Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

663-665

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Campbell, Antony F.

Titel/Untertitel:

Of prophets and kings 1989

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

663

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 9

664

zen sich aus der gegenwärtigen "folklore,"-Forschung für Abfassungszeit
und Überlieferung der Vätergeschichten ergeben.

Im ersten Kapitel (The influence of folklore studies on critical
approaches to the Old Testament) gibt sie einen forschungsgeschichtlichen
Überblick, beginnend bei Wellhausen über Gunkel, Alt, v. Rad
und Noth bis zu den Skandinaviern (Nyberg, Birkeland, Engnell,
Widengren). Kapitel II (Folk narrative: its composition and transmis-
sion) untersucht zunächst grundsätzlich Aufbau und Tradierung
mündlicher Erzählungen - hier wird besonders auf Parry und Lord
verwiesen - und zieht daraus Schlußfolgerungen für die Vätergeschichten
. Kapitel III (Folklore studies and the genre of the patriar-
chal narratives) behandelt die verschiedenen Gattungen mündlicher
und schriftlicher Prosa, speziell Sage und Legende und ihre Definition
, das Verhältnis von "Folk narrative" und Bibeltext, von mündlich
erzählter Geschichte und den Vätergeschichten und schließlich
von mündlicher Überlieferung und historischer Zuverlässigkeit.

Die Vfh. kommt zu folgendem Ergebnis: Die neueste "folklore
research" hat gezeigt, daß eine Unterscheidung von ursprünglich
mündlichen bzw. schriftlichen Texten weder aufgrund stilistischer
Besonderheiten (z. B. formelhafter Wendungen) noch bestimmter
Gattungsmerkmale möglich ist. Auch Sagenmotive sind nicht notwendigerweise
auf mündliche Gattungen beschränkt. Zudem schließt
jedes Wiedererzählen von Geschichten beträchtliche Veränderungen
in sich, so daß die mündliche Tradition weniger die Vergangenheit
bewahrt als vielmehr die Vergangenheit im Licht der Gegenwart interpretiert
. Die sehtiftliche Aufzeichnung ursprünglich mündlicher Erzählungen
gibt daher mehr Aufschluß über die Periode, in welcher die
Erzählungen aufgeschrieben wurden als über die, in welcher sie vermutlich
entstanden sind. Ist somit eine mündliche Vorstufe für die
Vätererzählungen mindestens sehr fraglich geworden, so kommen sie
aufgrund dieser Ergebnisse erst recht nicht mehr als Quelle für die
Frühgeschichte Israels in Frage.

Greifswald Julia Männchen

Campbell, Antony F., S. J.: Of Prophets and Kings. A Late Ninth-
Century Document (1 Samuel 1-2 Kings 10). Washington, DC:
Catholic Biblical Association of America 1986. VII, 240 S. 8" = The
Catholic Biblical Quarterly MonQgraph Series, 17. Kart. $ 7.50.

In Auseinandersetzung mit neueren Arbeiten von Walter Dietrich
und Timo Veijola und in Ablehnung der von diesen 'vorgetragenen
Differenzierung des DtrG durch Annahme eines DtrP und DtrN ist
die vorliegende Untersuchung entstanden. Sie hat sich zur Aufgabe
gestellt, die Vorgeschichte des DtrG zu erhellen und die verschiedenen
Zugänge zu diesem Werk aufzudecken. Dabei hat sich dem Vf. die
Hypothese eines "Prophetic Record (PR)" aus dem 9. Jh. v.Chr.
ergeben (Introduction, 1-16).

Das Buch zerfällt in zwei Teile. Der erste Teil trägt die Überschrift:
"The Hypothesis of the Prophetic Record" und gliedert sich in folgende
Kapitel: "The Evidence" (17-63), "The Text" (64-110) und
"The Prophetic Record: Conclusions" (111-123). Und der zweite
Teil mit der Überschrift: "The Secondary Developments from the
Hypothesis" wird weiter unterteilt: "The Beginning of the Story of
David's Rise" (125-138), "Patterns and Texts I" (139-168), "Pat-
terns and Texts II" (169-202) und "Conclusion" (203-208). Es folgen
noch fünf "Appendixes" (209-216), eine "Bibliography"
(217-226) und "Indexes" (227-240).

C. wählt als Ausgangspunkt für seine Hypothese die drei Erzählungen
über die Salbung Sauls, Davids und Jehus, weil innerhalb des
DtrG nur hier Salbungserzählungen vorliegen und der Akteur jeweils
ein Prophet ist. Die Einzelanalyse von lSam 9,1-10,16 ergibt, daß
eine Originalerzählung von der Beauftragung Sauls durch einen Gottesmann
/Seher so überarbeitet wurde, daß aus dem Gottesmann der
Prophet Samuel und aus der Beauftragung die Zusage des Königtums
und die Salbung zum Nagid wurde. Der oder die Redaktoren waren
also eindeutig prophetisch interessiert; dtr Spuren sind nicht zu beobachten
. Von dieser Grundüberzeugung her haben sie die analogen
Erzählungen über David (lSam 16,1-13) und Jehu (2Kön 9,1-13)
geschaffen und sie jeweils an den Anfang der Geschichte Davids bzw.
Jehus gestellt. Allen drei Erzählungen ist gemeinsam: Gottes Führung
seines Volkes geschah durch Vermittlung von Propheten, die Israels
Könige durch die Salbung designierten.

Im zweiten Arbeitsgang untersucht C. die Erzählungen über die
Designation und Verwerfung Jerobeams, die Verwerfung Ahabs und
die Designation Jehus, weil nur bei diesen drei Königen solche Erzählungen
noch vorliegen und sie durch gleiche Sprache und Form
zusammengehalten werden. Vf. schält jeweils einen vor-dtr Kern heraus
, der die Designation des Königs bzw. seine Verwerfung durch
einen Propheten in Jahwes Auftrag enthält. Dabei diente offenbar die
Rede des Elisa-Schülers an Jehu (2Kön 9,6-10*) als Modell für die
anderen Reden. Diese werden insgesamt von derselben Hand wie die
vor-dtr Salbungserzählungen sein. Wichtig ist für das Gesamtver-
stähdnis noch, daß die ursprüngliche Erzählung von der Designation
Jerobeams (lKön 11,31.37.38b) die Überzeugung ausdrückt, sein
Königtum sei genauso der Wille Gottes wie das Königtum Davids.

Ein dritter Abschnitt geht "The Interrelationships and Wider Con-
text" nach. Zunächst werden die Beziehungen der oben genannten
Erzählungen zueinander erörtert. Den Ausgangspunkt bildet eine
Analyse von lSam 15. Wieder wird eine alte Erzählung eruiert, die
prophetisch überarbeitet wurde. Somit ergibt sich folgendes Bild: Die
prophetischen Redaktoren überarbeiteten die älteren Erzählungen
ISam 9,1-10,16 und c. 15. Sie brachten geringe Berichtigungen in
c. 11 an und schufen 16,1-13. "In their view, Saul was designated
king by the prophet Samuel, and by Samuel he was rejected . . . Just
so, the bulk of Solomon's kingdom will be destined for Jerobeam, designated
by the prophet Ahijah, and subsequently rejected by him.
Ahab will be rejected by the prophet Elijah, and Jehu will be designated
by the prophet Elisha's disciple. So these prophetic redactors per-
ceived the working of Yahweh in their nation's history." (45)

Als weiterer Kontext werden zwischen lSam 16 und 1 Kön 11 noch
1 Sam 28*, 2Sam 7* und 12* sowie andere kleine Stücke ausgesondert,
und in einem Exkurs wird der Nagid-Titel mit dem Ergebnis einer
Bedeutungsentwicklung vom Profanen (Anführer) zum Theologischen
hin (der Designierte) untersucht und festgestellt, diese theologische
Färbung habe der Begriff erst durch die prophetische Redaktion
erhalten, die mit seiner Hilfe das Konzept von der göttlichen Designation
und Verwerfung gestaltete und somit die alten Traditionen neu
interpretierte.

Nachdem auf diesem Wege die Eckdaten für die Hypothese erstellt
worden sind, unternimmt Vf. es nun, den Text dieses PR zu identifizieren
. In großen Zügen werden die literarischen Komplexe durchgemustert
und das Material von lSam 1-3* bis 2Kön 10,18-28 für
PR ausgesondert. Hier soll als Beispiel nur noch kurz auf die Analyse
von 2Sam 7 eingegangen werden. Ein davidischer Kern, der das Verbot
des Tempelbaus enthielt, ist durch Hinzufügung der Dynastiever-,
heißung durch Nathan prophetisch erweitert worden mit der Absicht.
Gott könne das, was er gegeben hat, bei Versündigung.auch wieder
nehmen (V. 14) und einem anderen (Jerobeam, Jehu) geben. Diese
Erzählung wurde bei Einfügung des PR in das DtrG weiter bearbeitet
und schließlich noch mit nordisraelitischen Interpolationen versehen
.

Was die Gattungsbestimmung angeht, so wird PR als "theological
inspired history" charakterisiert und eben die neutrale Bezeichnung
"Prophetic Record" gewählt. Der oder die Verfasser könnten Glieder
des Elisa-Kreises, in dem die Erzählkunst offenbar geübt wurde, gewesen
sein. Man könnte an das Heiligtum Gilgal denken; auf jeden Fall
aber ist das Werk nördlichen Ursprungs. Es ist nach der Revolution
Jehus, also im späten 9. Jh. v. Chr. geschrieben worden. „Treue zu
Jahwe und Errettung durch Jahwe" (108) ist sein Thema.

In dem den ersten Teil abschließenden "Conclusions" macht C.
darauf aufmerksam, daß PR mit seiner Geschichtsschau von Saul bis
Jehu gleichsam die Fortsetzung des mit der Landnahme endenden j