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Ausgabe:

1989

Spalte:

467-469

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Joss-Dubach, Bernhard

Titel/Untertitel:

Das Alter - eine Herausforderung für die Kirche 1989

Rezensent:

Seibert, Horst

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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Leitthemen, wie Schöpfung (9. 1.), Auferstehung (9. 3.), Gleichnisse
Jesu (7. 4.) und Gedanken zur Wunderfrage (6. 1. und 8. 4.), erleichtern
die Orientierung und eigene Standortfindung.

Nun ist aber im theologischen Denken seit 1980 ein Paradigmawechsel
unverkennbar und auch wohl unüberhörbar geworden. „Die
Bibel ist kein religiöses Buch" (5. 5.), und Passagen im Exkurs „Die
.Feinde' in den Psalmen" (4. 5.) etwa überging die Kritik 1980 freundlich
. Für eine Neubearbeitung 1988 hätte man sich für ein sonst so
„im weiten Feld" didaktisch geschickt aufgebautes Buch doch ein
Überdenken im rc/zg/o/u-pädagogischen Ansatz gewünscht. Religiöse
Erfahrung, die Religion der Bibel und ihre religiöse Sprache und Vorstellungswelt
-mit Mythos, Symbol und Zeichen sind Bereiche, in
denen man heute vor allem junge, im religiösen Erfahrungsbereich
verarmte Menschen beim Bibelstudium nicht allein lassen sollte.
Einige fast siebzig Jahre alte Zitate auf wenigen Seiten wirken in ihrem
Religionsverständnis anachronistisch, lösen die heute neu aufgebrochenen
Fragen des Bibellesers jedenfalls nicht. Ohne einer einseitigen
Symboldidaktik zu verfallen, wäre es doch wünschenswert, im Register
eines so wichtigen religionspädagogischen Sach- und Arbeitsbuches
Stichworte wie Mythos, Symbol, Zeichen und Religion aufzunehmen
und in die Überlegungen einzubeziehen.

Greifswald Günther Kehnscherper

Alles hat Seine Zeit. Zeit-Zeugnisse. Ein Lesebuch zum Kirchentag 1989.
Zum Einlesen. Meditieren, Vorbereiten. Hg. von der Arbeitsstelle der Evang.
Kirche von Westfalen für den Kirchentag Ruhrgebiet 1991, durch S. Berndsen
u. A. Büß. Bielefeld: Evang. Presseverband für Westfalen und Lippe 1988,
144 S. m. Abb. 8 Brosch. DM 8.90.

Bours. Johannes: Wer es mit Gott zu tun bekommt. Schritte geistlicher Einübung
in biblische Gotteserfahrungen. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1987.
236 S. 8'. geb. DM 26,80.

Drehsen, Volker: Die angesonnene Vorbildlichkeit des Pfarrers. Geschichtliche
Reminiszenzen und pastoralelhische Überlegungen (PTh 78, 1989,
88-109).

Greiner, Friedemann: In einem Kraftfeld der Liebe. Volkskirchc zwischen
Anpassung und Wagnis (LM 28, 1989,22-26).

Haustein, Manfred: Zum Kirche-Welt-Verständnis. Erinnernd und perspektivisch
(Standpunkt 17, 1989,36-41).

Hertzsch, Klaus-Peter: „Das Evangelium eröffnet Zukunft" (ZdZ43, 1989,
1-6).

King. Martin Luther(t): Der unchristliche Christ (ZdZ 43,1989,17-19).

Niemann, Raul [Hg.]: Unsere Zeit in Gottes Händen. Kirchentag 1989 Berlin.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1989. 127 S. 8" = GTB/Sie-
benstern, 1 104. Kart. DM 10,80.

Ratzmann, Wolfgang: Überlegungen und Materialien zu Taufhandlung und
Taufgespräch (Die Christenlehre 40, 1987, 11-17).

Röckle, Gerhard: Volkskirche im Umbruch.(DtPfrBl 88. 1988, 187-189).

Wanke, Joachim: Laienfrömmigkeit und Weltheiligung. Zur Sendung der
Laien der DDR in Kirche und Welt (GuL 61, 1988,205-216).

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Joss-Dubach, Bernhard: Das Alter - Eine Herausforderung Für die
Kirche. Ein theologischer Beitrag zur Auseinandersetzung mit den
Fragen des dritten und vierten Lebensabschnitts. Zürich: Theologischer
Verlag 1987.451 S. 8'. Kart. sFr 48.-.

Die neuere gerontologische Literatur (besonders im westlichen
deutschsprachigen Raum) ist in ihrer Fülle im Grunde kaum mehr
überschaubar. B. Joss-Dubach verarbeitet rund 200 speziell gerontologische
Titel (die alterspastoralen eingeschlossen). Die Dissertation
des Baseler Pfarrers hat von daher - neben allem anderen - eine interessengeleitete
Orientierungs- und Überblicksfunktion. - Inhaltlich ist
in den letzten Jahren trotz der steigenden Veröffentlichungszahlen

eine spürbare „Beruhigung" in der gerontologischen Gesprächssituation
eingetreten: kaum erst artikuliert, sind die „radikalen" Appelle
der frühen achtziger Jahre (z. B. K. Hummel: Öffnet die Altersheime!.
1982) schon wieder verklungen. Appelle, in denen sich ein berechtigtes
Unbehagen an dem gesellschaftlich rollenlosen Raum des Alterns
und das Dilemma von altersgerechter Versorgung und Ausgrenzung
artikulierten. Eingezogen ist zwischenzeitlich ein neuer Pragmatismus
, dem es weniger um die Abschaffung der Einrichtungen der
Altenhilfe o. ä. geht, als vielmehr um deren Verbesserung. Auch Joss-
Dubach leistet insgesamt einen gewichtigen Beitrag zur Humanisierung
des Altenbildes und der Altenhilfe, und zwar hinter kirchlichem
Vorzeichen und unter dem Anspruch ganzheitlichen Verständnisses.
- Schließlich hatte die gerontologische Fachdiskussion des letzten
Jahrzehnts gezeigt, daß Grundprobleme des Altwerdens gesellschaftlich
verdrängt sind: insbesondere die „Sinnfrage". Aiternswissenschaften
hatten die typischen Sinn- und Rechtfertigungsfragen alter
Menschen (z. B. „Wozu bin ich noch nütze?" u. v. ä.) oft überhört
bzw. von ihrem jeweiligen Forschungsansatz heraußer Betracht gelassen
. Joss-Dubach arbeitet diesbezüglich erheblieh weiterführend;
sinnerfülltes Altern im Rahmen gemeindlich-gemeinschaftlicher
Strukturen: Darum geht es ihm in den wesentlichen Passagen seiner
Arbeit. Der Stellenwert des Buches von Joss-Dubach innerhalb der
allgemeinen gerontologischen Diskussion ist also deutlich.

Noch bedeutender ist das Buch für die theologische, vor allem die
praktisch-t.leologische Reflexion und Praxis. Fast jedes Kapitel ist
eine Defizitanzeige und versucht die Auffüllung des'theologischen
und kirchlichen Theorie- und Praxisdefizits. Dabei ist der Gesamtaulriß
noch vergleichsweise herkömmlich: Zuerst die Darstellung der
wichtigsten human- und sozialwissenschaftlichen Standards (Demographisches
, Aiternsmedizin, -Soziologie, -Psychologie), danach die
biblisch-exegetischen Grundlagen einer alt- und ncutestamcnllich
begründeten „Theologie des Alters", anschließend soll in die systematische
Reflexion all dies Vorausgehende einfließen, und der praktisch-
theologische Schlußteil will alles „umsetzen" (den im Prinzip gleichen
Aufriß hatte z. B. schon die 1978 vom Diakonischen Werk der
Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebene Grundsal/-
studie „Der diakonische Auftrag am alten Menschen aus thcologisch-
humanwissenschaftlicher Sicht"). Wie fast immer bei diesem Arbeitsverfahren
(und noch risikoverstärkt durch die großen Mengen zusammengetragenen
und zuzuordnenden Materials), so bleibt auch bei
Joss-Dubach einiges an human- und sozialwissenschaftlichcn und
biblisch-theologischen Details auf der Strecke, geht sozusagen verloren
auf dem Weg zur praktisch-theologischen Umsetzung; irgendwie
ist der Weg bis dahin zu lang, zu verzweigt; mal treffen sich Human-
Wissenschaften und Theologie, mal verfehlen sie sich. Wo sie sich treffen
, ist der Dialog freilich hochinteressant, horizonterweiternd, die
Handlungsperspektiven der Kirche weit öffnend.

Grundsätzlich gilt für Joss-Dubach: „Es gibt aus der hier vertretenen
Sicht kein Zurück hinter den Weg, der vom religiösen Sozialismus
und der dialektischen Theologie zu der sozialethischen Diskussion in
der Ökumene, zur Rezeption der Humanwissenschaften und zur Auseinandersetzung
mit dem Marxismus und dem atheistischen Humanismus
geführt hat" (222). In gewisser Weise geschieht in diesem Ansatz
die diakonischc Aktualisierung K. Barths und ihm nahestehender
Positionen.

Die Defizitanzeige, die den exegetischen und systematischen Teil
des Buches begründet, lautet im wesentlichen, daß es zwar viele Ein-
zcluntersuchungcn, aber kaum Ansätze zu einer Gesamtschau gibt;
Joss-Dubach versucht den selbstgestellten Anspruch durch eine umfassende
theologisch-anthropologische Disposition mit besonderer
gerontologischer Akzentuierung zu erfüllen; so gewinnt zweifellos
eine biblische „Theologie des Alters" Konturen - ohne die Verkürzungen
anderer Genitivtheologien. Die Fülle alt- und neutestament-
liehcn Materials, erstmalig in solcher Ausführlichkeit und beabsichtigter
Zusammenschau zusammengestellt, ist imposant. Darstellungs-
gegenstand sind alle altcrsrelevanten Passagen in AT und NT, z. T.