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Ausgabe:

1989

Spalte:

517-518

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Niewöhner, Friedrich

Titel/Untertitel:

Maimonides 1989

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 7

518

aus forciert, die Gemüter bewegt, mit dem biblischen, in erster Linie
alttestamentlichen Befund konfrontiert.

Das folgende Kapitel („Der patriarchale Gott") steht m. E. in einem
unausgeglichenen Gegensatz dazu, denn die nachexilische Zeit kannte
keinesfalls generell die Verachtung und Entmündigung der Frau unter
den Juden, die nach Auffassung des Vf. im 6. Jh. mit der Monotheisie-
rung des Glaubens und der Durchsetzung der Priesterherrschaft
begonnen habe.

Die letzten drei Kapitel wenden sich der neuzeitlichen Problematik
ausdrücklich zu. Es wird zunächst die heutige Situation der Frau
behandelt, wie sie die Industrialisierung im Gefolge hatte. Der Vf. geht
dabei selbstverständlich von Europa aus. Seine Überlegungen bekommen
aber zunehmend globale Dimensionen. Danach schildert er die
unzureichende Position der Frau in der Kirche und stellt im Gegenüber
zum biblischen Gottesbild seiner Meinung nach Relevantes zur
gegenwärtigen Orientierung heraus, und zwar die menschliche Seite
Gottes, seine Transzendenz und Universalität, sein Wirksamwerden
als Liebe und sein befreiendes Handeln, das in Rettung aus Bedrängnissen
und dem Schutz minderprivilegierter Personen besteht. Hier
münden seine Gedankengänge wieder in das angeschlagene Thema
der „sexistischen Verfremdung Gottes" (S. 10) und die „Befreiung
aller, die unter patriarchalcn Herrschaftsansprüchen zu leiden haben"
(S. 15).

Zum Beschluß findet man noch einen Abschnitt über „Bibelexegese und
biblische Theologie angesichts feministischer Kritik" vor.

Man entdeckt eine Menge Ausführungen, denen beizupflichten ist.
wie z. B., wenn es heißt, die „dualistische Gegenüberstellung von
weiblicher Spiritualität und männlich selbstzerstörerischem Allmachtswahn
" sei falsch (S. 130). Der Vf. wendet sich überdies mit
Recht gegen verfehlte Hypothesen (vgl. z. B. S. 33-35 zu Jer44 und
der Theorie eines uranfänglichen Matriarchats). Vieles ist freilich auf
seine Richtigkeit hin anzufragen. Man stößt auf Einseitigkeiten, Überzeichnungen
und unerlaubte Verkürzungen. Sind Erbarmen und
Geist weibliche Züge Jahwes (S. 96. 135)? Sind geschlechterspezifisch
wirklich nur allein die biologischen Vorgänge um Zeugung und
Geburt und die Stimmenverteilung beim Chorgesang (S. 114)?

So ließe sich weiter mancherlei nennen, was Zustimmung finden
kann oder aber hinterfragt werden mag, bis hin zu einzelnem Exegetischen
. Auf alle Fälle dient das Büchlein in mehrfacher Hinsicht der
Klärung. Es spricht auch in der Bibel, der Theologie bzw. der alttestamentlichen
Wissenschaft nicht Bewanderte an. Wird man dem Vf.
gewiß nicht bis zuletzt folgen Wollen, so muß der angeschnittene Fragenkreis
dennoch bedacht werden.

S. 58 Z. 7 v. u. meint offenbar Befriedung statt Befriedigung.
Leipzig Wolfram Herrmann

Judaica

Niewöhner, Friedrich: Maimonides. Aufklärung und Toleranz im
Mittelalter. Wolfenbüttel: Lessing-Akademie; Heidelberg: Schneider
1988.60 S. m. 16 Faks. gr. 8' = Kleine Schriften zur Aufklärung,
1 • DM 29,-.

Eine gediegene Arbeit, in literarisch wie buchtechnisch ansprechender
Form dargeboten. Sie ist für breitere Kreise gedacht, jedoch
anspruchsvoll. Mit der Wahl des Themas ehrt sich die Lessing-
Akademie selbst bei der Eröffnung dieser Reihe. Von Moses bis
Moses (Maimonides) kein Größerer als Moses (M.), sagte man im
Judentum; die Scholastik las den „Führer", auch der „christliche
Schwärmer Meister Eckhart" (28); Lessings Gedankenwelt wird
Präsent, nicht nur, weil er ihn im Jg. Gelehrten nennt; vielleicht gibt
es Beziehungen Bacons zu M.: im Dialog der Religionen wird die
Relevanz von „Aufklärung und Toleranz" aktuell.

Vf. skiziert Lebensgang und Werk des M„ Facsimilia seltener Ausgaben
, auch einer Handschrift mit Tilgungsspuren, sind beigefügt.
Vf. lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers bald auf die Frage, wie M.
über die Welt beim Erscheinen des Messias denkt - da geschähen
keine Wunder, zähle kein Charisma, nur der Erfolg legitimiere den
Messias. Jesus könne also nicht Messias gewesen sein, aber er und
Mohammed seien Wegbereiter des Messias, keine Betrüger gewesen
. Wenn der Messias kommt, werde die Welt einer großen Akademie
gleichen. Vf. korrigiert die verbreitete Meinung, im „Führer"
gehe es um die Frage Philosophie-Glauben - daß das keine jüdische
Alternative sei, zeigten schon H. u. M. Simon 1984 - dieses Buch
ziele nicht zufällig auf imitatio dei. Wie Vf. darin des M. Antwort
auf die Frage nach der Toleranz begründet sieht, bleibe der Lektüre
überlassen.

Ein Anhang bringt auf 12 Facsimile-Seiten die erste dt. Übersetzung
der beiden letzten Kapitel der Mischneh Torah von David Friedrich
Megerlin aus dem Jahre 1751; sie zu lesen ist Gewinn für die
Kenntnis auch des 18. Jh., zumal der Vf. damit ein „Rarissimum"
aus der Württ. Landesbibliothek präsentiert.

Rostock Peter Heidrich

Neues Testament

Carroll, John T.: Response to the End of History. Eschatology and
Situation in Luke-Acts. Atlanta, GA: Scholars Press 1988. VII,
208 S. 8* = SBL. Dissertation Series,92. Kart. $ 12.95.

Als 1950 die Diskussion über die Theologie des Lukas begann und
das lukanische Doppelwerk für zwei Jahrzehnte zu einem „Sturmzentrum
" ntl. Arbeit machte, da spielte auch die Eschatologie eine
wichtige Rolle. In den fünfziger Jahren meinte man zunächst weithin,'
Lukas habe das Problem des Ausbleibens der Parusie Jesu so gelöst,
daß er die urchristliche Naherwartung des Endes durch einen heilsgeschichtlichen
Entwurf ersetzte. Vielen galt das als Abfall vom Urchristentum
und besonders von Paulus sowie als Anfang des Frühkatholizismus
im NT, und nur wenige werteten das damals positiv. Seit den
sechziger Jahren wurde dann die Eschatologie des Lukas (wie auch andere
Aspekte seiner Theologie) nicht mehr nur unterschiedlich beurteilt
, sondern auch sehr verschieden bestimmt Neben die Sicht der
fünfziger Jahre traten neue Vorschläge, sei es, daß einige bei Lukas ein
Neben- oder Ineinander von Geschichte und Eschatologie, von Paru-
sieverzögerung und Naherwartung fanden, sei es, daß andere das Vorhandensein
einer individuellen Eschatologie hervorhoben und weitere
gar in Lukas einen Verteidiger der Naherwartung entdeckten. Zu
einem Konsens in der Frage der Eschatologie des Lukas ist es bis heute
nicht gekommen. Deshalb überrascht es nicht, wenn diese Frage
immer wieder einmal erneut behandelt wird, natürlich jeweils mit der
Absicht, einen bisher vernachlässigten Gesichtspunkt zu betonen und
womöglich auch eine Lösung vorzuschlagen, die allgemein anerkannt
werden wird.

Genau dies will auch der Vf. der vorliegenden Arbeit, die 1986 in
Princeton als Dissertation angenommen wurde. Vernachlässigt worden
sei bisher, so meint C, "the correlation between Luke's eschatolo-'
gical perspective and the Situation to which his eschatological message
was addressed" (2). Das sei auch der Grund datür, daß es so viele verschiedene
Deutungen der lukanischen Eschatologie gibt - am Schluß
seines thematisch und nicht chronologisch aufgebauten Forschungsüberblicks
(Kap. I, S. 1-30) nennt C. zu Recht noch einen weiteren,
recht einfachen Grund, nämlich, die lukanische Eschatologie habe
eben verschiedene Dimensionen. C. fragt dann in zwei Kapiteln nach
der Beziehung zwischen „Eschatologie und Situation" in LkEv
(S. 37-119) und Apg (S. 121-164), indem er konsequent kompositionsgeschichtlich
(vgl. die Bemerkungen zur Methode, Kap. 1,
S. 30-36) neun Textabschnitte untersucht: Lk 1-2; 12,35-48;