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Ausgabe:

1989

Spalte:

595-596

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Nicholson, Godfrey C.

Titel/Untertitel:

Death as departure 1989

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 8

596

§7-13 in beeindruckender Gründlichkeit jedes einzelne der hier vorkommenden
Motive.

Vf. beschränkt sich bei seinem intensiven Eingehen auf das AT keineswegs
auf ein Referat der Forschungsergebnisse anderer, sondern leistet teilweise
durchaus eigenständige und sehr erhellende Beiträge, und da, wo er „nur" referiert
, geschieht das mit einer hilfreichen Profilierung des Wesentlichen. Es gelingt
ihm so der Nachweis eines einheitlichen Verstehenshintergrundes für alle
Einzelzüge dieser Erzählung, die er zuvor als literarische Einheit nachgewiesen
hatte. Für das rätselhafte dnexet V. 41 a wird dabei (S. 209-215) nachgewiesen,
daß es sich um Jesu Erkenntnis nach seinem Gebet handelt: „Er (seil. Gott) ist
fern."

Den Abschluß bildet ein 4. Hauptteil (Zusammenfassende Auslegung
), der § 14 auf den Ort der Perikope im Evangelium eingeht
(S. 233-236) und § 15 abschließend bündelt unter dem Thema „Die
Krisis des Gottessohnes - Theologische Deutung von Mk 14,32-42"
(S. 237-252). Hier scheint mir (auch im Genus der Rede) nicht genügend
berücksichtigt zu sein, daß die Markuspassion eine Deutung
neben der der anderen Evangelien ist.

Unverkennbar ist das Bemühen des Vf., an der Gethsemaneerzählung
als einer im wesentlichen tatsächliche Geschichte deutenden
Erzählung festzuhalten. Dazu muß er auch den Menschensohn-
titel V. 41 als historisch im Munde Jesu möglich erweisen. Seine
Argumente reichen hier jedoch nicht aus.

Er bemerkt S. 139 lediglich: „Es kann hier nicht das Menschensohnproblem
verhandelt werden. Es erscheint mir jedoch kaum glaublich, daß man die atl.
Bannformel sekundär auf das Verhältnis von Vater und Sohn anzuwenden
wagte." Entsprechend beschränkt Vf. sich S. 225 ff auf eine Analyse der Bedeutung
des Titels „Menschensohn" im Markusevangelium. Nicht von ungefähr
dürfte die Studie von Paul Hoffmann (Mk8,3l. Zur Herkunft und marki-
nischen Rezeption einer alten Überlieferung (in: ders. [Hg.): Orientierung an
Jesus. Zur Theologie der Synoptiker. FS J. Schmid. Freiburg/Basel/Wien 1973,
S. 170-204) trotz der im übrigen vorbildlichen Berücksichtigung der Sekundärliteratur
nicht erwähnt sein. Sie hätte es Vf. schwerlich ermöglicht, nur seiner
theologischen Neigung entsprechend so unkritisch Historizität zu behaupten.
Das berührt freilich die fundamcntaltheologische Frage, wie wir in Glaubensdingen
von Wirklichkeit sprechen können, ohne diese in fataler Weise mit
historischer Faktizität in eins zu setzen.

Mein positives Urteil über die Arbeit gilt jedoch, abgesehen von
diesen m. E. verfehlten Bemühungen des Vf., uneingeschränkt seiner
hervorragenden Leistung auf der literarischen Ebene, und hier insbesondere
im Blick auf die markinische Redaktion. Fragen möchte ich
nur, ob der Todesschrei Jesu Mk 15,34 wirklich meint, daß Jesus
allem Preisgegebensein zum Trotz „dennoch an dem ihn verlassenden
Gott als ,mein Gott, mein Gott' festhält" (S. 140 u. ö.). Ich empfinde
diese Deutung als Fremdkörper gerade auch in der übrigen so überzeugenden
Analyse der Krisis des Gottessohnes, die wir dem Vf. verdanken
. Oder stehen auch bei der Interpretation dieser exegetischen
Einzelheit wieder fundamentale Glaubensfragen auf dem Spiel?

Münster Alfred Suhl

Nicholson, Godfrey C: Dcath as Departurt. The Johannine Descent-
Ascent Schema. Chico, CA: Scholars Press 1983. XVIII, 231 S. 8° =
SBL Dissertation Series, 63. Kart. $ 10.50.

Seit Ernst Käsemann im Jahr 1966 in seiner Studie „Jesu letzter
Wille nach Johannes 17" erneut die Frage nach dem Stellenwert des
Todes Jesu im Rahmen der Christologic des Johannes-Evangeliums
(Joh-Ev) zur Diskussion gestellt hat, ist der Streit um die Eigenart der
johanneischen „Kreuzestheologie" nicht zur Ruhe gekommen. Auch
das vorliegende Buch, eine philosophische Dissertation der Vander-
bilt University vom Jahr 1980, ist dieser Fragestellung gewidmet und
gibt - wie bereits der Titel erkennen läßt - in dieser Hinsicht eine eindeutige
Antwort: "Death as Departure", d. h.: Der Tod Jesu wird im
Joh-Ev als ein intergrierender Bestandteil der Rückkehr Jesu zum
Vater verstanden (S. 8) und damit zugleich ganz in den Rahmen des
für die johanneische Christologic grundlegenden „Desccnt-Ascent
Schema" (DAS) eingezeichnet.

Diese im Rahmen des Neuen Testaments gänzlich eigenartige,
'spezifisch johanneische Sicht vom Tod Jesu gewinnt der Vf. aus einer
im einleitenden Kapitel I (S. 1-19) begründeten „synchronen" Betrachtung
(vgl. dazu bes. S. 13ff), unter der Voraussetzung also, daß
die Kapitel 1-20 des Joh-Ev eine einheitliche, in sich konsistente
Textebene darstellen, auf deren Grundlage allein eine sachgemäße
Antwort auf die anstehende Frage gegeben werden kann (S. 13: "This
study proeeeds on the basis of the hypothesis that Jn. 1-20, in its
entirety and in its present order, is the composition of the Evangelist";
vgl. S. 60- Entgegen einem Für die gegenwärtige Auslegung bestimmenden
Trend wird also im Joh-Ev nicht zwischen Tradition,
Interpretation und Redaktion unterschieden und dementsprechend
auch die religionsgeschichtliche Frage, wie sie sich besonders im
deutschsprachigen Raum mit dem (gnostischen?) Schema vom „Abstieg
und Aufstieg des Erlösers" verbunden hat, bewußt ausgeblendet.
Demgegenüber gilt vielmehr der Grundsatz: "the text is selfcontained
and must. . . be allowed to interpret itself" (S. 18). Dementsprechend
wird in den folgenden Kapiteln verfahren, die die bereits genannte
Grundthese des Buches im einzelnen ausführen und begründen. Zentrale
Bedeutung dafür haben vor allem die Kapitel II und III: Kap. II
(S. 21-74), indem hier die grundlegende Bedeutung des DAS für
Christologic (S. 51 ff) und Glaubensverständnis (S. 63ff) im Joh-Ev
aufgewiesen und zugleich dargelegt wird, daß sich von diesem Schema
her ein Zugang zur literarischen Struktur dieses Evangeliums ergibt
(S. 23ff). Kap. III (S. 75-144), indem hier die sogen. "Lifting Up
Sayings", d.h. die Erhöhungsaussagen in Joh 3,14; 8,28 und
12,32-34, untersucht und ihrerseits wiederum dem zuvor entfalteten
DAS zugeordnet werden. Das Kapitel IV (S. 145-160), das unter der
Überschrift "Some Related Issues" die johanneische Redeweise von
der „Stunde" Jesu und von seiner „Verherrlichung" sowie das Logion
vom „Weizenkorn" (Joh 12,24) erörtert, hat demgegenüber nur noch
einen ergänzenden bzw. das im übrigen eindeutige Gesamtbild abrundenden
Charakter. Kapitel V (S. 161-168) schließlich bringt
"Summary, Conclusions, Projections" und betont noch einmal nachdrücklich
, in welchem Maße sich in dem Verständnis des Todes Jesu
im Rahmen des DAS im Joh-Ev ein Prozeß der Kommunikation
zwischen dem Evangelisten und bestimmten Fragestellungen der
johanneischen Gemeinde darstellt: "Our investigation of the DAS
showed that this Schema is used by the Evangelist to create, or rein-
force, the distinetive beliefs of the johannine Community, over against
Wehanschauung that is represented by the characters in the story
called 'the Jews'" (S. 162).

Aufs Ganze gesehen ist die in dieser Studie vorgetragene Sicht der
Einbeziehung des Todes Jesu in ein bestimmtes christologisches
Grundschema in sich stimmig und überzeugend, als solche - was
jedenfalls ihre Grundrichtung betrifft - freilich auch nicht gänzlich
neu; neuartig ist allenfalls die Konsequenz, mit der hier vermittels
einer synchronen Betrachtungsweise die Eigenart der johanneischen
Sichtweise vom Tod Jesu ans Licht gerückt wird. Wenn dann freilich
abschließend die Vermutung geäußert wird, "that the johanninc
epistlcs will show evidence of the collapse of the grand design of the
Fourth Evangelist: within a generation or two of its writing, the
Fourth Evangelist's Gospel had been misunderstood and had become
the focal point of the fragmentation of his Community" (S. 1670.
kommt schließlich auch wieder die sonst in diesem Buch gänzlich ausgeblendete
„diachrone" Betrachtungsweise zu ihrem Recht, und dies
nicht nur im Blick auf das Verhältnis zwischen Joh-Ev und Johannesbriefisn
, sondern auch hinsichtlich des Verhältnisses der eigentümlich
johanneischen Sichtweise und den im übrigen urchristlichen Schrifttum
vorgetragenen ganz andersartigen Sichtweisen vom Tode Jesu
(S. 168). So gesehen wirft die in diesem Buch begründete These ihrerseits
wiederum weitergehende Fragen auf. Wenn es aber hier nach der
erkärten Absicht des Vf. zunächst allein darum ging, das Joh-Ev selbst
mit seiner eigenen Stimme zu Wort kommen zu lassen (S. 9 und
S. 16), so hat die vorliegende Studie ihren Zweck ohne Frage erfüllt.
Rostock Hans-Friedrich Weiß