90
v. Chr., als die Pharisäer Demetrius Eukairos zu Hilfe riefen und später
viele von ihnen.durch Alexander Jannai gekreuzigt wurden. Für
alle anderen Identifikationen und Datierungen verweist er zu Recht
auf die Unklarheit der Texte, die weniger aussagen, als man vielfach
aus ihnen herauslesen möchte. Auch wenn gelegentlich die Argumentation
nicht ganz schlüssig ist (so S. 209 die Aussage, daß nach äußeren
Kriterien die historisch relevanten Schriften zwischen 75 und
1 v. Chr. zu datieren, die darin erwähnten Personen und Ereignisse
ergo vor 75 anzusetzen sind - selbstverständlich wären auch Daten
nach 75 denkbar!), so ist doch die nüchterne Konzentration auf das
direkt Beweisbare anzuerkennen und der nachdrückliche Hinweis auf
die Problematik so mancher als fast sicher angenommenen historischen
Rekonstruktionen äußerst wertvoll.

Der Druck (auch der hebräische Satz) ist fast fehlerfrei; allerdings
muß es S. 76 und 86 statt,,Psyche" „Tyche" heißen, S. 203 zweimal
BCE statt CE. Von der Art der Darstellung her ist das Buch i. allg. klar
geschrieben, zahlreiche Zusammenfassungen wiederholen immer

wieder (und fast unnötig oft) die Ergebnisse; dazu kommt noch ein
weiteres Kapitel als Gesamtzusammenfassung. Immerhin erlaubt es
auch dem flüchtigen Benützer eine schnelle Orientierung.

Wien Günter Stemberger

Neues Testament

Duplacy, Jean: Etudes de critique textuelle du Nouveau Testament.

Presentees par J. Delobel. Leuven: University Press; Leuven: Pee-
ters 1987. XXVII, 431 S., I Taf.gr. 8" = Bibliotheca Ephemeridum
Theologicarum Lovaniensium, 78.

J. Duplacy, New Testament (= NT) professor at Lyons and at Lou-
vain, died in 1983. He had begun to makea collection of his articles on
the text of the NT and this was continued after his death, among others
by C.-B. Amphoux, his successor at Lyons. The volume contains
articles and reviews, 1956-1983, and, thanks to professor
C.-B. Amphoux, two unpublished articles on Luke 22.43-44 and on
Mt 19.9.

The volume is introduced by a preface from J. Delobel, a table of
Contents, a list of Duplacy's published items with theirdate and place
of first publication, and a personal tribute from H. Bourgeois of
Lyons. J. Delobel contributes an assessment, «Jean Duplacy, sa con-
tribution ä la critique textuelle du Nouveau Testament». This is follo-
wed by the collection of articles. Finally there is an index of manu-
scripts, a list of scholars cited and of scriptural passages referred to.

Delobel's article gives a valuable summary of Duplacy's contribu-
tion. First and foremost he displayed an unequalled knowledge of
work on the NT text and supplemented this with details about Greek
manuscripts, patristic quotations and ancient versions which he justi-
fied by contending that they all contribute to our attempts to recover
the original form of the text. To this extent Duplacy believed that a
principle guide to the text lay in its history, and that we must have all
the information that antiquity provides if we are to attempt a critical
edition of the text. Among his predecessors Duplacy found Westcott
and Hort most congenial, but he does not use his acquaintance with
the evidence of manuscripts, quotations and versions in any exclusive
way. Thus in his paper «A propos d'une variant Occidentale des Actes
des Apötres» (14), he writes, «la demonstration que nous avons pro-
posee du caractere primitif de la Variante occidentale ne prendrait
toute sa force que si eile etait corifirmee par une enquete plus large».
Consideration of the Western Text is not excluded in principle. Like-
wise in the paper, »Une Variante meconnue du texte recu: 7/
AIWA YEHTE'(Lk. 22 68)»<24-38) he shows a readiness to consider
a variant mainly attested, by the reeeived text.

In pp. xxii-xxiii Delobel mentions a collaboration of Aland, Duplacy
and Bonifatius Fischer, but in view of the sentiments expressed by
Duplacy we may ask how far the collaboration of Aland and Duplacy
would extend. Aland (Bericht der Hermann-Kunst-Stifiung zur Förderung
der Neutestamentlichen Textforschung für die Jahre 1982 bis
1984) has written „Gewiß sind wir der Meinung, daß der Text, den die
26. Ausgabe des Nestle-Aland und die Third Edition des Greek New
Testament heute gemeinsam bieten, dem ursprünglichen Text des
Neuen Testaments so nahe kommt, wie das im Augenblick möglich
ist" (62-63). This would not easily be reconciled with the tentative
approach of Duplacy.

This is well illustrated by his article «P75 (Pap Bodmer xiv-xv) et les
formes les plus anciennes du texte de Luc» (150-168). We may relate
this to Alands' Der Text des Neuen Testaments (313): „Wichtiger ist
in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zum Ahendituthlshericht
in Luk 22. Hier stand früher, unter dem Einfluß der Theorien West-
cott/Horts über die Western non-Interpolations, Vers 19b—20, d. h.
der ganze Text von to önifi vpwv SiSöpevov bis to i'mkp i'yuov ix/m'-
VÖfUVOV in doppelten Klammern, und zwar hin bis zur zweiten Ausgabe
des Greek New Testament. Das ist heute vorbei. Zwar noch nicht