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Ausgabe:

1989

Spalte:

471-473

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Gemeinsam glauben und bekennen 1989

Rezensent:

Kühne, Hans-Jochen

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Theologische Literaturzeitung 1 14. Jahrgang 1989 Nr. 6

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die sich in verschiedenen Anläufen um eine Wiedergewinnung eines
theologisch verantworteten Bildungsbegriffes bemüht haben, verfallen
harscher Kritik und Ablehnung.

Inzwischen fragt auch der geneigte Leser, was es nun denn sein soll
mit Religionspädagogik und RU. Eine Antwort auf diese Frage
erscheint mir auch nach mehrmaliger Lektüre des Beitrags nicht möglich
. Denn was sollen das Zitaten-Potpourri aus Jüngel, Bonhoeffer,
O. Bayer u. a. unter dem gemeinsamen Nenner eines universalen
Anspruchs Jesu Christi und die emphatische Behauptung, daß der
Glaube alles Gott verdanke, in der gegenwärtigen Situation religionspädagogischer
Arbeit konkret für eine Grundlagentheorie austragen?
Hier ist alles unklar und verworren.

Abgesehen davon, sind die wichtigen Stimmen von Martin Stallmann
, Hans Stock und vielen anderen, die eine Religionspädagogik
im Horizont eines glaubenden Verstehens formiert haben, vergessen,
der Jugendliche in seinem grundständigen Fragen ist verdrängt und
die vielen ehrlichen Bemühungen von unzähligen Religionslehrerinnen
und Religionslehrern, welche die in der Bibel aufgehobenen
Erfahrungen mit heutiger Erfahrung zu konfrontieren und daraus
Zuspruch und Weisung für heute zu gewinnen suchen, durch dürre
Behauptungen eskamotiert. So geht das nicht!

Ich möchte nicht mit dieser scharfen Abrechnung mit durchaus
ungeklärten theologischen Fragmenten enden, sondern auch noch
darauf verweisen, daß in dem Band auch Erwägenswertes für die
Praxis zu finden ist. Ich denke an die sorglältige Gegeneinanderstellung
von Jugendarbeit und RU zum Zwecke einer Kooperation von
R. Schinzer, an H. G. Ulrichs Beitrag zur „Ethik im Religionsunterricht
", der mit der Feststellung endet, daß die ethische Lebensform als
Diskurs und Erprobung Sache des RU sei, dem es darum gehe, durch
die Erneuerung des Sinnes Veränderungen heraufzuführen. Daß da
dann wieder abstrakt vom „Wort" die Rede ist, ertrage ich, weil vorher
Konkretes gesagt wurde.

Es ist nicht möglich und auch nicht notwendig, alles Revue passieren
zu lassen. Wenn mich einer fragt, ob das nun „Grundlagen"
waren, möchte ich sagen: Versuche in dieser Richtung habe ich in
Ansätzen gesehen, aber Gelungenes entdeckte ich nur wenig.

Bern Klaus Wegenast

Ökumenik: Allgemeines

Link, Hans-Georg [Hg.]: Gemeinsam glauben und bekennen. Handbuch
zum Apostolischen Glauben. Neukirchcn-Vluyn: Neukir-
chener Verlag; Paderborn: Bonifatius 1987. 363 S. gr. 8°. Kart.
DM 26,80.

Die Kommission für „Glaube und Kirchenverfassung" hatte auf
ihrer Tagung 1978 in Bangalorc neben den Bemühungen um eine
gegenseitige Anerkennung von Taufe, Eucharistie und Amt sowie um
verbindliches Lehren und Entscheiden das Ringen um einen „Konsensus
im apostolischen Glauben" als wesentlichen Beitrag auf dem
Weg zur Einheit der Kirchen herausgestellt. Ein vorläufiges Ergebnis
des Studienprojektes „Auf dem Wege zu einem gemeinsamen Ausdruck
des apostolischen Glaubens heute" liegt mit dem Studiendokument
„Den einen Glauben bekennen" (Faith and Order Paper
No. 140) inzwischen vor. Innerhalb des Studienprozesses wurde 1985
ein Handbuch veröffentlicht: Apostolic Faith Today (Faith and Order
Paper No. 124), dessen deutsche Herausgabe H.-G. Link zu danken
ist.

Das Handbuch „ist mit der Absicht zusammengestellt worden, in
erster Linie die wichtigsten inhaltlichen multilateralen Texte zum
Thema .gemeinsamer christlicher Glaube heute' von den Anfängen
der neueren ökumenischen Bewegung bis zur Gegenwart zu dokumentieren
" (S. 31). Es gliedert sich in drei Teile. Im Teil A „Grundlagen
" werden die drei altkirchlichen Bekenntnisse und Bekcnntnis-
bildungen des 16. und 17. Jh. wiedergegeben. Das Schwergewicht liegt
auf Teil B „Ökumenische Bewegung des zwanzigsten Jahrhunderts",
der auszugsweise die Hauptkonferenzen von „Glaube und Kirchenverfassung
" und einzelne Sektionsberichte der ÖRK-Vollversamm-
lungen sowie verschiedene kirchliche Dokumente (u.a. Barmer
Erklärung, Offenbarungskonstitution des II. Vaticanums, Leuenber-
ger Konkordie, Vorlagen der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der Röm.-
kath. Kirche und des ORK, Abschlußbericht zur Studie über die Verwerfungen
des 16. Jh. wiedergibt, um dann die ersten Ergebnisse des
Studienprojekts selbst zu dokumentieren (u. a. Klingcnthal-Memo-
randum 1979 zum Filioque, Odessa-Bericht 1981 zur ökumenischen
Bedeutung des Nizäno-Konstantinopolitanums, Lima-Bericht 1982:
Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ausdruck des apostolischen
Glaubens heute, Rom-Bericht 1983: Der apostolische Glaube in der
Schrift und in der Alten Kirche). Ein knapper Teil C bietet u. a. Vorschläge
und Fragen für Arbeitsgruppen und einige Hinweise auf
neuere Veröffentlichungen der Kommission zum Thema.

Das Handbuch leistet den Dienst, den Stellenwert der Bekenntnisse
und des Bekennens für die ökumenische Bewegung und für die Einheit
der Kirche neu bewußt zu machen. Es vermittelt nicht nur ökumenische
Geschichte, sondern legt Zeugnis ab von der geistlichen Mitte
ökumenischen Ringens.

Viele Texte machen betroffen. Wie lange dauert es, bis Impulse aufgenommen
werden? Liest man z. B. den Sektionsbericht von Edinburgh
1937 zum Thema „Gnade", der bereits damals feststellte, „daß
die Fragen dieses Verhandlungsgegenstandes keinen Grund bieten, die
Scheidung zwischen den Kirchen aufrecht zu erhalten" (S. 99), oder
die Aussagen von Uppsala 1968 zum Wirken des Heiligen Geistes in
den getrennten Kirchen und der daraus resultierenden neuen Einsicht
in die Katholizität der Kirche, wird man nachdenklich. Was vermögen
ökumenische Texte? Die Kirchen sind die Mitglieder im Ökumenischen
Rat. Sie haben sich auf einen Prozeß eingelassen. Ist aber,
was bis jetzt in der Ökumene geschehen ist, nicht doch nur ein Dialog
von „Ökumenikern" und noch nicht von Kirchen? Die von Schlink
geforderte „kopernikanische Wende" der Kirchen steht noch bevor-
und ist doch der Sache nach bereits 1952 in Lund erkannt worden:
„Wir können noch nicht wissen, was sich uns alles erschließen wird,
wenn wir zusammen auf ihn, das Haupt des Leibes, schauen. Es fällt
uns leicht, in unseren verschiedenen Kirchen darüber nachzudenken,
was unsere getrennten Brüder noch lernen müssen. Die Liebe Christi
wird uns bereiter machen zu lernen, was er uns durch sie lehren kann"
(S. 107). Ohne diese „kopernikanische Wende", ohne eine ökumenische
Spiritualität der Kirchen ist der Weg zu einem gemeinsamen Ausdruck
des apostolischen Glaubens nicht zu beschreiten.

Neben dieser Frage an die eigentlichen Träger der ökumenischen
Bewegung auf Grund der hier vorgelegten Dokumente steht die andere
zum Inhalt des Handbuchs und damit ztyn Profil der Studie überhaupt
. Man wollte mit der Auswahl „die drei Hauptbeteiligten an der
multilateralen Verständigung über den christlichen Glauben gebührend
zu Wort kommen" lassen: die Bewegung für Glaube und
Kirchenverfassung, den ORK und die Röm.-kath. Kirche (S. 310-
Erscheint an sich schon die Abhebung von „Glaube und Kirchenverfassung
" vom ORK problematisch, so ist es die sich durch die genannten
Auswahlkriterien ergebende Reduzierung auf Texte rein dogmatischen
Charakters auf alle Fälle. Geschieht Glauben und Bekennen
heute nicht angesichts sehr konkreter Herausforderungen? Sind die
ökumenischen Stellungnahmen (und Programme) gegen Rassismus,
für Gerechtigkeit und Frieden, die Option Für die Armen auf Grund
des Evangeliums und all die im Handbuch nicht tangierten Berichte
und Erklärungen z. B. der ÖRK-Vollversammlungen nicht auch
Zeugnisse, in denen sich zumindest das Ringen um Glauben und
Bekennen widerspiegeln? Doch der gesamte, einst durch die Bewegung
für Praktisches Christentum vertretene und in die Ökumene eingebrachte
Bereich ist hier ebenso ausgeblendet wie Zeugnisse aus den
Kirchen der Dritten Welt und Ergebnisse der Wcltmissionskonferen-