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Ausgabe:

1989

Spalte:

465-466

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Titel/Untertitel:

Ehe 1989

Rezensent:

Ringeling, Hermann

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Seite 1

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465

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

466

Normvorstellungen entsprechen, eine Haltung, wie sie christlich und
humanistisch geboten ist." (S. 116t") Christlicher Glaube und Humanismus
können in Ringelings Konzept kaum in Konflikt miteinander
geraten.

Heidelberg Heinz Eduard Tödt

tung, Stuttgart: Kohlhammer 1988. Schade, daß soviel Polemik die
Vermittlung einer wirklich (von O. Bayer intendierten, S. 11) „seelsorgerlichen
Ethik" in die Erfahrungswelt heutiger Menschen behindert
.

Bern Hermann Ringeling

Bayer, Oswald [Hg.]: Ehe. Zeit zur Antwort. Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag 1988. 123 S. 8°. Kart. DM 19,80.

.,Zeit zur Antwort", das ist nach O. Bayers Vorwort und Beitrag ein
Stichwort, das die „wahrhaft freie Lebensform" der Ehe als Gleichnis
der Treue Gottes von Gesinnungen und Gestaltungen einer nachromantischen
Liebe abheben soll, die nur den Augenblick gelten läßt
und nur befristet gewährt wird. Der Titel bezeichnet, mit anderen
Worten, eine Verteidigungsschrift, mit der die Vff. der bis in liturgische
Handlungen hinein sichtbar werdenden Verachtung der Ehe als
Institution dauerhafter und verläßlicher Gemeinschaft entgegentreten
. Alsein Kompaß (H. G. Pöhlmann), der in einer Zeit des Glau-
bensschwundes, einer tiefgreifenden Krise des modernen Säkularismus
, in welcher der christliche und der gesellschaftliche Wertekanon
auseinanderfallen, die Richtung angeben kann, gilt die inhaltliche
Autorität des Wortes Gottes, wie sie von der 1. These der Barmer
Erklärung proklamiert wird.

Die absolute Position, die damit bezogen wird und die die gegebene
rechtlich-bürgerliche Institution der Ehe als in Gottes Ordnung
hegründet legitimieren soll, läßt Argumentation oder auch nur Situationsanalysen
nicht zu, am ehesten noch in den Ausführungen
W> Eibachs zur Eheberatung. Das betrifft besonders die nichtehelichen
Lebensgemeinschaften, deren sozialgeschichtliche Ursachen nicht
zum Thema werden (S. 14), es scheinbar nicht zu werden brauchen,
weil freie Lebensgemeinschaften (so H. G. Pöhlmann S. 50) im diametralen
Widerspruch zur neutestamentlichen Kardia-Ehe stehen
sollen; sie trennten die Agape von Sexus und Eros ab. Die breite Literatur
, die dem Leser zumindest zu einem besseren Verständnis etwa
für den Entscheidungsdruck angesichts der Frage, wie sich (vor allem
fiir Frauen) Ehe und Beruf angemessen miteinander vereinbaren lassen
, hätte verhelfen können, wird nicht beachtet. H. G. Pöhlmann
hält offenbar von der Sache her den theologischen und soziologischen
öiskussionsstand vor über zwanzig Jahren für ausreichend. Das böse
Wort des Rates der EKD (1964), wir seien unter die „Diktatur der Unanständigkeit
" geraten, scheint die Lage noch immer zu treffen (S. 33);
Und M. Seitz schließt sich an eine erste, Verständnis für nichteheliche
Lebensgemeinschaften bekundende Stellungnahme der Zürcher reformierten
Kirche an. Dies ist (wie die meisten anderen Beiträge), ein
Wiederabdruck, was dem in sich gut geschlossenen Büchlein nicht
schadet, nur daß es auch ausgereiftere Handreichungen der Kirchen
z" diesem Thema gibt, sei es die der EKD (Familienrechtskommis-
s'on) oder der reformierten Kirche Bern-Jura, beide ebenfalls von
,985. Keine der genannten kirchlichen Äußerungen macht übrigens
den Fehler, den H. G. Pöhlmann mir (als „Situationsethiker") unterstellt
(S. 52), daß sie sich nämlich an der Normativität des faktischen
Uberzeugungswandels schlichtweg orientierten; sie begnügen sich
vielmehr nur nicht mit dem bloßen Appell an das Verhalten, sondern
nehmen den Wandel der Sitte zum Anlaß, kritisch auf andere, nicht
'eichtfertig gemeinte Lebensentwürfe einzugehen.

Wie auch immer, es ist ja richtig, daß es „höchste Zeit zur Ehe" ist
fÖ. Bayer, S. 8), Zeit, ihr das Wort (und durchaus also: Gottes Wort)
zu reden, und richtig wird auch die Diagnose des vorherrschenden
Zeitgeistes als Hedonismus sein. Es lassen sich auch sehr gute Gründe
dafür beibringen (so in den Beiträgen von G. Hennig und M. Seitz), im
Traugottesdienst die Vorbehaltlosigkeit und Verbindlichkeit des Versprechens
zum Ausdruck zu bringen - aber es gibt eben auch gute
Gründe, dies kontrovers zu diskutieren (und nicht nur hilflose Revi-
sionsversuchc zu karikieren, S. 112ff), z. B. in dem Buch meines Berner
Kollegen T. Müller, Konfirmation - Hochzeit - Taufe - Bestat-

Praktische Theologie: Allgemeines

Baldermann, Ingo: Einführung in die Bibel. 3., neubearb. Aufl. von
„Die Bibel - Buch des Lernens". Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1988.291 S. 8'= UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher,
1486. Kart. DM 27,80.

Der Autor legt mit neuem Titel die 3.. neubearbeitete Auflage seines
Buches „Die Bibel - Buch des Lernens" vor, zuerst 1980 erschienen
(ThLZ 106, 1981, 774-776) und seitdem in mehreren Neu- und
Lizenzauflagen verbreitet. Neue Erfahrungen mit der Bibel und ein
unerwartetes Interesse der Öffentlichkeit erforderten eine Erweiterung
des Textes. „Heute braucht nur das Stichwort .Schöpfung' zu fallen,
und alle hören dann den Hinweis auf die . . . [immer schwieriger zu
handhabenden] Grundlagen unseres Lebens und deren drohende Zerstörung
" (9). Feindesliebe „galt noch vor gar nicht so langer Zeit als
eine überzogene Forderung einer selbstquälerischen Ethik, die schon
im persönlichen Bereich kaum zu realisieren sei, geschweige denn in
der Politik. Heute ist nicht nur Christen deutlich, daß mit dem Gebot
der Feindesliebe aus der Bergpredigt die einzig mögliche Überlebensstrategie
für eine Menschheit beschrieben ist, die sich durch eine aberwitzige
Anhäufung von Vernichtungswaffen wechselseitig" unter
Druck setzt (9).

Ähnlich sind die warnenden Worte der Turmbaugeschichte im Zusammenhang
mit gewaltigen technischen Vorhaben der Menschen
nicht nur im Bereich der Gentechnik und Weltraumforschung ins
helle Licht öffentlicher Diskussion geraten. Biblische Visionen in den
Büchern Micha und Jesaja wurden weltweit zu Symbolen der Hoffnung
auf eine Abkehr von tödlicher Rüstungseskalation. „Heute
erleben wir, daß sich die Bibel über den Abstand der Jahrtausende
hinweg neu Gehör verschafft. Das uralte Buch erweist sich als erstaunlich
lebendig und bestürzend verständlich" (10).

Die Untertitel der Erweiterungskapitel machen deutlich, wohin die
Bemühungen des Autors zielen: nicht etwa durch neue Methoden
die Bibel wieder zum Reden zu bringen, sondern möglicherweise verstellte
Blickrichtungen wieder freizugeben, daß nämlich die Bibel „in
den großen Menschheitsfragen mit solchem Nachdruck und so eindeutig
" redet, daß sie auch ohne methodische Exegese darin verstanden
wird, und zwar weltweit (11). Aber gerade deshalb bekommt
methodische Reflexion einen neuen Stellenwert und neue Dringlichkeit
. Überschriften, wie Neue Erfahrungen mit der Bibel/Unerwartete
Öffentlichkeit/Eine Sprache für die Sprachlosen/Verständliches
Reden von Gott/Ein Buch der Hoffnung/Ökumenisches Lernen und
(10. 4.) „Die Bibel - das letzte Wort?", umreißen die Problemkreise,
die seit dem Erscheinen der ersten Auflage dringlich geworden sind. In
ihrer knappen und klaren Darstellung überzeugen die Ausführungen
und stellen eine wesentliche Bereicherung der bisherigen „Grundzüge
biblischer Didaktik" (Kap. 2-10) dar.

Es hat sich als hilfreich und theologisch richtig erwiesen, die Einsichten
historisch-kritischer Arbeit am Text der Bibel weiterhin aufzunehmen
und weiterzuführen. In der neuen Fassung wird der ganzheitliche
Ansatz vor allem bei den übergreifenden Themen der Bibel
deutlicher als bisher. Für einen weiten Leserkreis ist es hilfreich, daß
das Buch vom ersten Einstieg in den wissenschaftlich-methodischen
Umgang mit der Bibel schrittweise zur Bewährung des Erarbeiteten in
Gesprächsgruppen, Unterricht, Predigt und gelegentlich auch Seelsorge
führt. Ein weiter Spannungsbogen wird geschlagen und durchgehalten
.