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Ausgabe:

1989

Spalte:

604-606

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Trient II 1989

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 8

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systematischen Bearbeitung der Predigten Luthers sein. Andere
Lutherforscher hätten zwar Teile der Predigten Luthers ausgewertet
(G. Ebeling u. a.), doch bedürften alle überlieferungsgeschichtlichen
Einzelfragen einer umfassenden Weiterarbeit, die jedoch außerhalb
des in diesem Buche zu Leistenden liege. Der Vf. benutzt ganze Predigten
als Grundgerüst seiner Quellen, aber nicht alle Predigten
Luthers.

Der Vf. entfaltet die Predigttheologie Luthers in sechs Kapiteln, die
die wichtigsten systematischen Grundanliegen Luthers anzeigen sollen
: die Dreieinigkeit Gottes, die Schöpfung, Jesus Christus, der
Heilige Geist, das Wort Gottes und die Anthropologie. In jedem Kapitel
geht der Vf. von Predigttexten aus, die sich auf diese Grundanliegen
beziehen lassen. Das Thema „der dreieinige Gott" wird auf
Grund von Predigten am Trinitatisfest entfaltet, mit besonderer Betonung
des Schriftbeweises, z. B. das Verhältnis von Gen 1 und Joh 1.
Dazu werden auch Predigten herangezogen, die die Trinitätslehre aus
der Taufe heraus entfalten. Schlußbemerkungen oder Zusammenfassungen
werden am Ende der Kapitel angeboten. Zum Thema „Schöpfung
" verwendet der Vf. Predigten, die sich mit der Unterscheidung
der beiden Regimente befassen. Das Kapitel „Jesus Christus" bearbeitet
Predigten des Kirchenjahres: Advent, Weihnachten, Passion, Auferstehung
, Himmelfahrt, Jüngster Tag. Der theologische Ertrag
beschränkt sich auf die Zweinaturenlehre, die communicatio idioma-
tum und das Amt Christi, mit einer Zusammenfassung der Christolo-
gie Luthers im Rahmen der Tradition. Das Thema „Heiliger Geist"
beruht auf Predigten über die Herrschaft Christi durch den Geist, über
Rechtfertigung und Wiedergeburt, über die Kirche, über das allgemeine
Priestertum und das besondere kirchliche Amt und über die
Sakramente. Das Kapitel über „das Wort Gottes" konzentriert sich
auf das erste Gebot, Gesetz und Evangelium, und die Autorität der
Schrift. Die Arbeit an den Predigten zum Thema „Anthropologie" ergibt
Schlußfolgerungen über die Bedeutung des Glaubens, besonders
des rechtfertigenden Glaubens, über das Gebet und über die Liebe.

Im Eingangskapitel über „Aufgabe und Methode" offeriert der Vf.
Überlegungen darüber, warum und wie er die Predigten als Grundquellen
der Theologie Luthers betrachtet, warum Luthers Theologie
„Predigt im eminenten Sinne" sei. Es sei ein wesentliches Defizit der
bisherigen Lutherforschung, daß man sich vornehmlich an die initia
Luthers hielt und das Besondere seiner Theologie von dieser Sicht her
hermeneutisch zu erfassen versuchte (wie z. B. E. Bizer und G. Ebeling
es getan haben). Dies aber sei nur eine Möglichkeit, sich der
Theologie Luthers zu nähern. Eine andere, bessere Möglichkeit sei
eine im Ansatz der sprachanalytischen Philosophie verankerte Darstellung
, im Gegensatz zu einer Darstellung, die einer durch Dilthey,
Heidegger und Gadamer vorgegebenen Philosophie verhaftet ist. Der
Vf. beschreibt diesen sprachanalytischen Ansatz im Sinne von
Nygrens „logischer Voraussetzungsanalyse" als „eine Methode der
Querverbindungen". Luther sei im Sinne Kants von einer „intuitiven
" (im Gegensatz zu einer „diskursiven") Urteilskraft her zu verstehen
, die vom Synthetisch-Allgemeinen zum Besonderen geht, d. h.,
vom Ganzen zu den Teilen. „Das Wahre ist das Ganze" (Hegel). So
gesehen sei es klar, daß Luthers Theologie wesentlich vom trinita-
rischen Thema her bestimmt sei. Luthers Theologie sei ein Bezugssystem
mit mehreren Variablen, wobei der Bezug zur Heiligen
Schrift die Hauptvariable sei. Jede einzelne Predigt enthalte die ganze
Schrift in nuce, und die ganze heilige Schrift sei in der Ausrichtung der
Auslegung auf das solus Christus zu verstehen. Der Vf. meint, daß
Luthers Predigten so aufgebaut sind, wie es J. S. Bach in der „Kunst
der Fuge" dargestellt hatte. „So ist das Ganze unter den trinitarischen
Voraussetzungen immer mit seinen charakteristischen Querverbindungen
präsent, die bei Luther die diskursive Entwicklung der Gedanken
auch in den Predigten als ein sozusagen querlaufendes Muster
durchdringen und so das Ganze in den Teilen immer präsent sein lassen
." So gesehen sind Luthers Predigten das Summarium seiner
gesamten Theologie und können nicht als eine von der systematischen
Theologie abgesonderte „praktische Theologie" betrachtet werden.

Eine linear operierende loci-Methode würde Luthers Theologie nicht
gerecht, da seine Theologie den Charakter einer Flächenstruktur
habe. Sie ist „eine Theologie wechselseitiger Verschränktheiten" und
„eine Verschmelzung verschiedenster Elemente, wobei das Ganze in
seinen Teilen ständig präsent ist."

Im Schlußwort des Buches vergleicht der Vf. das Neue an seiner
Methode mit der Geschichte der Physik. Das zu Leistende sei mit dem
zu vergleichen, was der Quantenmechanik in der Physik abverlangt
wurde, um ihr Anliegen der klassischen Mechanik gegenüber zu
begründen. Es wäre genau so verfehlt, Luthers Theologie mit den Mitteln
der aristotelischen Logik darzustellen wie die Quantenmechanik
mit den Mitteln der klassischen Mechanik. Daher müßte die Lutherforschung
ganz neue Wege gehen, um die Theologie Luthers systematisch
zu erfassen. Seine Predigten, so meint der Vf., weisen den Weg zu
einer solchen Erfassung.

Das Buch ist ein hilfreicher Beitrag zur Lutherforschung, weil es
zum ersten Mal eine zusammenfassende Darstellung der Predigttheologie
Luthers bietet. Ob diese Predigttheologie der beste Einstieg in die
Theologie Luthers ist, ist eine Frage, die erst sicher beantwortet werden
kann, wenn die Situationsbeziehung und Überlieferungsgeschichte
aller Predigten einer kritischen Analyse unterzogen worden
sind. Ob alle Predigten Luthers sich auf die vom Vf. angezeigten her-
meneutischen Nenner bringen lassen, bleibt fraglich angesichts der
vielfältigen seelsorgerlichen und zeitlichen Situationen, die Luthers
Predigten bestimmen. Alle noch so schöpferischen hermeneutischen
Versuche, Luthers Theologie in ein von modernen Gesichtspunkten
bestimmtes Schema einzuordnen, müssen sich vor der alten Weisheit
der historischen Forschung beugen, daß es darauf ankommt, die Texte
sprechen zu lassen, um von ihrer Sache her die Kriterien zu erfassen,
die ihren Inhalt bestimmen. Der Vf. hat gezeigt, wie wichtig es ist. die
Predigten Luthers in eine systematische Sicht seiner Theologie einzuordnen
. Die damit verbundenen methodischen Fragen und Antworten
sollten in der Lutherforschung lebhaft erörtert werden.

Gettysburg Eric W. Gritsch

Lecler, Joseph, Holstein, Henri, Adnes, Pierre, u. Charles lefebvre:
Trient II. Aus dem Franz. von F. Kolbe, Überarb. u. Übers, d.
Texte im Anh. von H.-J. Sieben. Mainz: Grünewald 1987. 770 S. 8'
= Geschichte der ökumenischen Konzilien, 11.

Ganze neun Jahre nach dem Erscheinen des ersten Teiles der Darstellung
des Konzils von Trient in der Reihe „Geschichte der ökumenischen
Konzilien" liegt nun auch der zweite Teil vor. Allerdings sei
sogleich hinzugefügt, daß die französische Originalausgabe bereits
1981 erschien. Der große Abstand geht also in erster Linie auf das
Konto dieser Übersetzung.

Die Verfasser sind (die Gesamtübersicht über die Reihe auf der
hinteren Umschlagklappe bringt immer noch die Uraltinformation:
„Trient [2. Teil] von A. Duval OP"!) dieselben: Joseph Lecler, Henri
Holstein und Charles Lefebvre, dazu tritt jetzt noch Pierre Adnes. Nur
eine knappe Übersicht auf der Titelrückseite verrät, wer für welchen
Teil des Buches die Verantwortung trägt. Danach stammt über die
Hälfte des Textes von Joseph Lecler. Die besonderen kirchenrechtlichen
Passagen schrieben Henri Holstein und Pierre Adnes. während
Charles Lefebvre die Kapitel lieferte, die die Reform der Kirche
betreffen. Obwohl der Text somit aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt
wurde („Gesamtkoordination" von Gervais Dumeige), erscheint
er durchaus einheitlich. Nur gelegentlich merkt man der Art
der Bearbeitung an, daß verschiedene Hirne und Hände am Werke
waren.

Das Werk setzt ein bei dem Ereignis, das die Wiederaufnahme des
Konzils - nach dessen Verlegung von Trient nach Bologna im März
1547 und der Auflösung des dort weiterarbeitenden Restkonzils im
Herbst 1548 - überhaupt erst möglich machte: bei der Wahl des früheren
Konzilslegaten Del Monte zum Papst (Julius III.) im Februar