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Ausgabe:

1989

Spalte:

610-612

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Johannes Paul II. Papst, Solidarität - die Antwort auf das Elend in der heutigen Welt 1989

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 8

610

im Dritten Reich. Zu D. Bonhocffers Aufsatz „Die Kirche vorder Judenfrage",
15. April 1933 (215-244); C. Strohm; „Zweireichelehre" und antiliberales
Rechtsverständnis bei Bonhoeffcr? Zu G. Ringshausens Interpretation des Aufsatzes
„Die Kirche vor der Judenfrage" (245-266); J. Tuchel: Weltanschauliche
Motivationen in der Harnack-Schulzc-Boysen-Organisation („Rote
Kapelle") (267-292).

Der letztgenannte Beitrag zeigt, wie umfassend und weitgreifend der
Gegenstand „Kirchliche Zeitgeschichte" bestimmt wird. Dem entspricht
auch die Aufgabenstellung in der „Einführung der Herausgeber
" (Heft 1 S. 6), wonach im Unterschied zu einer „Provinzialisie-
rung auf nationaler Ebene" es als sehr viel aussichtsreicher angesehen
wird, „Kirchliche Zeitgeschichte in nationaler und ideologischer Ent-
schränkung zu" betreiben, also den historischen Forschungshorizont
über Grenzen, Konfessionen und Weltanschauungen - auch unter
Einschluß der marxistisch-leninistischen - hinweg zu spannen".

Heft 2, 1988, enthält darüber hinaus zwei neue Sparten: Konferenzbericht
und Bibliographie. In der Vorschau werden die Themenschwerpunkte
für Heft 1,1989, genannt: „Die Kirchen Europas in der
Nachkriegszeit (1944-48)" einschließlich der vorgesehenen Beiträge
sowie für Heft 2, 1989: „.Quousque tandem ...?'. Zum evangelischen
Kirchenverständnis in diesem Jahrhundert" - zwei Schwerpunkte, die
Präziser sind als der von Heft 2, 1988, der eigentlich eine Art Fortführung
des Themas von Heft I, 1988,-in sich vereinigt.

Man sieht den nächsten Heften von KZG mit großem Interesse entgegen
.

Leipzig Ernst-Heinz Amberg

Kirchen- und Konfessionskunde

Sabugal, Santos: La Iglesia Sicrva de Dios. Hacia una eclesiologia ser-
vicial. Zamora: Ediciones MonteCasino 1987. 171 S. 8'.

Die Brisanz des spanischen Original-Titels ist in der wörtlichen
deutschen Übersetzung „Die Kirche, eine Magd Gottes. Hinführung
zur Lehre von der Kirche in dienstbarer Gesinnung" kaum erkennbar.
S- ist Angehöriger des zu strenger Observanz geneigten Schulordens
der Augustiner. Deshalb bejaht S. zunächst alle Constitutionen des
Vaticanum II und besonders „Lumen gentium" und „Spes et gau-
dium". Aber bei der Durchsicht dieser Texte und vor allem der fast
unübersehbar dazu bislang ergangenen Literatur (ein erstaunlicher
Überblick!) kommt er um die Feststellung nicht herum, daß eine
°öse Lücke (laguna) in allem klaffe (S. 22). So übt er eine verhaltene
Kritik - vielleicht der Grund, auf das „Imprimatur" zu verzichten?
Durch sein ihm als Augustiner naheliegendes Studium des Kirchenvaters
lernte er es, auf die Formel „Servus Dei, ecclesia Dei" zu
achten, sowie auf die bei dieser stereotypen Briefunterschrift „Diener
der Diener Christi", wobei eben auch dem Wortlaut nach „der
Sklave" zu lesen war, vgl. S. 22 Anm. 15. In einer weitgespannten
Übersicht über alle Bücher des AT und NT findet S. den „Knecht" als
würde- und Pflichtbezeichnung von Mose an bis zu den Aposteln.
Dabei ist ihm der Knecht Gottes von Jes 53, aber auch die Magd des
Nerrn, d. h. der Maria (Lk 1,38) Richtpunkt aller Erörterung. Diese
endet im Satz, daß folglich die Kirche eine Magd zu sein habe, und
z*ar nach dem Grundmodell (modelo fontal) des Jesus der Berg-
Predigt und nach dem Paradigma Maria. Die Wahrnehmung der
Standardaufgaben der Kirche reicht nicht mehr aus. S. nimmt hierfür
die gesamte Hierarchie der Kirche in Pflicht, angefangen vom Papst
bis hin zu der Gesamtheit der Gläubigen. Und er teilt nicht einzelnen
Gruppierungen der Kirche die Pflichten zu, etwa die theologische
Forschung den Universitätslehrern, aber die Dienstleistungen nur den
h|erfür mit Gelübden festgelegten Orden (S. 24, S. 112, S. 115). Diese
Dienstleistung für Gott wird anhand der Beispiele von Salz und Licht,
Sauerteig und Weizenkorn bis zum Verlust des eigenen Lebens nötig
sein, und das wird auch erwartet (S. 142). Das Ziel ist, solche Anstrengung
zum Nutzen der irdischen Realitäten und der menschlichen

Werte zu leisten. S. zählt auf: Dienst an der menschlichen Gemeinschaft
schlechthin, also nicht bloß den Christen, das Privateigentum,
Arbeitsleistung. Kulturleben, die Arbeit der Medien, der wissenschaftliche
Fortschritt, das politische Weltkonzert und die ökonomischen
Entwicklungen. Das ist ein furchtlos vorgetragenes Konzept
zur Humanisierung einer gottlosen Welt, ohne daß Argumente aus
Aristoteles und Thomas geholt wären. Durch die Bereitschaft eines
jeden Gläubigen zum freiwilligen Opfer der eigenen Person wird am
Ende doch die Kirche die Herrin („la sefiora", 2. J. 1 s. S. 91, S. 100
u, ö.)sein.

Dem Vf. gebührt ein aufrichtiger Dank für sein lückenloses, aber
vielleicht doch als visionär zu bezeichnendes Konzept. Kritische
Fragen stehen an. Sie betreffen den Mittelpunkt seiner Beweise. Die
Vokabelreihe Sklave, Knecht. Diener, Hausgenosse und Knabe ist
vom Hebräischen über das Griechische zum Lateinischen und endlich
zum Spanischen, vom Deutschen ganz zu schweigen, diffus und nicht
beweiskräftig. Das Verhältnis Gott und Mensch ist durch eine heroische
Unterordnung des Menschen kaum beschreibbar. eher durch das
Paradigma Abba, lieber Vater. Die Exegese wird ohnehin zu der Wertung
biblischer Belege triftige Einwände vorbringen. Und endlich ist
die immer wiederholte Zitierung Augustins dem Vf. als Augustiner
zuzubilligen, aber dieser hat sich kaum um die Betonung eines allgemeinen
Hcilswillens Gottes auch der gefallenen Menschheit gegenüberbemüht
.

Bremen Walter Nagel

Papst Johannes Paul IL: Solidarität-die Antwort auf das Elend in der
heutigen Welt. Enzyklika „Sollicitudo rei socialis" Papst Johannes
Pauls II. Kommentar von W. Korff u. A. Baumgartner. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1988. 138 S. 8-. Kart. DM 12,80.

Schasching. Johannes: In Sorge um Entwicklung und Frieden. Kommentar
zur Enzyklika „Sollicitudo rei socialis" von Papst Johannes
Paul II. Mit dem Text der Enzyklika in Überarb. deutscher Übersetzung
. Wien-Zürich: Europaverlag; Düsseldorf: Patmos 1988. 192
S. 8' = Soziale Brennpunkte. Kart. DM 24,-.

Sieben Jahre nach seiner ersten Sozialenzyklika („Laborem exer-
cens", 1981) veröffentlichte Papst Johannes Paul II. am 19. Februar
1988 sein zweites Lchrschreiben zur Sache: „Sollicitudo rei socialis" -
die soziale Sorge der Kirche, seine insgesamt siebente Enzyklika. Sie
trägt allerdings das Datum schon vom 30. Dezember 1987. und das
hat seinen guten Grund. Damit erfüllt sie nämlich den wesentlichen
Zweck, 20 Jahre nach dem Erscheinen der großen Entwicklungsenzyklika
von Papst Paul VI. „Populorum progressio" (26. März
1967) eine Brücke zu dieser zu schlagen, und es wird die Möglichkeit
offengehalten, bewußt an jenes Thema anzuknüpfen und es in neuer
Weise weiter zu entfalten.

Es ist ja eine schon längere Zeit geübte Praxis gerade in der Erscheinungsfolge
der päpstlichen Sozialenzykliken, runde Jahrestage vorhergehender
Verlautbarungen mit einer neuen Kundgabe besonders
zu würdigen: 1891 setze Leo XIII. mit „Rerum novarum" gleichsam
ein Urdatum. Darauf folgten: „Quadragesimowino" (Pius XI.) 1931;
„La solennita" (Ansprache Pius' XII.) 1941; „Mater et magistra"
(Johannes XXIII.) 1961; „Octogesima adveniens" (Paul VI.) 1971
und schließlich „Laborem exercens" (Johannes Paul II.) 1981. Wiewohl
nun keineswegs behauptet werden kann und soll, daß mit der
Folge „Populorum progressio" (1967) - „Sollicitudo rei socialis"
(1987) gleichsam eine zweite derartige Serie begonnen worden ist, ist
es doch kein müßiges Spiel, sich solcher Reihungen zu erinnern.
Unterstreicht sie doch das besondere Anliegen des päpstlichen Lehramtes
, gerade im Hinblick auf die Soziallehre Kontinuität zu wahren
und sich in regelmäßiger Folge den immer wieder neuen Herausforderungen
auf dem sozialen Gebiete zu stellen, d. h. die hier stärker als
anderswo notwendige Fortschreibung der Lehre nicht nur tatsächlich
vorzunehmen, sondern auch deutlich zu machen.
Dieses geschieht nun mit „Sollicitudo rei socialis" in der Tat. indem