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Ausgabe:

1989

Spalte:

579-581

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bock, Ernst

Titel/Untertitel:

Adolf-Schlatter-Archiv 1989

Rezensent:

Neuer, Werner

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579

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 8

580

Allgemeines, Festschriften

[Schlatter, Adolf:] Adolf-Schlatter-Archiv. Inventar. Erstellt von E.
Bock. Als Manuskript gedruckt. Stuttgart: Landeskirchliches
Archiv/Adolf-Schlatter-Archiv 1988. XXI, 248 S. 4° = Landeskirchliches
Archiv Stuttgart. Bestand D 40.

Auf den Monat genau 50 Jahre nach Adolf Schlatters Tod erschien
das vorliegende Inventarverzeichnis des Adolf-Schlatter-Archivs. Das
Verzeichnis ist die Frucht der 10jährigen archivarischen Arbeit von
Pfarrer i. R. Ernst Bock (Korntal), der im Auftrag des Evangelischen
Oberkirchenrats der württembergischen Landeskirche seit 1978 nicht
nur den von der Familie zur Verfugung gestellten Nachlaß Schlatters
ordnete, sondern auch durch Suchanzeigen in Zeitschriften, einen
umfangreichen Schriftwechsel und mehrere Reisen eine Fülle neuen
Materials sicherstellen konnte.

Das etwa 1400 Nummern umfassende Inventarverzeichnis gliedert
sich in drei Teile: Nach dem Geleitwort von Archivdirektor D. Dr.
Gerhard Schäfer (III), der die Arbeit des Archivars von Anfang an
begleitet hat, und der Einleitung Ernst Bocks (IV-XXI) erfolgt die
Darstellung des Inventars (1-141), die durch einen ausführlichen
Anhang( 142-248) ergänzt wird.

Das Geleitwort und die Einleitung enthalten nicht nur eine kurze
Würdigung der Bedeutung Adolf Schlatters für Theologie und Kirche,
sondern geben auch einen Überblick über die Geschichte und Vorgeschichte
der Archivarbeit und damit über die Entstehung des Inventarverzeichnisses
. Der Rechenschaftsbericht des Archivars vermittelt
wenigstens einen kleinen Eindruck von der immensen Arbeit, die in
den 10 Jahren archivarischer Tätigkeit geleistet wurde. Besondere
Hervorhebung verdienen in diesem Zusammenhang die Reisen Bocks
nach St. Gallen, Zürich, Keßwil, Bern, Bethel, Berlin und Tübingen,
die durch den Besuch der dortigen Bibliotheken und Archive recht
ertragreich waren.

Der Hauptteil des Bandes, das eigentliche Inventarverzeichnis, ist in
drei Teile gegliedert: Teil I gibt einen Überblick über den von der
Familie übernommenen Bestand (5-69), Teil II über die Neuzugänge
ab Januar 1979 (70-130) und Teil III über die Handakten des Archi-
vars(13l-141).'

. Der von der Familie übernommene Bestand umfaßt in Teil A die
von Schlatter hinterlassenen „Bücher und Druckschriften" (d. h. vor
allem Veröffentlichungen Schlatters), in Teil B „Dokumente und
Manuskripte" und in Teil C Schlatters Briefwechsel. Die Teile B und
C sind für die Schlatter-Forschung von besonderem Interesse, da sie
zum beträchtlichen Teil bislang unveröffentlichtes Material enthalten.

Die in Teil B gesammelten Quellen zur Person Schlatters (Urkunden
, amtliche Schreiben, Kasualreden, drei Reisetagebücher von
Schlatters Palästinarcisc im Jahre 1891, Aufzeichnungen von Freunden
und Verwandten) sind in autobiographischer und biographischer
Hinsicht außerordentlich aufschlußreich. Besonders wertvoll sind
hierbei jene Dokumente und Manuskripte, die Schlatters politische
Haltung vor und nach der nationalsozialistischen Machtergreifung
(einschließlich seiner Stellung zum christlich-sozialen Volksdienst
und zum Kirchenkampf) verdeutlichen (42 f).

Die in Teil B befindlichen wissenschaftlichen Manuskripte bestehen
zum größten Teil aus umfangreichen Sammlungen von Exzerpten
und philologischen bzw. historischen Studien zur Judaistik, .zur
Geographie Palästinas, zum Alten und Neuen Testament, zur Alten
Kirche, zur Dogmen- und Theologiegeschichte und zu Franz von
Baader. Diese ca. 150 Bände umfassenden Sammlungen sind zum
großen Teil Vorarbeiten zu Schlatters judaistischen und neutesta-
mentlichen Veröffentlichungen und vermitteln einen Eindruck von
der riesigen Arbeitsleistung, die hinter Schlattcrs Publikationen steht.
Beispielsweise hat Schlatter zum eigenen Gebrauch ein zweibändiges
griechisches Wörterbuch und ein dreibändiges Wörterbuch zum griechischen
Neuen Testament verfaßt und allein 17 Bände mit Studien
zu Josephus gefüllt! Abcrauch die Exzerptsammlungen zur Dogmcn-

und Theologiegeschichte bzw. zu Franz von Baader haben einen ganz
erstaunlichen Umfang.

Außer den genannten Sammlungen und Studien enthält der Teil [,B
des Inventarverzeichnisses ca. 30 nichtedierte Vorlesungsmanuskripte
, die zum größten Teil Autographen, zum kleineren Teil Mitschriften
von* Hörern sind. Besonders interessant, weil die F'rühzcit
seines theologischen Schaffens erhellend, sind dabei Schlattcrs Berner
Vorlesungen (z. B. seine Vorlesungen zur Genesis, zu Franz von
Baader, zur Geschichte der reformierten Theologie in der Schweiz bis
1750, zur Geschichte der spekulativen Theologie seit Cartesius, zur
Christologie und Soteriologie und zu Wesen und Quellen der Gottcs-
erkenntnis). Aber auch spätere Vorlesungen (z. B. sein ca. 2000 Seiten
umfassendes Vorlesungsmanuskript zum „Leben Jesu" oder seine
Einführung in die Theologie) sind geeignet, neue Einblicke in bislang
unbekannte Aspekte von Schlattcrs Lebenswerk zu ermöglichen. Das
gleiche gilt auch für die in Teil I,B gesammelten zahlreichen unveröffentlichten
Reden zu exegetischen, kirchengeschichtlichen und
systematischen Themen (z. B. die Habilitationsvorlesung und die für
seine theologische Entwicklung wichtige Rede zu Contarini), und die
- ebenfalls alle Bereiche der Theologie berührenden - Abhandlungen
(z. B. zum Zelotismus, zum Einfluß des Hellenismus auf die Geschichte
Jesu, zum Donatismus und Montanismus, zum Apostolikum
und zu Pascal), unter denen sich auch Schlattcrs frühestes Werk, eine
zu Beginn seines Studiums (im Herbst 1871) verfaßte Studie über
Augustins „De utilitatc credendi" (Nr. 220), sein erster (abgebrochener
) Dissertationsentwurf „De lege divina" (Nr. 176), seine acht
Klausurarbeiten zur Lizentiatenprüfung in Bern (Nr. 177) und eine
größere Arbeit über die Entwicklung des Glaubensverständnisses in
der Kirchengeschichte (Nr. 235: Glaube und Unglaube in der Christenheit
) befinden. Auch die im gleichen Teil gesammelten Predigten
aus Schlatters Schweizer Zeit (Neumünstcr, Keßwil, Bern) und eine
Reihe von Andachten (für die DCSV, den CVJM u.a.) helfen zu
einem besseren Verständnis von Schlatters Wirksamkeit.

Der TeilC schließlich birgt - neben Bildmaterial - den größten Teil
von Schlatters riesigem Briefwechsel. Unter den ca. 6800 Briefen
dieses Teils befinden sich über 1 100 Briefe Adolf Schlatters an
Familienangehörige, Professoren und Pfarrer. Von den Briefen an
Schlatter verdienen besondere Hervorhebung die 664 Briefe seines
ältesten Sohnes Theodor (Nr. 430), jene beinahe 900 Briefe, die überwiegend
von Professoren und Dozenten stammen (Nr. 425-428), und
die 247 Briefe Wilhelm Lütgens (Nr. 429). Zu den etwa 200 Absendern
der Professorenbriefe zählen u. a. P. Althaus, K». und F. Barth,
H. Bornkamm, H. Cremer, A. v. Harnack, M. Kähler, G. und H. Kittel
, A. Köberle, K. H. Rengstorf, J. Schniewind, E. Schürer, W. Trill-
haas, H. E. Weber, A. Wischmann und T. Zahn.

Der die Neuzugänge umfassende Teil II ist in der gleichen Weise
dreigeteilt wie Teil I. Es verdient Bewunderung, wieviel neues Material
der Archivar dem von der Familie übernommenen Bestand noch
hinzufügen konnte. Unter Mithilfe der Nachkommen und vieler
Hörer Schlattcrs konnten noch nahezu 100 Bücher von und über
Schlatter (Teil A), über 400 Druckschriften und Manuskripte (Teil B),
beinahe 700 Briefe Schlatters und weiteres Bildmaterial (Teil C) hinzugefügt
werden.

Der Teil B enthält sehr verschiedenartiges Quellenmaterial: Neben
weiteren Sammlungen Schlattcrs zur Topographie Palästinas, zu
Josephus, zum Neuen Testament, zur Kirchengcschichte und zur
systematischen Theologie finden sich darin unveröffentlichte Vorträge
, Abhandlungen (z. B. ein 460seiligcs Manuskript zur „Dekapo-
lis", dessen Original sich noch bei K. H. Rengstorf befindet), Kolleg"
mitschrifien des Studenten Schlatter, Gutachten ZU I.i/.enliatsarbeiten.
Kollegmitschrifien von Schlatter-Hörern, Dokumente und. Ittfsätzezu
Schlatters Leben und Werk und eine Fülle von veröffentlichten und
unveröffentlichen Schlutter-Erinnerungen. All diese Materialien sind
in der Reihenfolge des chronologischen Eingangs geordnet, was für
den Benutzer zwar sehr unübersichtlich ist, aber für den Archivar die
ohnehin kaum zu bewältigende Arbeit erleichtert hat.