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Ausgabe:

1989

Spalte:

508-510

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Levine, Étan

Titel/Untertitel:

The Aramaic version of the Bible 1989

Rezensent:

Macuch, Rudolf

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507

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 7

508

I. Position im anschließenden Satz (bei Verb an 2. Position) ein Pronomen
, das referenzidentisch mit dem Pendens ist. Das „Freie
Thema" dagegen unterliegt nicht derartig restriktiven Bedingungen.
Vf. sieht dann aber klar und schnell (vgl. S. 8) die Schwierigkeiten,
diese Unterscheidung (mit weiteren Präzisierungen) auf das Hebräische
anzuwenden. Sein Vorgehen reduziert sich auf die Beachtung
markierter bzw. nicht-markierter Pendentia. Und eine unerläuterte
Vorentscheidung bleibt bestimmend: „Die unmarkierten Pendentia
werden jedoch nur selten als .. Freies Thema angesehen".

Abgesehen davon, daß Vf. dann doch nicht die methodischen
Impulse Altmanns übernimmt bzw. übernehmen kann, wäre doch ein
kritischer Hinweis angebracht gewesen, daß mit Termini wie „Linksversetzung
" bzw. „Freies Thema" Äpfel und Bimen als gleichwertig
behandelt werden: (a) Es ist eine Sache, die textliche Realisierung zu
befragen (Stellungseigcnschaflen, morphologische Markierung, Intonation
), (b) Eine andere ist es, die kommunikative Funktion eines solchen
Phänomens anzugeben. Hiereu sagt ein Terminus wie „Linksversetzung
" nichts. Auch das Referat von Groß gibt hierzu keinerlei
Hinweis. Der Terminus „Freies Thema" läßt eher ahnen, was damit
kommunikativ erreicht werden kann (wenngleich die Ausführungen
hierzu dürftig bleiben). Auf dieser Basis bleibt die tendenzielle Vorabentscheidung
gegen das „Freie Thema" methodisch unreflektiert.
Zudem wird nicht gesagt, wofiir sich Vf. entscheidet. Der Terminus
„Pendens" - ob markiert oder nicht - gehört in die Kategorie (a); was
damit kommunikativ erreicht werden kann (b) -, ist dadurch nicht eo
ipso auch schon gesagt. Hier bleiben also Theorie-Defizite.

Die große Stärke des Buches liegt in der sorgfältigen Erfassung der
Flut von Textbelegen. Sehr übersichtlich wird gefragt nach pendieren-
dem direktem Objekt, Zeitangabe, Ortsangabe, Wortgruppe (in
unterschiedlicher Funktion im nachfolgenden Satz), Subjekt, Prädikat
, inneres Objekt, Pendens als nomen rectum, zwei oder mehr Pendentia
. Schließlich werden Elemente vor dem Pendens besprochen
(z. B. Textdeiktikon w' = atta). Die Belege werden danach sortiert, ob
die syntaktische Funktion des Pendens markiert ist oder nicht. Die
Bündelung in Satzmodellen einerseits, die Zusammenfassung der
Belege in gleichartigen Gruppen andererseits, machen den Stoff gut.
zugänglich. Grammatikterminologie und Transkription der Belege
orientieren sich „im wesentlichen" (9) an Richter. Weitere grafische
Symbole strukturieren die Ausführungen, z. B. zeigt: // die Trennstelle
zwischen Pendens und dazugehörigem Satz an. Die verschiedenen
Satzbaupläne (mit M +Ziffer erfaßt) werden in Schemata (mit
S +Ziffer) gebündelt (vgl. S. 15 u. ö.; laut Abkürzungsverzeichnis ist
„S" auf „Subjekt" festgelegt).

Zu B 3 wird Gen 13,15 gerechnet: kl 'at kull ha = 'ars asr 'atta ro 'a
/' = ka 'ittin-an = fhja... (vgl. 13); diese Beleggruppe repräsentiert
Satzbauplan M 4:

(..) 'at + { eNp-£r( ■' '} // PV+V+('at)+ePP[0*] (..).

Diese Notation ist zwar gewöhnungsbedürftig, letztlich aber doch
sehr klar. Auf die beigegebenen grammatisch-stilistischen Beschreibungen
ist Verlaß. Insofern leistet das Buch einen wichtigen Beitrag
zur Beschreibung hebräischer Äußerungen.

Hinsichtlich seines „Satzverständnisses" sind Reserven anzumelden
: Es bleibt ein Geheimnis des Vf., daß er je das pendierende Element
grafisch mit zwei Schrägstrichen deutlich abtrennt, auch bisweilen
gut die eigenständige stilistische Wirkung dieses vorangestellten
Gliedes beschreiben kann (vgl. 190-192), andererseits sich doch weigert
, aus beidem die Konsequenz zu ziehen und das pendierende Glied
als eigenständige Größe zu werten. Statt dessen bevorzugt Groß
logisch unhaltbare Auskünfte: ein Pendenssatz habe zwei betonte
Anfange (vgl. 191); weil ein Satzglied doppelt vorhanden ist (Referenzidentität
) muß eine Sondersatzform (Pendenssatz) postuliert werden
, die genau das zur Regel erhebt, was in allen sonstigen Sätzen verboten
ist: die Verdoppelung (nicht: Erweiterung!) eines Satzgliedes
(vgl. 187). Wiederholt wird zugestanden, daß der Satz ohne pendieren-

des Element vollständig sei, z. B. die Verbindung von 1 mit finitem
Verb ist das sicherste Indiz für den Beginn einer Äußerungseinheit
(= ÄE, in meiner Terminologie). Wer es aufgibt, nur um in
anderen methodischen Bereichen (z. B. casus-pendens-Problematik)
Lösungsmodelle beibehalten zu können, die noch vergleichsweise
unreflektiert von „Sätzen" sprachen, begeht einen folgenschweren
Schritt. Bevor er getan wird, müßten weitere Fragen diskutiert werden
: Setze ich voraus, daß Äußerungen immer satzhaft geschehen?
Finden sich nicht in jeder Kommunikation auch Äußerungen, die
nicht in ein Satzschema zu pressen sind? Für eine Lösung des casus-
pendens-Problems in anderer Weise (pragmatisch, im Kontext von
„Thema-Rhema", mit Abtrennung des Themas als eigener ÄE) vgl.
Schweizer, Metaphorische Grammatik, 1981,33f.302. Nichts anderes
meint Andersens Charakterisierung als "fresh topicalization"; ähnliches
hatten wohl die Masoreten im Sinn, die vordem folgenden Verb
einen Trenner gesetzt haben. Zitat und Hinweis bei Groß 11 f, dessen
eigene Position bei solchen Befunden besonders prekär wird. Man
sollte bei dieser Debatte noch hinzufügen, daß sich nach neuester
sprachwissenschaftlicher Diskussion der Versuch einer Satzdefinition
über die „Prädikation" (Frage nach Satzgliedern wie Subjekt. Objekt
usw.) als zu eng erwiesen hat. Dieser Blickwinkel kennzeichnet die
herkömmliche Grammatik, d. h., er geht zu sehr von sachlogischen
Bedingungen aus. Mag diese Fragestellung im Blick auf ein grammatisches
System (langue) zu rechtfertigen sein, so kann sie den konkret
vorliegen Äußerungen (parole) nicht gerechtwerden, weil sich aktuelle
Rede oft genug nicht explizit und sklavisch an die Sachlogik hält. Diesem
„illokutiven" Aspekt der Sprach Verwendung wollen „Äuße-
rungseinheilen" gerecht werden. Sie sind - im sachlogischen Sinn -
nicht eine verkappte Satzdefinition; vgl. den Verweis auf Literatur in
Schweizer, Biblische Texte verstehen, 1986,38f.

Die Frage, was eine ÄE systemhaft, sachlogisch darstellt, wieviele
ÄEen u. U. zusammengenommen werden müssen, damit ein Satz (=
eine logisch vollständige Prädikation) entsteht, ist eine nachgeordnete
Fragestellung, die sich von der aktuellen Äußerung schon einen
Schritt weg, hin zum grammatischen System, bewegt hat.

Tübingen Harald Schweizer

Levine, Etan: The Aramaic Version of the Bible. Contents and Con-
text. Berlin (West)-New York: de Gruyter 1988. XIV, 258 S. gr.8* =
BZAW, !74.Lw. DM 118,-.

Der Vf. ist durch seine Editionen der Targume der Bücher Ruth
(1973), Jonah (1975), Klagelieder (1976) und Qohelet (1978) sowie
Studien zum Targum Neophyti I und Problemen der jüdischaramäischen
und sogar der syrischen biblischen Übersetzungslitcratur
bekannt. In seinem vortiegenden, in zwei Sektionen eingeteilten
Buch: (a) Introductory Essays und (b) The Aramaic Version of the
Bible hat er versucht, eine kritische, sowohl formale als auch inhaltliche
Analyse des gesamten jüdisch-targumischen Erbes in seinen
theologischen, angeologisch-dämonologischen, traditionsgeschicht-
iichen, moralisch-theoretischen und praktischen, exegetisch-herme-
neutischen, harmonisierenden und kontradiktorischen, historischen
und historiographischen, polemischen (anti-christlichen und anti-
isramischen) sowie messianisch und eschatologisch bedingten Aspekten
darzustellen. Die Topoi zeigen deutlich eine umfangreiche inhaltliche
Komplexität der jüdischen Targumim, deren Wichtigkeit weit
über rein philologische Probleme und Interessen hinausgeht.

Obwohl die Probleme des kritischen Studiums des hebräischen
Bibeltextes und der Targum-Literatur gewisse Parallelitäten aufweisen
, haben sich Gelehrte durch die Schwierigkeiten des ersteren nicht
abschrecken lassen, während das letztere kaum noch ansatzweise
durchgeführt wurde. Es ist klar, daß die aramäischen Targumim kein
einheitliches Corpus, sondern einen Komplex von jahrhundertelangen
Zuwächsen darstellen, und die brennendsten Fragen nach ihren
Autoren und Abschreibern, deren Lebenszeiten und -umständen