Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1989

Spalte:

33-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Cranfield, Charles E. B.

Titel/Untertitel:

Romans 1989

Rezensent:

Walther, Nicolaus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

33

Theologische Literaturzeitung I 14. Jahrgang 1989 Nr. 1

34

punkte" (31). Lukas teile gemeinsam mit Markus die gleiche Leitidec. tar nicht zum Vergleich heranziehen konnte. Die vorliegende Fassung
nämlich ..die divergierenden christlichen Gruppen dieser Zeit sollten zeichnet sich durch eine sehr klare Darstcllungsweise aus; wichtigere
mre Einheit im vorösterlichen Jesus suchen" (34; 55). aber er gehe exegetische Probleme werden oft mit einem knappen, aber sehr über-
historiographisch einen neuen eigenen Weg. indem er z. B. den Arche- sichtlichen Überblick über mögliche Lösungen vorgeführt, innerhalb
typus Lirgemeinde schuf, die „missionsgeschichtliche Hypothese" derer Cr. seine eigene Sicht dann mit kurzgefaßter Argumentation
von der Großstadtmission und der von ihr ausgehenden Umfeldmis- darstellt. Die Diskussion bestimmter grammatischer Fragen des (grie-
sion entwickelte (35) und in origineller Weise den Faktor der sich chischen) Texte* an Hand der englischen (Ibersetzung stellt an das
erstreckenden Zeit dazu nutzt, die Missionare an ihren Wirkungsorten Abstraktionsvermögen des Lesers allerdings einige Ansprüche,
lange verweilen zu lassen (391"). Der oben schon erhobene Einwand Damit ist schon angedeutet, daß die Texterklärung Cr.s der soliden
gegen Schilles Beurteilung des Faktors ..Zeit" ist auch hier geltend zu englischen philologischen Tradition folgt, bei der der gegebene Text
machen. Aus den Briefen des Paulus selbst geht hervor, daß er Groß- bis in seine Einzelheiten zu Wort kommt, ohne daß der Kommentator
sladtmission betrieben und daß sich von städtischen Zentren aus das den Leser durch besondere, hierzulande „linguistisch" genannte
Evangelium in umliegende Gegenden verbreitet habe (IKorl6,9; Methodik abschreckte. Auch traditionsgcschichllicheGesichtspunkte
Kol 4.15). Paulus spricht von längeren Aufenthalten in Ephesus und und damit „diachrone" Exegese eventueller vorpaulinischcr Stücke
Korinth (I Kor 16,6-8). - Lukas verstehe seine Schrift auch als einen spielen keine Rolle, auch da nicht, wo Cr. anerkennt, daß Paulus
Appell an Rom. allerdings nicht in der Weise, daß er das Christentum übernommenes Formelgut in seinen Text einbezieht (s. dazu schon
«! einen Teil des Judentums erweisen möchte, den es zu tolerieren U. Wilckens, a. a. O.). Gelegentlich werden textkritische Fragen begelte
. Er zeige vielmehr, daß Paulus als Christ der bessere Jude und handelt, einmal sogar eine Emendation bevorzugt (zu Rom 4,12,
bessere Römer sei (420- Zu den Besonderheiten der lukanischen S. 89). Aber sonst wird der überlieferte Text so belassen, wie er (nach
Sicht- und Darstcllungsweise gehöre, daß der Geist Gottes für die den allgemein anerkannten Ergebnissen der Textkritik) vorliegt. Von
Positive Entwicklung der Kirche verantwortlich gemacht werde. Im Glossen, späteren Einschübcn usw. hält Cr. nichts; lediglich die
-ekklesiologischen Geistverständnis" (45) des Lukas werde der Geist- Schlußverse 16,(24 und)25-27 werden als spätere Zufügung ange-
besitz aber schon stark institutionalisiert aufgefaßt. Geistgewirktes sehen (nach U. Wilckens Sp. 886 im Unterschied zum „großen"
frophetentum gehöre für ihn schon längst der Vergangenheit an (46f). Kommentar); die an sich kurze Introduction (S. 1X-XIV) setzt sogar.
Diese Einschätzung ist sicher richtig. vielleicht für den allgemeininteressierten Leser nicht besonders

Bei der geschichtlichen Einordnung der Apostelgeschichte hebt attraktiv, mit dieser Frage ein. Auch historische bzw. biographische

Schillc zu Recht vor allem den Abstand zu Paulus hervor. Er zeige Bezüge spielen - bis auf Anfang und Schluß natürlich - kaum eine

s'ch im geschichtlichen Unterschied (z. B. Stand der Heidenmission), Rolle; Cr. sieht den Römerbrief wesentlich als in sich selbst ruhenden

ln theologischen Differenzen (z. B. ..Paulusbild") und sachlichen Ge- und daher aus sich selbst heraus zu verstehenden Gedankentext.
S|chtspunkten (z. B. Apostelbegriff) (48-52). Wenn Schillc allerdings Abgesehen von den einleitenden und abschließenden Abschnitten

meint. der lukanischen Distanz zu Paulus müsse man bei der Interpre- sieht Cr. vier Teile des Gedankenganges des Briefes. So wie sich die

tation des Werkes dadurch Rechnung tragen, daß man vollkommen beiden ersten (1,18-4,25 und 5,1-8,39) als Auslegung des zweiteiligen

aul den Versuch verzichten müsse, „die lukanischen Angaben mit Habakuk-Zitats von 1,17 zusammenfügen, scheinen auch die beiden

Paulinischen Nachrichten zu verbinden" (395). so ist dem keineswegs anderen (9.1-11,36 und 12.1-15.13) unter den Themen "The Unbe-

U7ustimmen. Trotz vielfältiger Differenzen zwischen Lukas und lief of Men (!) and the Faithfulness ofGod" und "The Obedience to

Paulus bieten viele Aussagen der Paulusbriefe inhaltlich und metho- which thosc who are Righteous by Faith are Called" zunächst ein

'sch eine unverzichtbare Hilfe für die Auslegung der Apostelge- zusammengehöriges Paar bilden zu sollen. Doch ist das wohl nicht so

'«lichte. gemeint. Rom 9-1 I wird vielmehr wesentlich unter dem Gesichts-

Hinsichtlich der Textkritik schließt sich Schillc mit Recht den punkt gesehen, daß Paulus hier die Frage der Hcilshoffnung der Chri-

rgebnisscn von Haenchen an, indem er mit ihm den hesychianischen sten (!) behandelt. Cr. legt großen Wert darauf, zu zeigen, wie Paulus

exttyp für den ursprünglichen hält (56). - Der erste wirklich gesi- in den vorangehenden Kapiteln das Rechtfertigungs-Evangelium als

erte literarische Benutzung der Apostelgeschichte durch altkirch- Auslegung des Alten Testaments entwickelt. So erschließt sich ihm

^ehe Schriftsteller liege bei Justin vor. und von Irenäus an gelte die nun der Zugang zu 9-11 in der Weise, daß er Paulus mit dem Problem

Postelgeschichte als allgemein anerkannt (590- Die besonders befaßt sieht, wie er die Hoffnung der Christen auf Gottes endgültige

rnstrittenc Stelle Barn 15.9 erachtet Schille im Unterschied zu Gnade bekräftigen kann, wenn doch dieselben Christen aus dem fak-

nnk als ein Indiz für eine von Lukas unabhängige Himmelfahrts- tischen Unglauben Israels gegenüber dem Messias Gottes auf die Vcr-

radition (58; 75). lorenheit des „alten" Gottesvolks und daher auf Gottes Untreue ihm

SchiIlc versucht, sehr eigene Wege zu gehen. Wieweit sie zu besse- gegenüber schließen könnten. Also auch und gerade um der Hoffnung

rcn Zielen führen als bisher, wird das exegetische Gespräch erweisen der Christen willen muß und will Paulus zeigen, daß Gott an seiner

^Usscn- 'n manchen Fällen scheinen sie mir nicht weit zu führen. Daß dem Volk Israel in der Schrift zugesagten Treue festhält. So wird Got-

er die Arbeit an der Apostelgeschichte weiterhin ein „Sturm- tes Treue gegenüber Israel zum Beispiel für seine Treue gegenüber

'-entrum" bleiben wird, dazu hat Schillc einen verdienstvollen Beitrag allen Menschen. Das ist gewiß eine eindrucksvolle Sicht auf

lslct- Rom 9-11, aber doch - schon angesichts des „Einstiegs" in 9.1-5 -

Vali,.n.i.. ,,r ■ schwerlich eine überzeugende. Uberraschend (da sonst Litcraturvcr-

a"i.nudr Alfons Weiser

weise fast ganz fehlen) ist der Nachdruck, mit dem Cr. gerade in

Cranfuu , r- „ . ■ „ , . , , diesem Zusammenhang (S. 216), aber auch etwa zu Rom 5 (S. 99 und

l. t. B.: Romans. A shorter Commcntary. Edinburgh: . , .„ ,_ ... ,. ,

Clark 1985 XVII 388 S 8* Kart £ 8 95 125) den Leser auf Karl Barths Exegese und Dogmatik hinweist. - Zu

wichtigen theologischen Einzelfragen linden sich gelegentlich kurze

feinem großen zweibändigen Werk zum Römerbrief im Internatio- Ausführungen (etwa zu der Wendung von der „Gottesgerechtigkeit",

a Cntical Commcntary (1975/79; bis 1984 in 5. bzw. 3. Auflage die Cr. ganz im Sinne der von Gott geschenkten Gerechtigkeit ver-

^chienen) hat der emeritierte Durhamer Neutestamentier Cranfield steht, S. 20-23, oder zur Kyrios-Prädikation für Jesus. S. 257-259);

"e gekürzte Fassung (für Leser ohne Griechischkenntnisse, daher sie sind aber nicht als Exkurse kenntlich gemacht und leider auch in

y"™* den wissenschaftlichen Anmerkungsapparat) folgen lassen. Zur dem an sich dankenswerten Sachregister (S. 385-388) nicht genügend

UrdigUng ^cs ^0^cn Standards der exegetischen Arbeit Cranficlds hervorgehoben. Aber das ändert nichts daran, daß auch dieser

l' e 'en die ausführliche Rezension von U. Wilckens. ThLZ 106. "Shorter Commcntary" in seiner Weise - wie die wissenschaftliche

' • "85-889. nachzulesen, zumal ich selbst den großen Kommen- Fassung von Cr.s Auslegung in der ihren - ein hervorragendes Beispiel