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Ausgabe:

1989

Spalte:

519-521

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Franck, Eskil

Titel/Untertitel:

Revelation taught 1989

Rezensent:

Hübner, Hans

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519

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 7

520

17,20-18,8; 19,11-27; 21,5-36; Apg 1,3-11; 2,17-21; 3,19-26;
28,17-31.

C.s Ergebnis: Für Lukas stehe in seiner Zeit Jesu Rückkehr und
damit das Endgericht über Glaube und Unglaube unmittelbar bevor.
Er betone, niemand außer Gott wisse, wann die Parusie sein wird,
gewiß aber sei, daß sie stattfindet, und zwar bald. Denn für Lukas
seien die Verzögerung der Parusie und die Dauer,der Zeit der Kirche
bereits Fakten der Historie, die um der Mission bis an die „Enden der
Erde" willen notwendig waren, zugleich jedoch auch zu einem christlichen
Leben ohne Enderwartung führten, in dem der Eifer für die
Mission und das Bewußtsein für ein zu verantwortendes christliches
Lebens fehlten. Angesichts dessen unterstreiche Lukas, daß der
Glaube jetzt in der Gegenwart zu bewähren sei, um beim nahen Ende
bestehen zu können. Lukas weise also auf die Parusieverzögerung
nicht hin, um die Naherwartung aufzuheben, sondern um sie zu stützen
.

In seinem kurzen Schluß (Kap. 4, S. 165-167) nennt C. fast nur
Stellen aus dem LkEv und enthüllt so unbewußt, wo die eigentliche
Schwäche seiner Deutung der Eschatologie des Lukas liegt. Sie kann
sich nur auf eschatologische Aussagen im LkEv berufen, nicht aber
auf solche in der Apg. Denn auch wenn C. zu Recht hervorhebt, daß
Lukas in der Apg Ereignisse aus einer Zeit beschreibt, die Tür ihn
schon Vergangenheit ist, nach Anzeichen für eine lebendige Naherwartung
wird man in der Apg vergeblich suchen. Daß Lukas aber in
LkEv und Apg mit dem Kommen Jesu am Ende der Zeit gerechnet
hat, das meinte z. B. auch Conzelmann, der bekanntlich der Parusieverzögerung
bei Lukas eine völlig andere Rolle als C. zumißt. Darauf
weist C. ausdrücklich hin (S. 166), während er trotz seines Forschungsüberblicks
am Anfang seine eigene Sicht leider nicht zu den
weiteren Deutungen der Eschatologie des Lukas in Beziehung setzt.
Dadurch droht seine Arbeit nur zu einem anderen Anti-Conzelmann-
Buch zu werden, und er fällt hinter den Ertrag seiner eigenen sorgfältigen
Textuntersuchungen zurück. In ihnen und nicht in seiner
Gesamtdeutung der Eschatologie des Lukas liegt der Gewinn seiner
Arbeit für die Lukas-Forschung.

Münster Martin Rese

Franck, Eskil: Revelation Taught. The Paraclete in the Gospel of
John. Lund: Gleerup 1985. 168 S. gr. 8' = Coniectanea Biblica,
New Testament Series, 14.

Wird das Problem des Parakleten (P) bei Joh trotz seiner häufigen
Behandlung in der Forschung erneut Gegenstand einer ausführlichen
Erörterung, so erwartet man, wenn sich der Aufwand lohnen und
nicht noch einmal längst bekannte Positionen vorgeführt werden
sollen, einen entscheiden neuen Aspekt, der zumindest den Anspruch
auf Diskussionswürdigkeit erheben kann. Einen solchen neuen Horizontwill
F. in seiner Dissertation (Uppsala 1985) aufzeigen. Nun sieht
sich jede neuere Untersuchung über Fragen des Joh der schwierigen
literarkritischen Situation konfrontiert, in der sich die Joh-Forschung
heute befindet - man denke nur an die literarkritische Pionierarbeit
Jürgen Beckers, die sich vor allem in seinem Joh-Kommentar (ÖTK)
dokumentiert, oder an die größere Öffnung gegenüber der literarkritischen
Methode, die Rudolf Schnackenburg im Verlauf seines Kommentars
(HThK), des wohl bedeutendsten Joh-Kommentars nach
Rudolf Bultmann, vollzog (s. Bd. DI, S. 4630- So ist man allerdings
schon zu Beginn der Lektüre von F. s Diss. etwas skeptisch, wenn er
sie dem Leser als „primär synchronische" Studie offeriert.

Er beabsichtigt zunächst zu zeigen, daß den P-Sprüchen ihr Platz
innerhalb eines „multidimensionalen Modells" eingeräumt werden
müßte, um dem mehrdeutigen Charakter des Joh gerecht zu werden
(S. 15). Als sich überlappende Dimensionen stellt er heraus: 1. "The
overall forensic dimension "; diese sei im Rahmen des (juristischen)
Prozesses - einmal gesehen als Prozeß gegen Jesus, dann als Prozeß
Gottes gegen die Welt - zu verstehen, sie dominiere jedoch das Joh

nicht. 2. " The farewell-discourse "; diese Dimension sieht F. durch die
formgeschichtliche Untersuchung von U. B. Müller (ZThK 71, 1974,
31 ff) bestätigt, in der dieser jüd. Abschiedsreden bzw. Abschiedssituationen
in formaler Analogie zu den P-Sprüchcn der joh Abschiedsreden
zu erkennen meint. 3. "The didactic dimension "; in Annäherung
des joh ndjidxXnxoq an - nichtjoh! - napaxaleiv/napdxXnai(;-
Aussagen kommt F. zum Teilergebnis (S. 36): "The funetions
ascribed to the P elucidated by the way napaxaXav-ntLpdxah]aK; are
used above, places the P within a didactic field of associations within
the conceptual framework of the Early Church." So sieht er sich
berechtigt, P mit „Lehrer" oder „Prediger" zu übersetzen.

Im folgenden Kap. konstruiert F. eine „didaktische Trias": Jesus,
den P und den Lieblingsjünger, wobei er die beiden letzten funktional
einander stark annähert. Das nächste Kap., in dem der Vf. die Hermeneutik
des synagogalen Midrasch und des NT, vor allem natürlich
auch des Joh, behandelt, kommt zum Ergebnis (S. 124): P "can be
seen as a preacher with prophetic features who interprets and
actualizes the Scriptures within a concreto field of activity: the
service". Dies wird dann im letzten Kap. in sehr eigenartiger Weise
konkretisiert: Der religionsgeschichtliche Hintergrund für die Gestalt
des P. und des Lieblingsjüngers ist der Methurgeman, also der Übersetzer
des hebräischen Bibeltextes ins Aramäische im synagogalen
Gottesdienst (S. 144): "The P is Jesus' permanent M, whereas the BD
(= Beloved Disciple) funetioned as an occasional one. The notion that
the GJ (= Joh) was the first concrete result of the P's activity also fits in
well against the pattern of the M-institution."

Zu diesem Entwurf, der dadurch imponiert, daß er in sich geschlossen
und in sich stimmig ist, muß allerdings einiges in kritischer Sicht
gesagt werden, wobei diese Kritik essentielle Punkte trifft. Das zentrale
Anliegen F. s ist es, in dem von ihm konstruierten „multidimensionalen
Modell" der didaktischen Dimension einen besonders hohen
Stellenwert zu geben. Nun läßt sich nicht bestreiten, daß in den
P-Sprüchen diese Dimension stark hervortritt; schon allein die Verben
SiSdoxEiv und vnofupvrjaxav in Joh 14,26 zeigen dies unübersehbar
. Man wird also sicherlich dem Autor zugeben können, daß die
überall sich meldende forensische Dimension mit der didaktischen
Dimension „verwoben" ist. Und des weiteren wird man begrüßen,
daß F. den formgeschichtlichen Ansatz U. Ii. Müllers für die Interpretation
der joh Abschiedsreden fruchtbar zu machen versucht; denn in
der Tat bestehen unübersehbare formale Parallelen. Trotzdem bin ich
mehr als skeptisch gegen den erneuten, auf Müller sich berufenden
Versuch, das Wort napdxAnwc; semantisch von na/>axaXsiv/
napdxknmc; zu deuten. Die völlige Absenz dieser beiden Worte im Joh
ist zumindest ein recht starkes Indiz (natürlich kein Beweis) gegen eine
solche Deutung. M. E. hat Schnackenburg den Sachverhalt richtig
gedeutet: Der Evangelist bzw. sein Kreis hat den vorgefundenen Ausdruck
P aufgegriffen und ihn mit neuem und reicherem Inhalt gefüllt -
ein Vorgang, der sich im linquistischen Bereich oft genug vollzieht
(op.cit. 159).

Schwerer wiegen Desiderate im Blick auf den eigentlich exegetischen
Teil. Ich verdeutliche dies an zwei symptomatischen Sachverhalten
.

I, Bekanntlich ist eine crux inlerprelum, daß nach 14,26 der Vater den P
sendet, nach 15,26; 16,7 jedoch dies Jesus tut. Man mag darüber diskutieren, ob
Beckers Analyse der Abschiedsrede, nach der in Kap 15f drei redaktionelle
Nachträge vorliegen, zutriflt - immerhin sind auch nach Schnuckenhurg
Kap 1 5 f ..doch eher anderen Mitgliedern des joh Kreises als dem Evangelisten
zuzuschreiben" (ib. 463). Von all diesen Bemühungen bei F. keine Spur! Seine
synchronische Sicht läßt solche, für die Interpretation des P erheblichen Probleme
nicht als erheblich gelten. Die Mißachtung der für Joh 13 IT vorliegenden
literarkritischen Bemühungen ist leider offenkundig.

2: Die Exegese von 16,7-11 konzentriert sich vor allem auf die Bedeutung
von iM/Qu, wobei den Rahmen wiederdas „multidimensionale Modell" abgibt.
Mit der nicht einsichtigen Behauptung, man müsse die Bestrafung der Welt als
ein von dieser erfahrbares Geschehen voraussetzen, wenn man "the P's
funetion" im Sinne des juristischen Prozesses verstehen wolle, gelangt F. zum
Resultat, daß diese Funktion ein Predigen impliziere, wodurch die Well die