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Ausgabe:

1989

Spalte:

456-459

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert 1989

Rezensent:

Hoffmann, Fritz

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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1963-1967) aufgedecktes, aber nie umfassend publiziertes Denkmal
in wissenschaftlich einwandfreier Form vorgeführt, das inzwischen -
nicht zuletzt durch das Erdbeben von 1980- völlig dem Verfall preisgegeben
ist. Da der Ausgräber bereits 1961 verstarb, gestaltete sich die
Suche nach älteren Aufnahmen des Materials, Grabungstagebüchern
u. ä. zu einer „Ausgrabung" eigener Art (vgl. S. 13 Anm. 44). So ist es
gewiß nicht übertrieben, wenn man dem Vf. das Verdienst zuschreibt,
die Ergebnisse der Ausgrabungen über den Verfall der Denkmäler
hinweggerettet zu haben. (Leider ist der Fall einer Ausgrabung, die, da
eine wissenschaftliche Publikation ausblieb, mehr zerstörte als zutage
förderte, kein Einzelfall.)

Es handelt sich um antike Grabbauten in der alten Nekropole von
Nola, die vor allem durch die Gedichte des Bichofs Paulinus bekanntgeworden
sind, in denen er die von ihm über dem Felix-Grab errichteten
Anlagen beschreibt. Im Hinblick auf die Malereien ist von den
Grabbauten besonders ein Komplex interessant, bei dem sich um
einen mittleren (und älteren) Grabbau (Raum 13) weitere Bauten als
Anbauten (Räume 10-12.14) gruppieren. Dieser Komplex hat durch
den Ausbau zur Kirche S. Martiri mit der Kapelle S. Giacomo im
Mittelalter große Zerstörungen erfahren. Raum 13 ist nach der Untersuchung
der architektonischen Reste durch K. möglicherweise noch
im 3. Jh., Raum 14 wohl im 4. Jh. entstanden.

In beiden Räumen haben sich Reste von Wandmalereien erhalten,
denen der Hauptteil der Arbeit gilt. In Raum 13 handelt es sich um
Sündenfall und Meerwurf des Jonas in zwei von sechs Arkosol-
Lünetten. Für Raum 14 erschließt K. eine zweizonige Wanddekoration
von ca. 27 Bildern, von denen 13 noch mit Details erkennbar
sind. Mit einiger Sicherheit deutbar sind freilich nur ein dreiszeniger
Jonaszyklus, eine Adam-Eva-Szene, in der K. das „Hören des Verbotes
Gottes" sieht, der Jakobssegen und wohl eine weitere Szene dieses
Kreises, die K. als „Josephs Schwur" bestimmt. Das vorsichtige
Herangehen bei den Deutungen ist zu begrüßen. Die Diskussion der
ikonographischen Tradition ist in jedem Falle gründlich, auch wenn
manchmal die Vergleichsbeispiele - mangels anderem - sehr weit hergeholt
erscheinen. Zustimmen muß man dem Vf. in der Ablehnung
vorschnell angenommener Abhängigkeiten von Jüdischem. Besonders
hervorgehoben zu werden verdient, daß auch die herangezogenen
Denkmäler neu diskutiert werden und z. T. auch neues Material beigebracht
wird (wie für die Synagoge von Dura Europos, S. III.
T. 42a). Zu fragen bleibt, inwieweit die Argumentation vom streng
exegesierten Bibeltext her schlüssig ist. Für die Adam-Eva-Szene in
Raum 14 etwa würde ich eine Deutung im Sinne der (unbiblischen,
aber geläufigen) „Arbeitszuweisung an die Ureltern" für möglich halten
.

Richtig hat K. erkannt, daß die Malereien in Raum 14 später entstanden
sind als die in Raum 13. Letztere datiert er mit aller Vorsicht
in die 2. Hälfte des 3. Jh., ich halte eine Datierung um 300 für angemessener
. Die Malereien in Raum 14 setzt er in die ersten Jahrzehnte
des 5. Jh., doch scheint mir die 2. Hälfte des 4. Jh. als Entstehungszeit
auch möglich. Die Ausmalung könnte dann bald nach der Fertigstellung
der Anlage erfolgt sein. Ein Zusammenhang mit der Bautätigkeit
des Paulinus, wie ihn K. vermutet, braucht bei diesen privaten Anlagen
nicht angenommen zu werden. Es bleibt das Dilemma, daß die
zum Vergleich herangezogenen Denkmäler in ihrer Datierung auch
umstritten sind.

Etwas mehr Rücksicht hätte man sich gegenüber dem Leser
gewünscht. Dieser muß sich die Situation der Darstellung innerhalb
der Grabbauten selbst zusammensuchen, um eine Vorstellung zu
erhalten. Eine Liste oder Skizze hätte hier das reiche Material klarer
gegliedert, zumal die Beschreibung der dargestellten Themen nicht
nach den Räumen, sondern nach ihrer Reihenfolge im Bibeltext
geordnet ist. Auch im Abbildungs- und Tafelteil ist eine Ordnung
kaum zu erkennen, was sich um so mehr auswirkt, als ein Verzeichnis
fehlt. Dafür sind die Bildbeigaben reichlich und qualitätvoll.

Greifswald Hans Georg Thümmcl

Philosophie, Religionsphilosophie

Pluta, Olaf [Hg.]: Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert. In

memoriam Konstanty Michalski (1879-1947). Amsterdam: Grüner
1988. LX, 639 S., 1 Porträt gr. 8° = Bochumer Studien zur Philosophie
, 10. Lw. hfl 95.-.

Dieses Werk ist von mehrfacher Aktualität. Die Widmung an Konstanty
Michalski bedeutet einen Akt der Anerkennung, des Dankes
und einer Art geistiger Wiedergutmachung für diesen großen polnischen
Gelehrten, dessen Forschungen auf dem Gebiete der Philosophie
und Theologie des 14. Jh. bahnbrechend waren und bis heute
nichts von ihrer Bedeutung für die Philosophiegeschichte eingebüßt
haben. Sie wurden in zynischer Form bald nach der Okkupation
Polens durch den Hitlerfaschismus 1939 abgebrochen (S. IXf)-
Michalski mußte in ein kleines Dorf, Sichöw bei Sandomierz, in Verbannung
gehen, nachdem er vorher in strenger Haft gehalten wurde.
Dies-war das Ende seiner wissenschaftlichen Arbeit. Die wenige Zeit,
die ihm nach seiner Befreiung bis zu seinem Tode im Jahre 1947 noch
blieb, erlaubte es ihm mit Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit
nicht, sein Werk zu Ende zu führen. Der Hauptteil seiner Lebensarbeit
war der spätscholastischen Philosophie und Theologie gewidmet
. Er stand mit den führenden Forschern der mittelalterlichen Philosophie
in lebendigem geistigen Kontakt. Der gegenwärtige Papst
Johannes Paul II. war einst einer seiner Hörer. Von Martin Grabmann
, mit dem er persönlich befreundet war, empfing er wohl die
Anregung, besonders der Logik und Wissenschaftsmethodik nachzugehen
, deren Bedeutung für die Weiterentwicklung der Philosophie
und Theologie im 14. Jh. er bald erkannte. Die Ergebnisse, die er
zumeist aus bis dahin kaum bekannten handschriftlichen Quellen
gewann, veröffentlichte er in einer Anzahl von Artikeln, die von Kurt
Flasch erneut herausgegeben und eingeleitet wurden: La Philosophie
au XlVe siede. Six etudes. Hg. u. eingel. von K. Flasch, Frankfurt
a. M. 1969 = Opuscula philosophica. Abhandlungen zur Philosophie
und ihrer Geschichte, Bd. 1. Diese Artikel sind bis heute für die Erforschung
der spätscholastischen Philosophie unentbehrlich. Dies gilt
nun auch für den von Olaf Pluta herausgegebenen Band, in dem das
von Michalski angeregte Werk fortgesetzt wird.

Von Michalski wurden drei kürzere Beiträge übernommen, deren
Thematik wie ein Leitmotiv für diesen Band anmutet. 1. La lutte
autour de 1'äme au XIVC et au XVC siede. 2. L'influence d'Averroes
et d'Alexandre d'Aphrodisias dans la Psychologie du XIV1' siecle.
3. La lutte pour 1'äme ä Oxford et ä Parisau XIV1' siecle et sa repercu-
sion ä l'epoque de la Renaissance. Voraus geht eine Biographie von
Mieczyslaw Markowski und eine Bibliographie, zusammengestellt
von Aleksander Usowicz, Kasimierz Klosak t u. Franciszek Bima.

Vor den zusammenfassenden Synthesen in der Darstellung der
Geschichte steht die mühevolle Einzelforschung. Auch können wir
nur auf diesem Wege von eingefahrenen Klischees loskommen. Die
vorliegenden Arbeiten geben uns Einblick in den neuesten Stand der
mediävistischen Forschung. Mancher Artikel steht da als Vorgabe für
weitere Veröffentlichungen. Die behandelte Epoche der Scholastik
hielt Michalski vom Geist der Skepsis durchwaltet. Es ist aber auch
eine Zeit des Aufbruchs zur Moderne. Beides bedingt einander. Neue
Interessengebiete treten in den Vordergrund und verlagern das
Schwergewicht der Forschung: Mathematik, Logik und Physik. Von
diesen Disziplinen aus erscheinen die Fragen der .klassischen' Metaphysik
und Theologie in einem anderen Licht. Ich verweise nun auf
die einzelnen Artikel.

Für die Mathematik hat S. Wielgus die „Quaeslwnes in libros
Physicorum" des Magisters Benedikt Hesse von Krakau (1389-14561
untersucht. Er verweist auf die Tatsache, daß die Mathematik damals
noch nicht relevant für die Naturwissenschaft war, wohl aber von
Bedeutung für die Philosophie (S. 880- Dies gilt sowohl in formalmethodischer
Hinsicht wie für das Angehen sachlicher Probleme, wie
z. B. das der relativen und absoluten Unendlichkeit. Hesse ist aller-