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Ausgabe:

1989

Spalte:

503-505

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lohse, Bernhard

Titel/Untertitel:

Evangelium in der Geschichte 1989

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 7

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berger Regelung also verständlicherweise nicht zum allgemeinverbindlichen
Muster für Pfarramtsberufungen geworden war. Unverkennbar hat sie jedoch in
ihrer Grundintention in einigen der Kirchenordnungen Bugenhagens nachgewirkt
. Das entspricht der Behandlung des Pfarrerwahlverfahrens in der seinen
Kirchenordnungen vorausgehenden Schrift Bugenhagens von 1526 „Vom
christlichen Glauben und rechten guten Werken . . .", in der wiederholt deutlich
zum Ausdruck kommt, daß ohne den Willen der Gemeinde kein Prediger
eingesetzt werden soll, im Detail jedoch nach den jeweils gegebenen Verhältnissen
zu verfahren sei: „Van dem Christen louen vnde rechten guden wercken ...

An de ehrentrike Stadt Hamborch", Wittemberch MDXXV1, Bl. ZjjjjV - ajjv
(benutzt ist eine Kopie des im Staatsarchiv Hamburg vorh. Exemplars); vgl. im
Abdruck der Schrift bei K. A. T. Vogt, Johannes Bugenhagen, S. 246-250.
E. Schling, Kirchenordnungen (oben Anm. 99), S. 700.
120 Bugenhagens Schreiben vom 31. Juli 1544 an die pommerschen Gesandten
, in dem er die ihm angetragene Übernahme des Bistums in Cammin ablehnte
: „Den disses Pfarrampt, ob wol de Nhame geringer ist, so ists doch ein
recht warhaftig bischoflich Ampt..." - O. Vogt, Briefwechsel (oben
Anm. 105), S. 289.

Allgemeines, Festschriften

Lohse, Bernhard: Evangelium in der Geschichte. Studien zu Luther
und der Reformation. Zum 60. Geburtstag des Autors hg. von
L. Grane, B. Moeller u. O. H. Pesch. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1988.446 S. gr.8". Kart. DM 68,-.

Festschriften können vielgestaltig angelegt werden. Die drei in der
reformationsgeschichtlichen Forschung wohl bekannten und schon
deshalb dem Jubilar verbundenen Herausgeber haben sich dazu entschlossen
, ausschließlich Lohse selbst - abgesehen vom Vorwort -
aufs neue vorzustellen. Wer Bernhard Lohses Rang in der Luther- und
Reformationsgeschichtsforschung kennt, wird das keineswegs einfallslos
finden können; denn die 22 abgedruckten Aufsätze und Vorträge,
verfaßt bzw. vorgetragen in den Jahren zwischen 1960 und 1988,
geben nicht nur in schöner Zusammenfassung die wichtigsten kleineren
Forschungsbeiträge Lohses wieder, sondern vermitteln einen glänzenden
Überblick über die wissenschaftliche Arbeit an Luther in den
zurückliegenden drei Jahrzehnten. Der reiche Anmerkungsapparat
dient in vielen Fällen dazu, das Bedenken oder Zustimmung äußernde
Gespräch mit fast allen zu führen, die sich zu Luther und der lutherischen
Reformation zu Wort gemeldet haben. Schon dieses ist eine
Leistung, für die Lohse ein herzlicher Dank gebührt.

Eine Rezension ist gewiß nicht dazu da, der laudatio von Seiten der
Hgg. eine weitere hinzuzufügen, aber die Wiedergabe der Gründe für
das Vorgehen der Editoren scheint angemessen zu sein. Zu Recht hervorgehoben
wird die Detailtreue und Präzision des engagierten Quellenarbeiters
Lohse, seine zur heilsamen Ernüchterung führende
Nüchternheit in der Findung seiner Forschungsergebnisse (7) und
„seine zugleich überzeugte und dennoch niemals unkritische kirchliche
Bindung" (8).

Der Buchtitel „Evangelium in der Geschichte" ist vollauf gerechtfertigt
, weil Lohse mit den oben genannten Kriterien das Evangelium
in der Geschichte der Reformation aufsucht, und zwar unter Beachtung
multikausaler Zusammenhänge unter Verwendung der Vorgeschichte
, der Kontexte und der Wirkungsgeschichte.

Der Band enthält eine vollständige Bibliographie aller wissenschaftlichen
Veröffentlichungen Bernhard Lohses, insgesamt 391
(412-430), wobei die Ersterscheinungen der hier aufgenommenen
Beiträge besonders gekennzeichnet sind. Ein sehr ausführliches Personenregister
, das ebenso die Namen der in Lohses Forschungsarbeit
begegnenden Personen wie die moderner Verfasser enthält, ist nicht
minder hilfreich als ein sorgfältig abgestuftes Sachregister, das den
Gebrauchswert des Bandes zum Stichwort „Reformatorische Theologie
" weiter erhöht.

Dadurch, daß sich die Hgg. auf Arbeiten zu Luther und zur Reformation
„beschränkt" haben, ist der Leser in die Lage versetzt worden,
trotz und wegen der vielen Einzelbeiträge einen geschlossenen Band
vorzufinden, der die wichtigsten Probleme der Lutherforschung heute
und auch wesentliche Teile der auf Luther bezogenen sonstigen Reformationsgeschichte
erschließt. Dabei weiß jeder Kirchenhistoriker,
daß Lohses Forschen nicht nur Gegenstände des 16. Jh. anvisiert hat.
Davon zeugt schon allein die stattliche Reihe von Lexikon-Artikeln
(415f,412f).

Da der Jubilar im Einvernehmen mit den Hgg. selbst „die Liste der
aufzunehmenden Beiträge aufgestellt" (9) hat, wird der Leser gewiß
sein dürfen, hier etwas Repräsentatives vor sich zu haben, das zum
Kennenlernen des Autors und der Beweggründe seines Arbeitens dienen
kann. In fünf Themenkomplexen, die allerdings nicht gleichmäßig
extensiv ausgestattet sind, legt Lohse sein Schaffen vor: I. Der
junge Luther; II. Luther und andere Reformatoren; III. Luthers Bibelverständnis
; IV. Luthers Theologie und ihre Wirkung; V. Luthers
bleibende Bedeutung. (Die Besprechung von A. Grillmeiers Werk
über Jesus den Christus im Glauben der Kirche hat der Rez. im vorliegenden
Band vergeblich gesucht.)

Es ist aussichtslos, in einerplatzmäßig sehr eingeschränkten Rezension
auch nur andeutungsweise den Reichtum vorzustellen, den man
hier findet. Es kann lediglich im klassischen Sinne nachgesprochen
werden: „Nimm und lies". Wer in Luther eingeführt sein will, hat hier
Verläßliches vor sich, das auch zu jeder Art wissenschaftlicher Weiterarbeit
instand setzt.

Nachstehend kann nur stichwortartig vorgezeigt werden, was den
Leser erwartet: Die Abteilung I. geht auf Augustins Bedeutung für
Luther, Luthers früheste Psalmenexegese (Ps71 (72), 1 +2) und die
Begegnung zwischen Cajetan und Luther ein. Der Komplex II behandelt
Hus, Melanchthon (im Rahmen der Kritik am Mönchtum),
Müntzer, Erasmus und die CA und bietet einen Vortrag über „Luthers
Selbsteinschätzung". Die III. Abteilung widmet sich Luthers Bibelübersetzung
, seinen darin zum Ausdruck kommenden hermeneuti-
schen Prinzipien und Kriterien der Kanonsbildung. Der Themenkomplex
IV ist mit neun Beiträgen der ausführlichste und handelt
über Darstellungsprobleme der Theologie Luthers, geht auf den
Reformator als Disputator ein und nimmt Sachfragen seiner Theologie
auf: Gewissen und Autorität, Christologic im Ablaßstreit, Einheit
der Kirche, Verständnis des leitenden Amtes, Privatberichte, Gesetz,
Tod und Sünde in der Exegese des 90. Psalms. Inder V. Abteilung gibt
es nur einen Aufsatz, der schon vom Thema her signalisiert, daß
Lohse in Luther auch für die Zukunft der Kirche und der Theologie
den bevollmächtigten Christuszeugen sieht.

Für Lohse ist Luther kein unhinterfragbarer Meinungspapst. Zu
Fragen an ihn bedient er sich sogar der Bcgriffsbildung wichtiger
römisch-katholischer Reformationshistoriker (z. B. J. Lortz). Zu her-
meneutisch relevanten Bibelübersetzungsfragen bei Luther nieint
Lohse: „Schließlich, auch diese Frage muß erwogen werden, ob nicht
mit der Zuspitzung des gesamten biblischen Zeugnisses auf Themen
wie Gott, Glaube, Gericht, Heil eine gewisse Engführung in Richtung
auf einen Heilsindividualismus vorgenommen worden ist. Gewiß ist
es Luther auf diese Weise gelungen, angesichts der Fragen seiner Zeit
eine außerordentlich tiefe und treffende Interpretation der Bibel zu
geben, die ganz sicher auch von bleibender Bedeutung sein dürfte. Es
stellt sich aber doch die Frage, ob der kaum je auszulotende Inhalt der
Bibel in Luthers Übersetzung, auch wenn diese die bislang tiefste sein
mag, erschöpfend wiedergegeben worden ist." (210)

Gleichgewichtig zeigt aber der Schlußabschnitt der Studie zu
Luthers Ekklesiologie, daß der ökumenisch aufgeschlossene Theologe
Bernhard Lohse doch auch der dem Evangelium gehorsame Schüler
Luthers sein und bleiben möchte: Luthers „im ganzen konservative
Haltung gegenüber der kirchlichen Tradition, verbunden jedoch mit