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Ausgabe:

1989

Spalte:

469-471

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Grundlagen der evangelischen Religionspädagogik 1989

Rezensent:

Wegenast, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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eher kompendienhaft, z. T. in akribischen Einzeluntersuchungen,
keinesfalls gleichförmig (m. E. ragen die rechtstheologischen Abschnitte
heraus, während z. B. die schöpfungstheologische Reflexion
• recht knapp ist usw.). Kirche und Theologie werden durch Joss-
Dubach mit ihrem eigenen Anspruch der Schriftorientierung konfrontiert
- und des Defizits überführt. Unter dem Aspekt der Sorge um
den alten Menschen werden u. a. folgende Defizite (durch soziale
Analyse erweitert) benannt: Diakonie, Lebensformen der Christengemeinde
, Mission und Evangelisation. Mit Nachdruck wird festgestellt
: „Es fehlt an Vorstellungen, wie Christengemeinden ihren diakonischen
Auftrag im Verhältnis zum Sozialstaat und zur Fürsorge/
Sozialarbeit der Bürgergemeinden phantasievoll, kreativ und hilfreich
gestalten können ... All diese Fragen brechen in und mit der Altersfrage
auf. . ." (222ff).

Folgerichtig thematisiert Joss-Dubach die im Buchtitel genannten
-Herausforderungen" für die Kirche folgendermaßen: 1. als Herausforderung
an organisationstheoretische Reflexion und strukturbedachte
Handlungsformen der Kirche (Fragestellung z. B.: Wie muß
Gemeinde/Kirche aussehen, die eine gesellschaftlich relevante Integrationsbasis
für ältere Menschen sein will?), 2. als Herausforderung
an die religionspädagogische Kompetenz der Kirche zur Erwachsenenbildungsarbeit
mit älteren Menschen, zur kirchlichen „Altersbildung
", 3. als Herausforderung zur poimenischen/pastoral-
Psychologischen Profilierung (in diesem Kapitel arbeitet Joss-Dubach
0111 dem Stilmittel des sog. Lesehinweises: in den laufenden Text integrierte
ausführliche Rezensionen wichtiger Veröffentlichungen, vor
allem aus dem Bereich der verschiedenen gerontopsychiatrischen u. ä.
Therapieansätze; außerdem behandelt er die fünf häufigsten Alterskrankheiten
und deren Bedeutung für die Seelsorge), 4. als Herausforderung
an diakonisches Handeln (hier entfaltet Joss-Dubach Kon-
zepte gemeinwesenorientierter Altersdiakonie, soziale Netzwerke
u- ä.) und 5. als Herausforderung an die liturgische und homiletische
Kompetenz der Kirche, an die generationenintegrierende gottesdienstliche
Kommunikation.

Damit endet der Textteil (es folgt der 140 S. umfassende Anhang)
eines überaus bemerkenswerten Buches. Nicht alles aus dem Bereich
der Veranschaulichung ist übertragbar: Altersversorgungsmuster und
überhaupt Sozialstaatlichkeit haben in der Schweiz ihr eigenes Gepräge
, sind offenbar generell eher kantonal-gemeindlich strukturiert
als in den Nachbarländern, sind damit aber auch - und das ist für die
Gesamtaussage des Buches wichtig - genuin näher an Methoden der
sozialen Netzwerkbildung und der Gemeinwesenorientierung dran,
ermöglichen pionierhaft neue Ansätze kirchlicher Altenarbeit. Diese
smd freilich angesichts der demographischen Entwicklungen - und
angesichts des biblischen Auftrags! - auch überall sonst in den Industrieländern
vonnöten.

Darmstadt Horst Seibert

Praktische Theologie:
Katechetik:Religionspädagogik

°hlemacher, Jörg, u. Heinz Schmidt [Hg.]: Grundlagen der evangelischen
Religionspädagogik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1988. 225 S. 8'. Kart. DM 32,-.

Es gibt wieder „Grundlagen der evangelischen Religionspädago-
g'k"! Bei einem solchen Titel stellen sich für den Leser nicht nur ganz
bestimmte Erwartungen, sondern auch Befürchtungen ein. Man denkt
So z. B. an primär kirchliche Zubringerdienste für verengte Vorstel-
'ungen von Gemeindeaufbau, die hier Urstände feiern könnten und
die das kritische, dialogische und argumentative Niveau des Religionsunterrichts
, wie es an nicht wenigen Stellen zu beobachten ist,
wesentlich unterbieten würden, aber man denkt auch an eine Basis für
eine angemessene Verantwortung des Evangeliums in den religionspädagogisch
zu verantwortenden Handlungsfeldern von Kirche und
Gesellschaft. Im Hinterkopf hat man dabei auch kritische Rückfragen,
ob solche „Grundlagen" angesichts eines pluralistischen Christentums
z. B. der Religionslehrerschaft im Grunde doch nur utopisches
Wunschdenken repräsentieren könnten. Oder kann man etwa durch
Beschluß das kaum konfessionell geprägte private Christsein von Lehrern
und Schülern in erworbene Kirchenzugehörigkeit verwandeln?

Mit solchen Fragen, Erwartungen und Bedenken begann ich die
Lektüre des Büchleins, das auf wenigen Seiten viel vorhat:

Die Klärung des Verhältnisses von Religionsunterricht (RU) und staatlicher
Schule (K. Fikenscher)

Eine angemessene Verhältnisbestimmung zwischen Religionspädagogik und
Exegese (W. Pöhlmann)

Die Feststellung des Theologiebedarfs von Religionslchrern (G. Kruhöffer)

Die Beantwortung der Frage nach der Funktion von „Moden" in der Religionspädagogik
(R. Lachmann)

Die Diskussion der Beziehungen zwischen Theologie und Religionswissenschaft
(F. Stolz).

Die Hgg. selbst haben den Eindruck, daß es ein hoher Anspruch ist,
den der Titel des Buches signalisiert, und sie wissen auch um hier
mögliche Mißverständnisse und Unzeitgemäßheiten.

Immerhin zeigen Hgg. und Autoren da Flagge, wo es um eine Abgrenzung
von Religion geht und von sich darunter formierenden
Bewegungen wie New Age, die den Sinn von Welt und Mensch ebenso
zu kennen vorgeben, wie sie Identitäshilfe verheißen. Allen Autoren
geht es darüber hinaus um eine verstehbare und griffige Kennzeichnung
des Profils von Evangelium angesichts der eher unübersichtlichen
Situation religionspädagogischer Theorie und Praxis. Daß die
Hgg. dann auch noch die Unfähigkeit der sog. Humanwissenschaften
beschwören, z. B. als integrierende Kraft in der gegenwärtigen Situation
von Kultur, Bildung und Erziehung zu dienen, ist Geschmackssache
angesichts einer ähnlichen Gesamtanlage der Theologie.
Immerhin haben uns die Humanwissenschaften kräftig dabei geholfen
, dem illusionären Wunschdenken früherer Katechetik und Religionspädagogik
den Abschied zu geben, und darüber hinaus Möglichkeiten
eröffnet, wieder zu verstehen, was es um eine „Fleisch-
werdung" des Evangeliums angesichts einer veränderten Welt auf sich
haben könnte.

Aber wie immer, hören wir auf einige Signale des hier zu besprechenden
Büchleins!

Interessant W. Pöhlmanns Plädoyer für eine dialogische Zusammenarbeit
zwischen Exegese und Religionspädagogik, in der die Exegese
sich gezwungen sehe, ihre musealen Interessen durch hermeneu-
tische Bemühungen um heutiges Fragen und Denken zu ergänzen,
und in der die Religionspädagogen dazu veranlaßt werden, die Lernerfahrungen
der Bibel angesichts sich rasch verändernder didaktischer
Situationen ins Kalkül aufzunehmen.

Wichtig auch die von K. Fikenscher betonte Funktionsbestimmung
eines nach seiner Meinung notwendig konfessionellen RU, einem allmählichen
Aufbau der Kompetenzen zu dienen, die ein zukünftiger
Laie braucht, um in christlichem Verständnis mit der Wirklichkeit
von Welt und Mensch umgehen zu können. (68)

Probleme habe ich mit dem Beitrag von G. Ringshausen „Religionspädagogik
und die Suche nach dem Ganzen" (127ff), in dem sich
der Autor mit ungefähr allem anlegt, was in irgendeiner Weise nach
Aufklärung „riecht", angefangen bei Adolf Diesterwegs Forderung
nach einem überkonfessionellen Unterricht über Religion über die
liberale Religionspädagogik vom Beginn unseres Jahrhunderts und
das aktuelle Konzept ökumenischen Lernens bis hin zu Gert Otto und
Peter Biehl, die für die Sicht Ringhausens den Glauben mit Hilfe der
Vernunft nicht nur zum Zuge bringen wollen, sondern auch determinieren
.

Der Amoklauf geht noch weiter! Auch K. E. Nipkow und R. Preul,