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Ausgabe:

1989

Spalte:

459-461

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Erinnern, um Neues zu sagen 1989

Rezensent:

Krötke, Wolf

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459

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

460

Drei Artikel gegen Ende des Sammelbandes sind dem Begriff „Unsterblichkeit
" gewidmet: O. Pluta: DieDiskussion der Frage nach der Unsterblichkeit in
einer Leipziger Handschrift des frühen 15. Jahrhunderls. P. Zamhelli: „Aristo-
telismo ecleltico" opolemiche clandestine?Immortalitä dell' anima e vicissitu-
dine della sloria universale in Pomponazzi. Nifo e Tiberio Russilliano. B. Burrichter
- T. Dewender: Die Diskussion der Frage nach der Unsterblichkeit in
den „Quaestioncs in libros De anima" des Benedikt Hesse von Krakau. Die
Unsterblichkeit der Seele ist nicht erst seit heute eine brisantes Thema im
Grenzgebiet von Theologie und Philosophie. Aristoteleskritik und Thomaskritik
gehen dabei parallel oder sich gegenseitig ergänzend vor. Allerdings sollte die
thomasische Position auf eine breitere Grundlage gestellt werden, als es hier
geschieht. (S. 502 A 14)

Die übrigen Artikel kann ich nur noch anzeigen: D. P. Henry: Wiclifs
Deviant Mereology. B. Mojsisch: Plalon, Plotin. Ficino,. Wichtigste Gattungen"
- eine Theorie aus Piatons „Sophisies". D. Perler: Notwendigkeit und Konlingenz
. Das Problem der J'ulura contingentia" bei Wilhelm von Ockhum. Das
Thema der futura contingentia gehört zu den meisten erörterten der Spätscholastik
. Durch diese Untersuchung können wir von Ockham herauf die Weiterentwicklung
dieser Thematik blicken. Mit einer aus vielen Untersuchungen
gewonnenen Kunst der Synthese legt uns M. de Gandillac seinen systematischen
Beitrag vor: Prodromes, cheminements et consequences d'une revolution
cosmologique. Anschließend daran zur Wende der „Neuzeit": C. Vasoli: Ficino
e il „De christiana religione". Geschichtliche (literargeschichtliche) Gebiete
behandeln: J. F. Genest - P. Vignauxt: La bibliolheque anglaise de Jean de
Mirecourt: subtilitas ou plagiat? A. de Muralt: La metaphysique thomiste de la
causalite divine. Pour comprendre la doctrine occamienne de la toute-puis-
sance divine. Z. Kaluza: Le Statut du 25 septembre 1339 et l'Ordonnance du
2 seplembre 1276. Z. Kuksewicz: On more Erfurt Averroistic Commentary?
A. S Mc Grade: Some Varieties ofSkeptical Experience: Ockham 's Case. Den
letzten Beitrag erhalten wir aus der Feder des bekannten Forschers der Spätscholastik
: W. J. Courtenay: Friedrich von Regensburg andFribourg Cordeliers
26.

Den Abschluß des Bandes bilden mehrere Indices, die von F.-B. Stammkötter
in mühevoller, anzuerkennender Arbeit erstellt wurden. (Im Index Personarum
muß es S. 636 heißen: Hoffmann, E. 321. Darunter: Hoffmann, F. 324. Im Text
scheint mir S. 205 das Incipit zu fehlen.)

Das Buch ist ein in jeder Hinsicht gelungenes Werk. Besonders hervorgehoben
seien der Nachweis handschriftlicher Quellen und die
zahlreichen Hinweise auf Sekundärliteratur. Dies (wie auch die
Indices) macht den Band zu einem Arbeitsbuch im besten Sinne des
Wortes. Dem Herausgeber und seinen Mitarbeiter gebührt Dank und
Anerkennung, ebenso dem Verlag für die mustergültige Herstellung.
Das Werk ist ein Zeugnis für die fruchtbare Forschungsarbeit der
längst arrivierten „Bochumer Schule". Zum Schluß ein Wort in
eigener Sache: Es war nicht möglich, jeden Artikel im einzelnen zu
besprechen. Doch war der Rez. mit ihnen in dauerndem geistigen
Kontakt. Ich habe von jedem gelernt und hoffe, in weiteren Vorhaben
davon Zeugnis geben zu können.

Erfurt Fritz Hoffmann

Systematische Theologie:
Allgemeines

Noppen, Jean-Pierre van [Hg.]: Erinnern, um Neues zu sagen. Die
Bedeutung der Metapher für die religiöse Sprache. Frankfurt/M.:
Athenäum 1988. 319 S. 8 Kart. DM 58,-.

„Metaphern rufen in Erinnerung, indem sie Neues sagen". An diesen
Satz E. Jüngels (55) lehnt sich der Titel des vorliegenden Bandes
an. Denn Jüngels These, „daß der Glaubensdiskurs fundamental und
inhärent metaphorisch sei", soll als „Voraussetzung" aller hier
gesammelten kleinen Beiträge zur Bedeutung der Metapher für die
religiöse Sprache gelten (vgl. 46).

Diese Inanspruchnahme von Jüngel bedeutet freilich nicht, daß damit
die theologische Qualifikation der Metapher, wie er sie in seinem
(auf 52-65 leider nur auszugsweise wiedergegebenen) Aufsatz („Metaphorische
Wahrheit", EvTh Sonderheft 1975) herausgearbeitet hat, in

diesem Band zu einem vertieften Verständnis kommt. Der Hg.
P. v. Noppen (Brüssel) ist wie die meisten Vff. „Theolinguist" (13).
Gegenstand der „Theolinguistik" aber ist „Gott als Wort, nicht als
Wesen" (7). Die Metapher kann demnach als Möglichkeit gesehen
werden, „die engen Grenzen der eindeutigen Referenz zu überschreiten
" (17). Sie ist jedoch keinesfalls als Weise der menschlichen Sprache
zu verstehen, in der Gott sich selbst zur Sprache bringt. Das aber
ist gerade die These von Jüngel, die auch in dem eingangs zitierten
Satz mitschwingt. Gott macht sich in einer von ihm unterschiedenen
menschlichen Wirklichkeit, Jesus Christus, als Wort der Anrede in
Freiheit für den Menschen sagbar und gibt so am Gewinn dieser Wirklichkeit
aktuell Anteil (vgl. 630-

Für van Noppen ist dieser Grundsatz einer „Theologie der Offenbarung
" gegen den „gesunden Menschenverstand" (II). Sein einleitendes
Referat verschiedener Metapherntheorien (7-51) hält als Ziel
der vorgelegten Arbeiten fest, „den Menschen in den Mittelpunkt" zu
stellen „und menschliches Reden über Gott als in einem ungewöhnlichen
, d. h. nicht wortwörtlichen Sinne gebrauchte Sprache" zu
interpretieren, „die ... so beschaffen ist, daß dieser Sinn auf der Basis
bereits festgelegter Sinndimensionen verstanden werden kann" (39).
Gott bleibt so wesentlich unausgesprochen. Das Maß des in diesem
Bande geführten Diskurses ist die menschliche Erfahrung.

Dementsprechend heißt es bei J. M. Soskice (Oxford) in ihrem Aufsatz
: „Metapher und Offenbarung" (68-82): Gott „offenbart. . . sich
unserem Intellekt in der Sprache - nicht weil dies seinem Wesen entspricht
, sondern weil wir sprachgebunden sind" (81). Unsere Sprach-
gebundenheit aber impliziert Gemeinschaftlichkeit, so daß das Verständnis
Gottes einen „stark von der Gemeinschaft geprägten Aspekt"
(81) erhält und alles Reden von Gott sich im Kontext gemeinschaftlichen
Sprachgebahrens halten muß, um verstehbar zu sein. Inwiefern
diese Einsicht „zu einer weiteren Annäherung zwischen sogenannter
natürlicher und offenbarter (?) Theologie" führen soll, wird dagegen
mangels Explikation nicht verstehbar.

Der Schritt von der Überzeugung, daß Gott sprachlos sei, zu der,
daß er eventuell gar nicht ist, ist nicht weit. Die beiden Beiträge von
E. R. MacCormac (North Carolina) belegen das (vgl. 84-107: „Die
semantische und syntaktische Bedeutung von religiösen Metaphern";
149-175: „Religiöse Metaphern: Linguistischer Ausdruck kognitiver
Prozesse"). „Die von religiösen Metaphern nahegelegten Dimensionen
der Realität... sind spekulative Hypothesen", deren „Wahrheitswert
" „unscharf ist (106). Als „Wurzelmetaphern", d. h. als
„grundlegende Annahmen über die Natur der menschlichen Existenz
und der Welt" (94) geben sie der Theologie zu „Vermutungen über die
unbekannten Aspekte der menschlichen Existenz" Anlaß (153). Solche
Vermutungen sind durchaus nicht überflüssig. Denn im Prozeß
„biologischer und kultureller Evolution" kann religiöse Metaphernbildung
durch den Verweis auf die Transzendenzdimension deutlich
machen, „daß wir nicht nur z. T. als Tiere existieren, sondern z. T.
auch in dem göttlichen Bereich der höchsten Bedeutung" (174).

Ähnlich sieht es auch F. Ferri(Boston) (108-127: „Organisierende
Bilder und wissenschaftliche Ideale ..."). Ihm kommt es darauf an,
daß heute überholte Modelle metaphorischen Redens (Patriarchalis-
mus, Fortschrittsglaube vgl. 121 ff) durch „das Modell von der unendlich
komplexen Interaktion zwischen symbiotischen Organismen
ersetzt" werden (124f). M. Hesse (Cambridge) (vgl. 128-148: „Die
kognitiven Ansprüche der Metapher") ergänzt, daß metaphorische
Sprache durch ihre Tendenz auf „mögliche Welten", Fiktionen und
Ideologien (vgl. 1410 nicht nur Sichtweisen, sondern auch das Handeln
verändere.

S. AfacFague's (Nashville) Beitrag (176-199: „Metaphorische
Theologie") lenkt zur spezifisch theologischen Aufgabe des Redens
von Göll zurück. Sie leitet daraus, daß „wir nach dem Bilde Gottes .. ■
erschaffen" wurden und „Jesus als Modell" metaphorischer Rede
kennen, die „Berechtigung" her, „uns Gott nach unserem Bilde .. •
vorzustellen" (183). .Wichtig ist ihr dabei die Unterscheidung zwischen
Metapher, Modell und Konzept. Das Modell ist eine „dominie-