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Ausgabe:

1989

Spalte:

627-629

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Franz, Egon

Titel/Untertitel:

Das Opfersein Christi und das Opfersein der Kirche 1989

Rezensent:

Wenz, Gunther

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 8

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kenntnis und Unsicherheit waren in der Vergangenheit und können
auch heute noch Quelle gefährlichen Nicht-Verstehens sein. Alle
Referenten stimmten darin überein, daß es eine wesentliche und vordringliche
Aufgabe für Theologie und Religionspädagogik sei, ein besseres
Verständnis des Judentums, seiner Tradition, seiner Gebräuche
und seiner Geschichte zu fördern. Es gelte, den Juden zu verstehen,
wie er sich und seine Art zu leben selbst versteht, anstatt ihn nach
eigenem Denkschema zu beurteilen.

Bei Begegnungen zwischen Juden und Christen sollte jedem das
Recht zugestanden werden, voll und ganz seinen Glauben zu bezeugen
, ohne deshalb in Verdacht zu geraten, jemand seiner Gemeinschaft
abspenstig machen zu wollen.

Darüber hinaus sollten Christen immer beachten, daß das jüdische
Volk als Volk Gegenstand eines „ewigen Bundes" war, ohne den der
„Neue Bund" nicht bestehen könnte.

Gerade auch die lutherischen Kirchen werden sich immer wieder
als auf der Suche nach der Gemeinschaft des Alten und des Neuen
Bundes erkennen müssen. Juden und Christen werden auch weiterhin
füreinander sehr viel Arbeit zu leisten haben, um zu einem besseren
gegenseitigen Verstehen zu kommen. Weil aber Christen und Juden
einen gemeinsamen Schatz biblischer Schriften als Grundlage ihres
Lebens überliefern, hat das Gespräch eine Basis, deren Wert gar nicht
hoch genug einzuschätzen ist. Von der eigenen Hoffnung her ergibt
sich ein Hören, eine aktive Bereitschaft, auf den anderen zuzugehen
.

Obwohl es gerade in jüngster Zeit viel religionspädagogisches Material
zum Thema gegeben hat, bringt dieser bedeutsame SammeJband
doch neue, überaus wichtige und nachdenkenswerte Aspekte für
Erziehung und Unterricht, weil alle Referenten - und das verbindet sie
auch bei unterschiedlichen theologischen und didaktischen Ansätzen
-sich ehrlich und lernbereit einem Dialog zwischen Juden und Christen
stellen.

Greifswald Günther Kehnscherper

Ökumenik: Allgemeines

Franz, Egon: Das Opfersein Christi und das Opfersein der Kirche.

Der Opferbegriff Augustins als Beitrag zum Verständnis der Eucharistie
in den Konvergenzerklärungen von Lima 1983. Frankfurt
/M.-Bern-New York-Paris: Lang 1988. 144 S. 8° = Kontexte,
6. Kart. sFr 34.-.

Unter den Gefangenschaften des Altarsakraments in der römischen
Kirche seiner Zeit hatte nach Luthers Urteil, wie es in der 1520
erschienenen Schrift „De captivitate babylonica ecclesiae" ausgesprochen
ist (vgl. WA6,507fT), die durch Theorie und Praxis des Meßopfers
verursachte als die schlimmste zu gelten. Der Reformator
spricht von einem „longe impiissimus abusus", einem überaus gottlosen
Mißbrauch, welcher die Mißbrauche des Kelchcntzugs und der
- wie er sagt - Vernünftelei der Transsubstantiationslehrc noch übertreffe
, sofern durch ihn der verheißungsvolle Zuspruch der Versöhnung
durch Christi Tod in einen unseligen Anspruch auf menschliche
Selbstrechtfertigung verkehrt und damit das Zentrum evangelischer
Botschaft zerstört werde. Nicht nur die lutherische, auch die reformierte
Tradition schloß sich - wenngleich mit etwas anders gelagerter
Begründung-diesem Verdikt an. Als zusammenfassende Antwort auf
die (80.) Frage, welcher Unterschied zwischen dem Abendmahl des
Herrn und der päpstlichen Messe sei, kann der „Heidelberger Katechismus
" daher bündig erklären: „Unnd ist also die Meß im grund
nichts änderst, denn ein Verleugnung des einigen opffers und leidens
Jesu Christi, und ein vermaledeyte Abgötterey." (E. F. K. Müller
[Hg.], Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, Leipzig 1903,
704,30ff)

Ließ sich dieses kontroverstheologische Argument schon unter vor-
tridentinischen und tridentischen Voraussetzungen nur mit polemischer
Mühe behaupten, so scheint es unter gegenwärtigen ökumenischen
Bedingungen gänzlich obsolet geworden zu sein. Ausdrücklich
steht etwa in dem Bericht der Gemeinsamen Römisch-Katholischen/
Evangelisch-Lutherischen Kommission über „Das Herrenmahl" zu
lesen, es sei zwischen den beteiligten Kirchen völlig unumstritten, daß
das Kreuzesopfer durch das Meßopfer „weder fortgesetzt noch wiederholt
, noch ersetzt, noch ergänzt werden" könne (Art. 56). Die
Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchen-
verfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen über „Taufe, Eucharistie
und Amt" bestätigen diesen Befund nachdrücklich; andere ökumenische
Dialogergebnissc, etwa die einschlägigen Veröffentlichungen
des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer
Theologen, haben ihn auf eine breite exegetisch-dogmatische Basis zu
stellen versucht.

An diese Dokumente, namentlich an die Konvergenzerklärungen
von Lima, knüpft Frajiz an, um ihre Resultate im Anschluß insbesondere
an die Opfertheorie Augustins gedanklich weiter zu fundieren
und gegen mögliche Bestreitungen abzusichern. Den harten kritischen
Kern solcher möglichen und tatsächlichen Bestreitungsversuche sieht
er in dem Problem der Zusammengehörigkeit und Unterscheidung
von Opfer Christi und Opfer der Kirche bzw. in der Frage nach dem
Subjekt kirchlichen Handelns in der Eucharistie. Mit der Darstellung
dieser Thematik setzt die Untersuchung demgemäß ein (13-20), wobei
im Fortgang der Erörterung entscheidende Argumentationshillen
von Augustin bezogen werden, dessen Opferbegriff zunächst in seiner
Abgrenzung gegenüber dem heidnischen analysiert (21-27) und sodann
in den Gesamtkontext Augustinischcr Theologie eingeordnet
wird (29-72). Franz kann in diesem Zusammenhang auf Einsichten
zurückgreifen, die er bereits in seiner Dissertation „Totus Christus.
Studien über Christus und die Kirche bei Augustin" (Diss. Bonn
1956) gewonnen hat. Hervorzuheben ist vor allem, daß nach Franz
der Opferbegriff bei Augustin als Totalbestimmung menschlicher Existenz
fungiert (21 ff) und in dieser Funktion in allen Dimensionen
Augustinischer Theologie vom schöpfungsgemäßen Urständ bis zur
eschatologischen Vollendung in Erscheinung tritt: „Ursprüngliche
Bestimmung und endzeitliche Vollendung sind ... im Opfersein auf
eine solche Weise realisiert, daß sie nicht auf eine Versöhnung zwischen
Gott und Mensch hinzielen, sondern das Sein in der Hingabe an
Gott und die Mitmenschen als gegeben voraussetzen." (31 0- Indes ist
jenes Opfersein, welches in protologischer (29f) und eschatologischer
(30ff) Perspektive als anthropologische Allgemeinbestimmung zu gelten
hat, im Bereich der irdisch-geschichtlichen Wirklichkeit nur in der
einen Person Jesu Christi verwirklicht.

Dieses singuläre Opfersein des Lebens und Sterbens Jesu Christi
(39 ff) ist nun nicht nur durch Einheit von Subjekt und Objekt des Opfers
sowie durch Einheit mit dem, welchem geopfert wird, ausgezeichnet
, sondern auch dadurch, daß Jesus Christus in seinem Opfersein die
Einheit derer schuf, für welche er opferte (4911). Mit anderen Worten:
„Christus nimmt die Kirche als universales Opfer in sein singuläres
Opfer hinein ... In der Einheit des Leibes Christi sind das singuläre
Opfer des Hauptes und das universale Opfer des Leibes zwar streng
unterschieden, aber doch untrennbar miteinander verbunden." (50t:
bei F. teilweise gesperrt) Gerade in der Eucharistie werde „der Kirche
immer wieder gezeigt, daß sie auch da. wo sie als handelndes Subjekt
des Opfers in Erscheinung tritt, im Grunde von einem anderen Subjekt
, nämlich von Jesus Christus, als Opfer dargebracht wird (52)".

Auf der Basis dieser augustinischen Bestimmungen, die er im Blick
auf das Opfersein der Engel und der Seligen (3211) sowie der Gläubigerl
und Märtyrer (58fT) noch weiter differenziert, bemüht sich Franz sodann
um eine Klärung überkommener historischer Mißverständnisse
(73-87). Seine Kritik richtet sich dabei insbesondere gegen Anselm,
dessen an verdienstlichen Bußleistungen orientierte Satisfäktions-
theoric entscheidend zur von Augustin fundamental abweichenden
Fehlbestimmung des Opferbegriffs in der mittelalterlichen Scholastik
beigetragen und damit die Einwände der Reformatoren förmlich herbeigezwungen
habe. Obgleich Frenz das Recht dieser Einwände, inso-