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Ausgabe:

1989

Spalte:

583-585

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hock, Klaus

Titel/Untertitel:

Gott und Magie im Swahili-Islam 1989

Rezensent:

Kirste, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 8

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christlichen Glaubens gebraucht wird, sondern auch in der Religionsgeschichte
, wo oft nicht klar wird, um welchen Sachverhalt es dabei
eigentlich geht. Es ist daher sehr zu begrüßen, wenn sich ein internationales
Kolloquium diesem Thema zuwendet. In St. Augustin sollte
es darum gehen, „vor allem jene Formen der Begegnung von Volksund
Weltreligionen ins Licht zu rücken, die religiöse Weiterentwicklungen
in der Zone des Kontaktes spiegeln und die gemeinhin unter
dem Schlagwort ,Synkretismus' zusammengefaßt werden" (Vorwort
von H.-J. KHmkeit, VII). Dabei hat man sich auf das ,,türkische und
mongolische Zentralasien" beschränkt, wo eine solche Begegnung der
Weltreligionen Buddhismus, Manichäismus und Christentum (nesto-
rianischer Prägung) mit den Volksreligionen stattgefunden hat. Leider
konnte der Islam aus eben diesem Grunde nur am Rande berücksichtigt
werden, doch zahlt sich diese geographische und zeitliche Eingrenzungzweifellosaus
.

Der Band enthält 1,6 Beiträge (manche mit kurzer, zwei -die von U.
Johansen und K. Uray-Köhalmi - mit umfangreicher Bibliographie)
und ein ausführliches Register. Im ersten Artikel (Allgemeines)
widmet sich R. J. Zwi Werblowsky der sachlichen und begrifflichen
Klärung von „Synkretismus". „Synkretismus findet statt, wo immer
(und einerlei auf welche Weise) Kulturkontakt stattfindet" (2). Das
gilt in besonderer Weise für Zentralasien, wo sich Völker, Kulturen
und Religionen vielfach begegneten, einander ablösten, überlagerten,
vermischten (vgl. 207). Auch der Begriff „Schamanismus" wird oft
recht willkürlich gebraucht und auf alle möglichen Phänomene angewendet
. In ihrem Beitrag „Zur Geschichte des Schamanismus" stellt
U. Johansen klar, daß Sch. keine Religion ist, sondern „das Wirken
von Schamanen" bezeichnet, „das in verschiedenen Religionen vorkommen
kann" (8). Die Studie von A. von Gabain „Maitreya und
Buddha" untersucht den möglichen „Einfluß der iranischen Bewunderung
für Mithra" aufdie Verehrung des Buddha-Maitreya (31).

Die weiteren Beiträge können hier nur genannt werden. Kapitel II „Das
türkische und chinesische Zentralasien" enthält die folgenden vier Aufsätze: A.
Röna-Tas, Materialien zur alten Religion der Türken; W. H age, Das Christentum
der Turlän-Oase. Zur Begegnung der Religionen in Zentralasicn; H.-J.
Klimkcit, Buddhistische Übernahmen im iranischen und türkischen
Manichäismus; H. Schmidt-GIintzer, Das buddhistische Gewand des
Manichäismus. Zur buddhistischen Terminologie in xlcn chinesischen Mani-
chaica. - Sieben Beiträge behandeln in Kapitel III „Das mongolische Zentralasicn
": R. Hamayon, Abuse of the Father, Abuse of the Husband. A
comparative analysis of two Buryat myths of ethnic origin; D. Dumas, Die
„Feuergottheiten" der Mongolen; A.Sarközi, A Bon Funcral Rite in Lamaist
Mongolia; K. Uray-Köhalmi, Synkretismus im Staatskult der frühen
Dschingisiden; W. Heissig, l'admasambhava in der mongolischen Volksreligion
(P. war der erste Reformator des tibetanischen Buddhismus); R.
Kaschewsky, Zur sprachlichen Neuformulierung buddhistischer Aussagen
im Mongolischen; C. R. Ba wden . Shamans, Lamas and Evangelicals in Early
Nineteenth Century Transbaikalia. - Im Kapitel IV „Das tibetische Zentralasien
'* äußert sich G. Uray „Zu den Spuren des Nestorianismus und des
Manichäismus im alten Tibet" (8.-10. Jh.). Der letzte Beitrag (= Kap. V)
..Synkretismus in Zentralasien - eine Zwischenbilanz" stammt von H.-J.
Klimkeit, der abschließend die Erkenntnisse des Kolloquiums über das
Zusammentreffen der genannten Religionen in Zentralasicn unter den wechselvollen
politischen bzw. gesellschaftlichen Verhältnissen in diesem Raum analysiert
.

Wer sich mit Zentralasicn beschäftigt, sollte diese Publikation nicht
übersehen. Erfreulich, daß sich mehrere Frauen unter den Autoren
finden.

Berlin t Karl-Woll'gang Tröger

Hock, Klaus: Gott und Magie im Swahili-Islam. Zur Transformation
religiöser Inhalte am Beispiel von Gottesvorstellung und magischen
Praktiken. Köln-Wien: Böhlau 1987. VII, 214 S., 1 Taf. 8' =
Kölner Veröffentlichungen zur Religionsgcschichte, 12. Kart. DM
48,-.

Mit dem vorliegenden Buch stellt Klaus Hock seine Magisterschrift
vor, die dem Fachbereich Ev. Theologie an der Universität München

vorlag und angenommen wurde. Als Bd. 8 in derselben Reihe, die
von den Rcligionswissenschaftlcrn Michael Klöckcr und Udo
Tworuschka verantwortet wird, war 1986 seine Dissertation. Der
Islam im Spiegel westlicher Theologie, erschienen.

Die Magisterschrift führt uns nun in den Swahili-Islam ein, macht
also eine Begegnung mit dem Islam der afrikanischen Ostküste (den
„Suaheli") möglich. Dies geschieht im Sinne der Herausarbeitung religiöser
Inhalte, die kulturell transformiert werden. Der Vf. beschränkt
sich dabei aufdieGottesvorstcllungen und magische Praktiken.

Um es vorweg zu sagen: Der Leser lernt hier konkret kennen, was
mit den Begriffen Inkulturation und Kontextualität im Blick auf den
Islam in Ostafrika gemeint ist, weil dieser auf traditionale Gesellschaften
und Religionen stößt. (Der Autor vermeidet zu Recht den Begriff
„Stammesreligionen", 6.)

In sorgfältiger Qitellenarbeit (an allerdings im Deutschen leicht
zugänglichen Quellen) geht er zuerst daran zu erläutern, was Swahili
ist; ob als Kriterien die gemeinsamen kulturellen Basiskomponenten
ausreichen (35), bleibe einmal dahingestellt. Damit ist er schon mitten
im /. Kapitel. Immerhin bekommt der Leser einen recht guten Überblick
über den Islam an der Swahili-Küste, und zwar unter Zugrundelegung
aller entscheidenden geschichtlichen Faktoren von der vorislamischen
Besiedlung bis hin zur Unabhängigkeit der ostafrikanischen
Staaten. Auch die verschiedenen in Ostafrika neben den Swahili
lebenden Völker werden benannt, um eine Differenzierung zu ermöglichen
.

Im 2, Kapitel (49ff) stellt Hock die Gotteskonzeption im Swahili-
Islam vor, besser würde man eigentlich von Konzeptionen reden,
zumal der zweite Teil dieses Kapitels sich der Frage von Transformationen
überhaupt zuwendet (7911"). Als besonders wichtig stellt sich die
Verbindung des arabischen Gottesnamens (Allah) mit dem swahi-
lischen (Mungu) dar (50ff, 52fl). Sie ermöglicht auch das eigenständige
swahili-islamische Gottesverständnis, das sich in den verschiedensten
magischen Praktiken zeigt, die auch die sog. Passageriten wie
Geburt und Tod umfassen (89fT, 9511', 9911"). Die Fortsetzung liegt in
den magischen Riten auch des Alltags.

Gewisse Schwierigkeiten gibt es - und das muß bereits hier gesagt
werden -, wenn man wie Hock von magisch-religiösen Praktiken
spricht. Sehr früh (6) erläutert Hock zwar schon seine gewählte Begrifflichkeit
, um später noch einmal darauf zurückzukommen (1430:
trotzdem bleibt sie zu unbestimmt. Dies hat der Vf. eigentlich nicht zu
verantworten, weil in der Wissenschaft die Abgrenzung von Magie zu
Religion überhaupt strittig ist (vgl. RGG3 IV, 595-601); gerade aber
von Hocks Ansatz her wirkt das Wort „magisch-religiös" wie eine
Verdoppelung der Intention, die er herausstellt, nämlich daß Magie
zur Religion gehört (vgl. grundlegend in dieser Richtung M. Eliade.
aber auch E. Dammann). Hier läßt sich auch gut ein Hinweis aufdie
Reserve Hocks gegenüber europäischen Gotteskonzeptionen vermerken
, die in Hochgottvorstellungen münden und entsprechende Transformationen
in den Gottesvorstellungen der Völker sehen (79IT, bes.
82).

Im 3. Teil des 2. Kapitels konzentriert sich Hock aufdie magischen
Spezialisten (131 fl"), um im 4. Teil schließlich nach dem theologischen
Ort von Gotteskonzeption einerseits und magischer Praxis
andererseits im Swahili-Islam zu fragen. Die dort entwickelte Definition
einer Theorie des Bösen für die Magic wirkt bestechend (145film
3. Kapitel schließlich bündelt der Vf. das bisher Gesagte unter den
Aspekten von Kompatibilität und Souveränität Gottes (153). Dabei
kommen ganz konkret die Fragen der Ausbreitung des Islam noch einmal
unter dem Aspekt islamischer Mission zur Sprache (15911", vgl.
schon oben S. 27 die dort genannten vier Phasen der Ausbreitung); der
Zusammenhang von Christentum und Islam in ideologischer Spannung
und dialogischer Begegnung im Kontext der Kolonisation von
Europa aus eröffnet einige Ausblicke in die gegenwärtige Situation.
Schließlich muß Hock auch noch die Verbindung Politik, Nationalstaatlichkeit
und „Islamismus", also die Fragen der (Re-)lsla-
misicrung ansprechen. Dies geschieht allerdings erstaunlich kurz.