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Ausgabe:

1989

Spalte:

463-465

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Ringeling, Hermann

Titel/Untertitel:

Leben im Anspruch der Schöpfung 1989

Rezensent:

Tödt, Heinz Eduard

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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gleich mit dem chinesischen Tao, der jüdischen Halacha und dem
Blochschen Exodus-Prinzip nicht nur als einen Weg zu verstehen, den
wir gehen können (ein bloßes Angebot) oder gehen müssen (Christus-
Nachfolge als asketischer Zwang), sondern der stets gegangen wurde
und den auch wir gehen, sofern Christentum je als Religion der Liebe
gelebt wurde und wird. Der in diesem Zusammenhang wie selbstverständlich
auftauchende Ausdruck „Orthopraxis" erscheint bei Geffre
nicht als altes oder neues Gesetz, sondern als jene Wirklichkeit, die
aliein das Leben von uns Christen ausmacht, sofern wir uns selbst
richtig verstehen.

Wien MaxJ.Suda

Andresen, Dieter: Karl Barth und die Kultur (PTh 77, 1988,220-240).

Barth, Hans-Martin: Den fremden Jesus entdecken. Christusglaube zwischen
Sehnsucht und Verlegenheit (PTh 77,1988,205-216).

Bayer, Oswald: Metakritik in nuce. Hamanns Antwort auf Kants „Kritik der
reinen Vernunft" (NZSTh 30, 1988,305-314).

Beinert, Wolfgang: Maria in der Feministischen Theologie. Kevelaer: But-
zon & Bercker 1988. 38 S. kl. 8' = Kleine Schriften des Internationalen Mariologischen
Arbeitskreises Kevelaer. Geh. DM 6,-.

Daecke. Sigurd Martin: Gott in der Natur (PTh 77, 1988,29-43).

Frye, Roland Mushat: Language for God and Feminist Language. A Literary
and Rhetorical Analysis (Interpr. 43,1989,45-57).

Grote, Heiner: Heilige Schrift und heilige Überlieferung. Am Beispiel der
Enzyklika „Redemptoris Mater", „Die Mutter des Erlösers" (MDKI 39, 1988,
43-49).

ilanowski, J. Christine: Theologischer Femiriismus. Eine historisch-systematische
Rekonstruktion seiner Grundproblcme (Berliner Theologische Zeitschrift
5, 1988,28-47).

Küng, Hans: Wohin geht die Christenheit? (ZdZ 42, 1988, 14-20).

Lochman. Jan Milic: Christ and Prometheus? A Quest for Theological Iden-
tity. Genf: WCC Publications 1988. IX, 105 S. 8 Kart. sFr 12.50.

Mohaupt, Lutz: Vertrauen fuhrt weiter als Angst. Christlicher Glaube und
der apokalyptische Zeitgeist (LM 27, 1988, 171-174).

Moltmann-Wendel, Elisabeth: Männlich und weiblich schuf Gott sie. Feministische
Theologie und menschliche Identität (In: Moltmann-Wendel, E.:
Weiblichkeit in der Theologie. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn 1988, S. 9-30).

Osmer, Richard R.: The Study of Scripture in the Congregation. Old Problems
and New Programs (Interpr. 42, 1988,254-267).

Slenczka, Reinhard: Fundamentaltheologie nach Vaticanum I und II
(ThR 53, 1988,277-291).

Schcrer, Robert: Dimensionen des Menschseins. Themen des Lebens. Freiburg
-Basel-Wien: Herder 1988. 144 S. 8*. geb. DM 28,-.

Schilling. Alfred: „Verstehst du auch, was du liest?" Vom rechten Umgang
mit der Bibel. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989. I57S. kl. 8" = Herder
Taschenbuch, 1585. Kart. DM 12,90.

Vries, H. de: Theologie en moderniteit, rationaliteit en Skepsis (NedThT 42,
1988,21-41).

Systematische Theologie: Ethik

Ringeling, Hermann: Leben im Anspruch der Schöpfung. Beiträge zur
Fundamental- und Lebensethik. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag
; Freiburg-Wien: Herder 1988. 163 S. 8° = Studien zur theologischen
Ethik, 24. Kart. sFr 22.50.

Alle Kapitel dieses Buches sind aus einführenden Vorträgen für
gebildete Hörer, die weder Theologen, noch vielleicht auch Christen
waren, entstanden. Sie sind geschickt zu einem Buch zusammengefügt
. Im ersten Teil findet sich eine „fundamentalethische Orientierung
", gipfelnd in schöpfungstheologischen Maßstäben: „Ehrfurcht
vordem Leben".

Im zweiten Teil geht es unter Orientierung an diesen Maßstäben um
..lebensethische Konkretionen": Künstliche Befruchtung und Fortpflanzung
, pränatale Diagnostik, Gentechnologie, Ehe und niphtehe-
liche Lebensgemeinschaften, Medizin und Menschenbild, schließlich

Deutungen des Todes. Der Text ist nicht mit Anmerkungen überfrachtet
, gibt aber wichtige Hinweise auf jeweils einschlägige, überwiegend
theologisch-ethische Literatur. „Daß die Grundlagen der Ethik
selbst brüchig geworden sind und es notwendig ist, nach elementaren
Prinzipien menschlicher und christlicher Sittlichkeit zu fragen und
eben auch nach der Verbindlichkeit, die in den Hinweisen von Natur
und Schöpfung erkennbar wird", ist die Prämisse des Vf. (S. 7)

Das erstere ist ein seit hundert Jahren ständig wiederkehrendes
Urteil, das letztere - die Achtsamkeit auf die Hinweise von Natur und
Schöpfung - ist das, was die Verwurzelung des Buches in der theologischen
Ethik des letzten Jahrzehntes deutlich anzeigt. Dem Leser werden
in gut lesbarer Form Überlegungen präsentiert, die offensichtlich
aus langjähriger Befassung mit dem Themenkreis hervorgegangen
sind.

Die im zweiten Teil dargelegten „lebensethischen Konkretionen"
beginnen in der Regel mit einem straffen Aufweis des jeweiligen Problems
in seinem Problemfeld, abgeklärt in'der kritischen Bezugnahme
auf neuere Literatur: in der zweiten Hälfte findet man Ansätze zur
Problemlösung und/oderzursittlichen Bewertung. Die Bezugnahmen
auf die schöpfungstheologischen Maßstäbe kann man als ungezwungen
selektiv empfinden, eher fern von allen Versuchen, zwischen dogmatischen
und ethischen Überlegungen ein striktes, argumentativ
ausgeführtes Verhältnis herzustellen. Aber es gibt Kernüberlegungen,
so zum Beispiel Formulierungen im Anschluß an Stefan Nikiaus
Bosshard: Wer heute „Schöpfung" sage, der assoziiere kaum mehr
göttliche Eingriffe, welche die Naturordnung durchbrechen. Man gebe
statt dessen einer einsinnigen kreativen Veränderungsbewegung den
Vorzug, der Vorstellung eines weitgesteckten göttlichen Schöpfungsplanes
. „Damit wird die Schöpfungstat vielmehr zu einem kontinuierlichen
, mit unableitbaren Möglichkeiten angereicherten Freiheitsgeschehen
, das den Evolutionsgedanken integriert und unter die
Macht Gottes stellt." (S. 29) Schöpfung also als fortdauerndes Freiheitsgeschehen
!

Es seien in erster Linie „die" Naturwissenschaften, die dieses Verständnis
erschlössen. Von Theologen - wie Karl Rahner - kann dann
die Selbstorganisation der Materie als Prozeß immer neuer Selbstüberschreitungen
zu einem „Mehr an Freiheit" ausgelegt werden, bei
dem man mit den „Gesetzen des Daseins" konstruktiv umzugehen
vermag. (S. 31) „Daß der Mensch über sich selbst hinausgehen muß.
um Verantwortung im Dienst des Lebens zu übernehmen, ist der rote
Faden, der sich durch alle Kapitel hindurchzieht." (S. 7)

Aber solche Selbsttranszendenz des Menschen führt Ringeling
nicht auf die Bahnen von zukunftsträchtigen Fortschrittsutopien. Fr
verweist wiederholt auf gefährliche Grenzüberschreitungen: „Das
Ziel pränataler Diagnostik besteht darin, Eltern die Möglichkeit zu
geben, bestimmte genetische Defekte oder teratologische Schädigungen
des Fötus auszuschließen." (Claude Bachmann) Eine solche
scheinbar neutrale Formulierung enthält Potentiale, auf die man achten
muß - und der Hinweis auf solche Implikationen ist eine der Stärken
in der Gedankenführung des Vf. Hinter dem erweiterten Angeböt
(Ausschluß der Geburt geschädigter Kinder) lauert ein höchst problematischer
„Markt", alle Kinder mit Abweichungen gegenüber
Wunschnormen auszusieben, also auf eugenische Praktiken zu verfallen
oder allen ökonomisch-sozialen Lasten aus dem Weg zu
gehen.

Ein Kind, von dem man weiß, daß es behindert sein wird, zur Welt
zu bringen, stellt eine künftige Leidzumutung für die Eltern und oft
auch für das Kind dar. Mit einem „alles oder nichts" ist es hier weder
im Recht - mit seinen begrenzenden Normen - noch in der Ethik
getan, und die Forschung wird sich darauf nicht einlassen.

Es geht um schwerwiegende Abwägungen, zum Beispiel hinsichtlich
der Zumutbarkeit von Leid. Ringelings ethische Tendenz schlägt
sich im folgenden Adhortativ nieder: „Was wir zu stärken und durch
gesellschaftliche Einrichtungen zu stützen haben, ist die Bereitschaft
und Fähigkeit, die Last fremden und eigenen Leidens zu tragen, Menschen
das Leben zu ermöglichen, die nicht den Wunschbildern und