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Ausgabe:

1989

Spalte:

525-526

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Via, Dan Otto

Titel/Untertitel:

The ethics of Mark's Gospel, in the middle of time 1989

Rezensent:

Pokorný, Petr

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 7

526

Der Mittelteil des Buches faßt zunächst das Verständnis des Chri- schichtsbild entsteht nur, wenn sich das erkennende Subjekt für einen

stus Jesus in den ältesten Bekenntnissen und Hymnen sowie deren Sinn interessiert und engagiert. Das Subjekt, das die objektive Wirk-

Aufnahme bei Paulus und Johannes in den Blick, sodann die Darstel- lichkeit gestaltet (u. a. indem es einen Text generiert), gehört jedoch

'ung Jesu als des Christus in der evangelischen Überlieferung, ange- auch zu der Wirklichkeit, und der von ihm gestaltete Text kann nicht

fangen mit „Q" über die vormarkinische Jesusüberlieferung bis zum nur als ein Epiphenomenon betrachtet werden.

JohEv; man kann freilich fragen, ob nicht die Existenz einer frühen, Diese Position steht in formaler Hinsicht der (etwa durch H. G.

relativ geschlossenen vormarkinischcn Passionsgeschichte mit große- Gadamer vermittelten) Hegeischen Dialektik nahe. Wenn auch die

rer Sicherheit vorausgesetzt werden kann als „Q" oder frühe Samm- Behandlung dieses Problems zu kurz gefaßt ist, machen die diesbezüg-

'ungen von Wundergeschichten. ' liehen Überlegungen von V. das Anliegen der ganzen Arbeit deutlich.

Erst danach stellt Schw. dar, was die durchweg christologisch Der Vf. versucht, aufgrund der literarischen Untersuchung die ethi-

geprägte Jesus-Überlieferung von dem geschichtlichen Jesus erkennen sehen Implikationen von Mk 10 zu bestimmen (Teil II). Der Text des

'aßt. Indessen ist das nicht ein eigentlich nebensächlicher Anhang, der Markusevangeliums vertritt danach sowohl in der Frage der Ehe als

s'ch nur historischem Interesse verdankt. Vielmehr geht es um die auch in der Perikope über die Segnung der Kinder und über die

Wahrheit des Anspruchs, den die nachöstcrlichc Verkündigung Gefahr des Reichtums zweierlei Anliegen: Auf der einen Seite wird

erhebt, daß in Jesus aus Nazaret der rettende Gott der Welt entgegen- ein idealer Zustand geschildert, der dem eschatologischen Horizont

Wtt; so ist an seiner Geschichte das Heilshandeln Gottes weltbezogen entspricht, durch die Verkündigung in diese Zeit einbricht und einen

erfahrbar. Freilich gilt, "thata Jesus of Nazareth who is not seen in the Neuanfang inmitten dieser Welt (das Kind-Sein, die Wiedergeburt)

sense of the post-Easter kerygma äs the Christ of God is not Jesus of bedeutet. Auf der anderen Seite werden die damit verbundenen radi-

Nazarethatall"(56) kalen Forderungen („absolute" Ehe, Gütergemeinschaft) als etwas

Das konzentriert und engagiert geschriebene Buch bietet einen nicht Selbstverständliches betrachtet und in der praktischen Durchglänzenden
Einblick in die christologisch fundierte Theologie des Vf., führung relativiert. Die markinische Ethik ist also eine Ethik zwischen
hinter der spürbar erlebter Glaube steht. Man kann natürlich an man- den Zeiten, die dialektisch die Offenbarung und gleichzeitig ihre Ver-
ehen Punkten andere Akzente setzen, auch in traditionsgeschicht- borgenheit widerspiegelt. Offenbar ist die Offenbarung, weil sie schon
'ichen Fragen anders urteilen, im ganzen aber bietet Schw. eine in verkündigt wird und als Kerygma weitergeht, verborgen, weil sie nur
Ansatz und Durchführung überzeugende Darstellung des neutesta- durch den Glauben aufgenommen und d. h. von vielen auch abge-
mentlichen Bildes von Jesus Christus. Die besondere Bedeutung lehnt wird. Der christologische Hintergrund dieser Spannung ist in der
Schw.s liegt in seiner Fähigkeit der Integration differierender Sicht- Leidens- und Auferstehungsverkündigung Jesu (10,32-34) angedeu-
weisen, die die vorangehende Analyse nicht überspringt, sondern von tet. Aufgrund dieser Auffassung versucht V. auch das Motiv des
einem offenen Begreifen des jeweils unterschiedlich gesehenen Gegen- Messiasgeheimnisses im Markusevangelium zu deuten (Conclusion).
«andes getragen ist. Dadurch hält er diesen Gegenstand und zugleich Im Unterschied zu Vias früheren Arbeiten, die in ihrem Gedanken-
dje Diskussion um ihn in so bewundernswerter Weise offen, ohne ihn gang einlinig waren, ist der vorliegende Beitrag bemüht, mehrere
ZU verlieren. Was Verstehen wirklich bedeutet, wird an diesem Buch Fragen zu berühren und breitere Zusammenhänge zu berücksichtigen,
in überzeugender Weise deutlich. -v- rührt nier' wie er selbst andeutet. einen Zweifrontenkrieg: Gegen

die Unterschätzung der literarischen Untersuchung des Neuen Testa-

Halle(Saale) Traugott o tz ments und gegen ihre autonome Anwendung.' Das ist zu begrüßen.

und dieses Buch ist wirklich auch weniger einseitig als Vias frühere

v _ . , , . rT „ Beiträge. Nur bietet die phänomenologische Hermeneutik, von der V.

^^^''■J^^^^fnciS^Jv^ »«S leidcr eine zu schmale B;,S1S für solche Art theologischer

Philadelphia, PA: Fortress Press 1985. IX, 242 S.gr.8 . Kriegführung. Die nützlichen exegetischen Beobachtungen und die

Der Vf. ist durch sein Buch über die Gleichnisse Jesu (1967, deutsch Erkenntnisse zur Gestaltung der markinischen Gemeinde entbehren

19?0) und durch seine Untersuchung zur literarischen Gestalt der eines breiteren Rahmens, weil die von V. vertretene Hermeneutik das

^angehen (Kerygma and comedy in the New Testament, 1975) individuelle Existenzverständnis zwar mit dem Text konfrontiert, aber

bekannt geworden Das Problem der Beziehung zwischen der Struktur die Frage nach der Wirklichkeit, die hinter dem Text hegt, nicht beant-

eines Textes und seiner aktuellen Wirkung im Existenzverständnis wertet. Die referierende Funktion des Texts kommt zu kurz. Das hat

seiner Leser (Hörer) verbindet das Anliegen der eben erwähnten einige unangenehme Folgen: Unterschätzung der histonsch-kntischen

Arbeiten mit dem vorliegenden Buch. Das 10. Kapitel des Markus- Methode, mit deren Hilfe vieles einfacher zu lösen wäre und die man-

evangeliums dient als Muster, auf dem die mögliche Lösung des Pro- gelnde Erkenntis der Diachronie ,n der Gestaltung des Markusevange-

b'ems demonstrier, wird. Deutlich wird dies Anliegen erst, nachdem liums, das die Zeit Jesu,, trotz aller transparenten Zuge, vonderZeitdes

*an die zwei Appendices (S. 197-225) gelesen hat, in denen der Vf. VerfassersgeradedurchdasOstergeschehendeutlich.rennt^

*ti bedeutende theologische und methodologische Probleme der Die kritischen Bemerkungen sollen nicht verdecken daß es sich um

Evangelienexegese behandelt: das Problem der persönlichen Zueig- ein Buch handelt, das außerordenriich anregend ist und nicht nur lur

"ung des Textes (App. I.) und der Rolle des Textes bei der Gestaltung die Markusforschung und für die Methode der Exegese^ondern auch

desr„ u- u u- , ,» für die Grundprobleme theologischer Reflexion von Bedeutung ist.
UC!> Geschichtsbildes (App. II.).

Das erste Problem löst V. durch die Einordnung der literarischen Prag PetrPokorny

Strukturanalyse in den Prozess des Dialogs mit dem Text, der die___

Phänomenologische Hermeneutik als hermeneutischen Zirkel „ „ BJi. . ,. , , .

hP*„u , , . ~nm*r, Finhrit ' S dazu die Rcz. von J. Becker von V. K. Robbins, Jesus the teaencr. A

Schreibt. Die Behandlung des Textes als einer autonomen binnen V~\, , , ,. n ,,M„ . lgxd inTh, 7 ,,, ,986 l07-i09

«fr. . ii m,.;«j«Knn soc orhetoncal Interpretation ol Mark, IS)X4. in 1 hLZ; 111, ivso, iu/-iuv.
Ist nur als eine Etappc eben dieses Prozesses sinnvoll. Nur in der Kon-

rr°ntation mit dem SubjeRt des Lesers gewinnt der Text seine wahre

Deutung. Unter dieser Bedingung wird der literarische Zugang zu ..___.___

Text mit der phänomenologischen Hermeneutik kongruent KirChengeSChlChte: Allgemeines

'S. 19.42. I99IT).

Das zweite Problem (the problcm of the truth value of plotted time- Friedrich, Martin: Zwischen Abwehr und Bekehrung. Die Stellung
APPII.) betritt im Grunde die Dialektik der Subjekt-Objekt- der deutschen evangelischen Theologie zum Judentum im 17. Jahr-
Ziehung in der Geschichte. Die Geschichte als Summe alles hundert. Tubingeri: Mohr 1988. VII, 222 S. gr.8 = Bettrage zur
Geschehens is, chaotisch und uns.ruk.uriert; ein gestaltetes Ge- historischen Theologie, 7_. Lw. DM