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Ausgabe:

1989

Spalte:

587-589

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Niehr, Herbert

Titel/Untertitel:

Herrschen und Richten 1989

Rezensent:

Sauer, Georg

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Seite 1, Seite 2

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587

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 198-9 Nr. 8

588

von v. Rad herausgestellten geschichtstheologischen Deutestellen
2Sam 11,27b; 12,15b; 12,24b25 und 17,14b. Um diese richtig
einordnen und werten zu können, wird zunächst ein Überblick über
die Forschungsgeschichte gebracht, von L. Rost bis zur Gegenwart, in
der die Frage nach der Intention neu gestellt worden ist und von der
Redaktionskritik aus nach Lösungen gesucht wird. Dann werden die
Erzählungskomplexe, innerhalb derer die Aussagen über Jahwes Geschichtslenkung
stehen - 2Sam 11-12 und 2Sam 16,15-17,23* -,
gründlich untersucht. Die Ergebnisse gehen über bisher Erforschtes
hinaus. Dieser Teil der Arbeit von W. Werner, die im übrigen auch
sonst manches Beachtenswerte bietet, ist eine abgerundete Leistung.

Berlin Ludwig Wächter

Niehr, Herbert: Herrschen und Richten. Die Wurzel spt im Alten
Orient und im Alten Testament. Würzburg: Echter 1986. XII,
458 S. gr. 8* = Forschung zur Bibel, 54. Kart. DM 56,-.

Das anzuzeigende Werk ist die im Druck vorliegende Dissertation
des Vf. aus dem WS 1984/85, die unter der Leitung von Josef Schreiner
und mit dem Korreferat von H. F. Fuhs von der Katholisch-theologischen
Fakultät der Universität Würzburg angenommen worden
war. Das Forschungsvorhaben ging von der Fragestellung aus, das
Richteramt Gottes im Alten Testament näher beschreiben zu wollen.
Der heutigen Forschungslage entspricht es, daß dadurch eine umfangreiche
Untersuchung zustande kam, die die Wurzel spt in ihrer weitverzweigten
Verwendung und Bedeutung betrachtet. Unsere Zeit
neigt dazu, die vielen Materialien der vergangenen Jahrzehnte aufzuarbeiten
. Es genügt oft ein einziger Begriff, eine weit ausladende
Untersuchung reichlich mit Fakten zu versorgen. Daß die vorliegende
Arbeit nicht nur sprachgeschichtliche Ergebnisse aufweist, sondern
auch historische, geistesgeschichtliche und theologische, liegt an der
Durchführung der Dissertation und an dem Wort selbst, das untersucht
wurde.

Der Gang der Darlegungen entspricht bester wissenschaftlicher
Tradition. Der Abriß der Forschungsgeschichte (S. I-18) wird so dargeboten
, daß daraus neue Gesichtspunkte abgeleitet werden können,
die den Gang der Arbeit im voraus skizzieren. Diese Gesichtspunkte
sind: 1. die Frage nach der Etymologie, 2. die semantische Unterscheidung
der Aspekte ,,Bedeutung" und „Bezeichnung", 3. die Betonung
der Wichtigkeit der synchronen und diachronen Darstellung, 4. die
reichhaltige Berücksichtigung des außerbiblischen Materials und 5.
das Eingehen auf die unterschiedlichen thematischen Kontexte
(S. 14L). Dem entspricht nun auch die Anlage der Arbeit.

Am Anfang steht die Frage nach der Etymologie. Im Unterschied zu
früheren Forschungstendenzen wird nun wieder Wert auf die Erhebung
dieses Sachverhalts gelegt. Sicher ist bei der Verwendung eines
Wortes stets der Kontext von Bedeutung, man hat aber einsehen
gelernt, daß die etymologische Ableitung nicht unerheblich ist. Es
ergibt sich daraus immerhin die Erkenntnis, „daß in den Wurzeln spt
und spd und swd Elemente einer gemeinsamen Wortfamilie zugrunde
liegen, die den Bereich des Redens und Sprechens zum Ausdruck
bringt" (S. 24). Es handele sich um ein verbum dicendi. „Die mehrfach
für spt angenommenen Grundbedeutungen .richten' und .herrschen
' stellen demgegenüber schon Differenzierungen der Grundbedeutung
aufgrund einer semantischen Entwicklung der Wurzel,
bedingt durch ihre Verwendung in unterschiedlichen Kontexten,
dar" (ebd.). Ein weiteres Ergebnis dieses ersten Untersuchungsganges
ist daß auf die westsemitische Provenienz der Wurzel spt zu schließen
sei(S. 19).

Im folgenden großen zweiten Hauptteil werden philologischsemantische
Analysen geboten (S. 25-337). Es steht die Behandlung
des Sachverhalts im Alten Orient am Anfang (S. 25-78), gefolgt von
der umfangreichen Darbietung des Stoffes aus dem Alten Testament
(S. 79-312) und in der Qumranliteratur (S. 313-337). Die Untersuchung
wird stets übersichtlich und klar vorgetragen. Am Ende eines
jeden Abschnittes steht eine übersichtliche Zusammenfassung der

Ergebnisse. Diese sind nun so reich und differenziert, daß sie unmöglich
hier in extenso vorgetragen werden können. Nur soviel: Bei den
vermutlich ältesten Texten aus Mari steht „der Vollzug eines autoritativen
Aktes" im Vordergrund. „Eine Beschränkung nur auf den forensischen
Bereich läßt sich für die Verwendung der spt-Derivate dabei
nicht rechtfertigen". (S. 40f) Des weiteren werden die altbabylonische
Zeit, die eblaitischen Texte, die aramäischen, die phönizisch-puni-
schen und die südwestsemitischen Texte behandelt.

Bei der Behandlung der alttestamentlichcn Belegstellen beschreitet
der Vf. einen interessanten Weg. Er versucht nämlich von vornherein,
die Bezeugungen chronologisch zu gliedern. Im Zuge dieses Ansatzes
teilt er die Texte ein in solche, die der Zeit entstammen, die mit den
Königen Israels beginnt und bis zum Ende des Nordreichs reicht. Der
zweite Zeitraum umfaßt die Periode zwischen dem Ende des Nordreiches
und dem Exil, der dritte Abschnitt behandelt die exilischen
Texte und der vierte demzufolge die nachexilische Zeit. Eine Tabelle
auf den Seiten 79-83 gibt darüber nähere Auskunft. Vom Verbum im
Grundstamm ausgehend, werden alle weiteren Derivate aufgeführt
und extensiv behandelt. Das Ergebnis wird bei jedem Untersuchungsgang
einzeln vorgetragen. Hier wird deutlich, daß das Alte Testament
in den ältesten Texten, also z. B. 1 Sam 7,16, teilhat an der Erkenntnis,
die aus den Bezeugungen von Mari gewonnen werden konnten. Im
weiteren Verlauf der Geschichte wird aber immer mehr an differenzierten
Anschauungen in die Bedeutungsgrundlage eingetragen, so
daß mancherlei Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Verwendung
im forensischen und im sakralen Bereich gezogen werden können.

Der dritte große Hauptteil unterzieht die gewonnenen Ergebnisse
einer Überprüfung, indem „Kontextanalysen" geboten werden
(S. 338-395). Hier wird die Wurzel spt im Kontext der mesarum-
Institution behandelt (S. 338-351), sodann im Kontext der Ordnungsvorstellung
(S. 352-372), im theologischen Kontext (S. 373-386) und
als Element in den Personennamen (S. 387-395). Auch hier werden
umfangreiche Einzelergcbnisse gewonnen, die die ganze Bedeutungsschwere
des untersuchten Begriffes vorführen. Auf den Seiten
396-400 wird dann noch einmal eine Gesamtzusammenfassung geboten
, wobei das Versprechen eingelöst wird, die semantische Entwicklung
der Wurzel spt im Alten Orient und im Alten Testament
nun sowohl in synchroner Weise (S. 396ff.), als auch in diachroner
Weise (S. 397-400) darzustellen. Auch hier würde es zu weit führen,
einzelnes darstellen zu wollen. Es sei nur die Feststellung erlaubt, daß
das Ergebnis der synchronen Darstellung in einem gewissen Umfange
auch der diachronen Betrachtung entspricht. Wenn der Vf. davon ausgeht
, daß „eine immer weitergehende Ausdifferenzierung des forensischen
Verwendungsbereiches der v/)/-Derivate fest(zu)stellen" sei
(S. 396), dann entspricht dies auch dem diachronen Aspekt, durch den
diese Entwicklung aufgrund der bekannten Texte deutlich belegt werden
kann.

Das Literaturverzeichnis ist äußerst reichhaltig, wie es für eine
Untersuchung dieser Art nicht anders zu erwarten war (S. 401-446).
Ihm folgt ein kurzes Abkürzungsverzeichnis (S. 447-448), um die
über das ThWAT hinausgehenden Abkürzungen aufzulösen. Sehr
verdienstvoll ist das abschließende Stellenregister (S. 449-458).

Den besonnen vorgetragenen Ergebnissen läßt sich wenig hinzufügen
. Solide Untersuchungen ermöglichen solide Ergebnisse. Eine
Grundsatzfrage sei aber gestattet: Die Darbietung des Materials,
sowohl des aus dem Alten Orient stammenden als auch des alttesta-
mentlichen, geschieht in chronologischer Reihenfolge. Der Vf. ist sich
der Schwierigkeiten sicher bewußt. Für den alttestamentlichcn
Bereich ergibt sich daraus die Notwendigkeit, umfangreiche litc-
rarkritische Beobachtungen und Überlegungen zusammenzutragen,
che man zu einer Auswertung schreiten kann. Gerade hier aber ließen
sich Fragen anmelden. Wenn auch die genannten vier Zeiträume eindeutig
voneinander geschieden werden können, gibt es doch oft genug
Unklarheiten. Wie stark in der heutigen Zeit die Literarkritik wieder
neu in Fluß gekommen ist, dürfte bekannt sein. Es sei nur an die
Datierung der Pcntateuchqucllen. der jesajanischen Überlieferung