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Ausgabe:

1989

Spalte:

598-599

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Betz, Hans Dieter

Titel/Untertitel:

Der Galaterbrief 1989

Rezensent:

Hübner, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 8

598

Bruce. I F.: The Book of the Acts. Revised Edition. Grand
Rapids, MI: Eerdmans 1988. XXIII, 541 S. gr. 8' = The New International
Commentary on the New Testament. Lw. £ 19.50.

Für den New International Commentary on the N. T. hatte Bruce,
Professor für Bibclkritik und Exegese in Manchester, 1954 die
Apostelgeschichte bearbeitet. Inzwischen zum Gesamtherausgeber
der Reihe geworden, hat er auch die Kommentare zu Kol, Phlm und
Eph in dieser Reihe betreut. Jetzt legt er eine revidierte Fassung des
Acta-Kommentars vor. Die Übersetzung ist neuerdings eigenständig.
Der Einleitung (5-17) folgt eine Bibliographie (17-27), am Schluß
stehen Sach-, Autoren- und Stellenregister, am Anfang (xix-xxiii) ein
Abkürzungsverzeichnis. Der Übersetzung folgt die versweise Auslegung
, und nur gelegentlich werden dieser Überlegungen zu besonderen
Problemen vorangestellt. Bei gehalten konservativer Art ist
Bruce aufgeschlossen für neuere Anstöße. Er informiert über Textprobleme
und abweichende Thesen, hier besonders im englischsprachigen
Raum, und ist so eine solide Informatinsquelle. Bisweilen
spürt man den Fortschritt über W. M. Ramsay und The Beginnings of
Christianity 1933 (F. J. Foakes-Jackson und K. Lake) hinaus; Anregungen
besonders von M. Dibelius, H. Conzelmann, E. Käsemann,
E. Haenchcn, W. C. van Unnik und J. Munck werden aufgenommen.
Die jüngsten Kommentare sind wenigstens noch im Literaturverzeichnis
aufgeführt worden. Sie konnten aber nicht mehr berücksichtigt
werden (Vorwort xvi).

Einleitungsfragen stehen nicht im Vordergrund. Über die Abfassungszeit
heißt es S. 12: "within the Flavian period (A. D. 69-96).
Possibly about the middle of the period". Die alten Säulen der
Christenheit, Paulus, Petrus und Jakobus von Jerusalem waren bereits
tot(S. 12). Der Abstand zwischen Paulus und dem Paulusbild ist spürbar
: "Paul no doubt is Luke's hero. And this fact goes far to explain
the differences between the impression which Luke gives of Paul's
Personality and that which we reeeive from Paul's own letters" (15).
Namen werden, wenn möglich, erklärt und mit altkirchlichen Hinweisen
konfrontiert (z. B. 40 Anm. 47 zu Alphäus und Klopas; 497
Melita/Malta = "refuge"). Streitfragen (4Jfi Waren Jesu Brüder Stiefbrüder
?) werden anhand der nötigen Texte erläutert. Das geschieht im
Paulusbericht öfter durch die Zusammenstellung mit paulinischen
Zitaten. Gelegentlich (z. B. 498 bei Malta)denkt B. an luk. Humor.

Manchmal fühlt man sich an die Zeit der Quellenkritik erinnert,
weil der Autor dem Text historisches Gewicht beimißt, wo man das
nicht erwartet. S. 57 hält er Tür möglich, "that the Roman church,
whosc origins are so obscure, may go back to some of those" (gemeint
sind die Apg 2 aufgelisteten Besucher der Gottesstadt aus Rom). Die
Hörer könnten ja das Evangelium in ihre Heimatstadt mitgenommen
haben! (Aber Apg 2 nimmt eher einen Katalog auf, der mehr über die
Arbeitsgebiete der Christenheit zur Zeit eines Lukas verrät^ls über die
Anfänge.) Aus der Stelänusverfolgung sollen später genannte Gemeinden
entstanden sein: "The nucleus of this Community was doubtless
formed of fugitives from the persecution in Jerusalem" (197 für
Lydda; 398 für Thyrus). Auch die Gemeinde in Damaskus bestand
"ach S. 181 aus "refugees from Jerusalem, not native Damascene
disciples". Hier wird also ein lukanischer, redaktioneller Gedanke zur
historischen Faktizität. Nur selten führt die Paraphrase zu romanhaften
Steigerungen, etwa bei Apg 16 (317): Der Gefängniswärter
kann in der Finsternis innen nichts erkennen, während die Gefangenen
von innen her "see his figurc silhouetted in the doorway and could
see what he was about to do". Paulus und Silas waren nicht nur selbst
"och da, "they had apparently restrained the other prisoners also";
fnd so sperrt der Wärter diese anderen Gefangenen rasch wieder ein,
ehe er sich den Missionaren widmet. In Wirklichkeit interessiert sich
die alte volkstümliche Erzählung, anders als gewisse moderne Leser,
•ur die nebensächlichen Gefangenen nicht. Oder Demetrius Apg 19.
"a prominent member of the guild of silversmiths" heißt "probably
their President" (375). Wieso probably? Lösen Ressortleiter Revolten
aus?

Aus der Frage nach den Quellen erklärt sich auch die Suche nach
Informanten. War Philippus einer? (121 Anm. 9 und besonders 400.
wo der Wir-Stil von Apg 21,8 auf persönliche Kenntnis ausgelegt
wird). Die Tradition vom Arzt Lukas spielt S. 500 eine Rolle. Lukas
zeigt nach Bruce (121) ein "special interest" für das syrische Antio-
chia (Grund: Apg 6,5 nennt einen der Sieben „einen antiochenischen
Proselyten"); denn er "was a native of Syrian Antioch" (230 unter
Verweis auf die anti-marcionitischen Prologe). So gilt auch der
Wir-Stil als Beleg für die Beteiligung des Lukas (308: im „wir" stecke
das „ich" der beiden lukanischen Prologe). So wird die Miletrede zum
"farewell speech". "Luke may well have heard it; if so, he could bc
reproducing its gist from memory " (388). Aus gleichem Grund gehört
Agabus zu den historisch wertvollen Personen (401), und die letzte
Seereise (4761) läßt Schlüsse über Lukas zu, tür Caesarea und Rom
(503).

Im allgemeinen vermittelt Bruce jedoch ein zuverlässiges Bild.
Lukas schreibt für Jerusalem "an ideal pictures of this new
Community" (73 zu Apg 2,42), "no doubt idealized, but it is not over-
idealized" (104 zu Apg 5 Vorbemerkung). Zu Apg 3,22f macht Bruce
auf drei dort verwertete Christologien aufmerksam (Davidsohn,
"Servant" und Elia); sie seien verschiedener Art. aber nicht notwendig
aus verschiedenen Gruppen übernommen. Daß Petrus, wie
die Tübinger Schule meinte, judaisiert habe, hat (mit K. Lake: 290)
keine Basis. Apg 15 und die paulinische Darstellung des Apostelkonvents
"were not the same" (284). Auch wenn "some such
intention is rightly traced in Stephen's language here". so besteht doch
kein Zweifel, daß Lukas damit auf die Heidenmission vorbereiten
wollte (149 und 157). Die "more common" Position, wonach die
Petrus- und Paulusreden der Acta "are Lukan composition" (261),
gilt nicht als endgültig. Bruce (etwa 213 zu Apg 10,360 zielt lieber
(Begründung: mehr Aramaismen als sonst in Petrusreden des Lukas)
auf das Ergebnis, "that the speech is not Luke's free invention. but a
rather litcral reproduetion of what he found in his source". Unter Verweis
auf M. Dibelius (342) wird die hellenistische "presentation" der
Athen-Rede hervorgehoben (341); deren "essential content... is
biblical".

Im ganzen handelt es sich um eine gute Zusammenfassung dessen,
was im anglikanischen Raum gegenwärtig zur Apostelgeschichte gesagt
wird. Redaktions- und gar Traditionsgeschichte stehen noch
außerhalb des Gesichtsfeldes.

Borsdorf Gottfried Schille

Bctz, Hans Dieter: Der Galaterbrief. Ein Kommentar zum Brief des
Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien. Aus dem Amerik.
übers, und für die deutsche Ausgabe redaktionell bearb. von S. Ann.
München: Kaiser 1988. VI. 596 S. gr. 8" = ein Hermeneia-
Kommentar. Lw. DM 148.-.

Der Galaterbriefkommentar von Bctz in der amerikanischen
Hermeneia-Reihe schien mir von so großem methodologischem Gewicht
, daß ich inThLZ 109, 1984; 241 ff nicht nur eine Rezension von
normalem Umfang geschrieben, sondern diesem Werke einen längeren
Aufsatz gewidmet habe. Das Verdienst des Autors besteht ja darin,
den Gal nach den Grundregeln der antiken Rhetorik ausgelegt und als
apologetischen Brief im Sinne des genus iudiciale bestimmt zu haben.
Sicherlich bleiben in diesem Zusammenhang Fragen an den Autor;
aber in grundsätzlicher Hinsicht habe ich ihm damals zugestimmt.
Und ich bin seither, je länger ich mich mit dieser Materie beschäftige,
nur um so sicherer in dieser Zustimmung geworden. Freilich bleibt
sein Ergebnis in der gegenwärtigen exegetischen Diskussion umstritten
. Erfreulich ist. daß nun eine deutsche Übersetzung vorliegt,
angefertigt von Sibylle Ann. Diese Übertragung ins Deutsche ist sowohl
in sachlicher als auch in sprachlicher Hinsicht eine ausgezeichnete
Leistung, wie ich anhand von ausgewählten Stichproben, bei
denen ich das amerikanische Original und die deutsche Übersetzung
sehr genau miteinander verglichen habe, feststellen konnte.