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Ausgabe:

1989

Spalte:

454-455

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Korol, Dieter

Titel/Untertitel:

Die frühchristlichen Wandmalereien aus den Grabbauten in Cimitile/Nola 1989

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

454

Um so mehr Aufmerksamkeit verdient daher das Erscheinen des
vorliegenden Buches zum einen, weil es seinen Lesern durch eine
wohlfundierte Darstellung, die behutsam mit Hilfe vieler, klug ausgewählter
Quellenzitate und Abbildungen an die Probleme heranführt,
diesen Zugang zweifellos erleichtern und auch öffnen wird; und zum
anderen, weil es, entstanden aus der Zusammenarbeit zweier Fachleute
aus verschiedenen Disziplinen, in Konzeption, Ansatz und Aufbau
sowie in seiner Ausrichtung auf Friihbyzanz ein Novum innerhalb
der Literatur zur byzantinischen Kultur darstellt. (Am ehesten
könnte man es mit dem Buch von A. P. Kashdan: Byzanz und seine
Kultur, Berlin 1973, vergleichen, das sich jedoch überwiegend auf den
Zeitraum des 10.-12. Jh. bezieht.)

Konzipiert hat dieses Buch der Patristiker, Kirchenhistoriker und
Byzantinist F. Winkelmann (= W.), einer der besten Kenner der früh-
und mittelbyzantinischen Zeit, und von ihm stammt auch der kulturhistorische
Text, der mit gut zwei Drittel des gesamten Textteils den
Hauptteil des Buches ausmacht. Das übrige Drittel blieb, verteilt auf
entsprechende Abschnitte der einzelnen Kapitel, für die Kunstgeschichte
reserviert und wurde von der Kunsthistorikerin und Archäo-
!ogin G. Gomolka-Fuchs (= G.-F.) verfaßt, die insbesondere durch
die Ausgrabung des spätantik-frühbyzantinischen Limeskastells
'atrus/Krivina (an der unteren Donau) mit ihrem Gebiet bestens vertraut
ist.

Den Autoren geht es, wie schon angedeutet, nicht um eine handbuchartige
, umfassende Darstellung und Analyse, sondern um eine
Einführung, in der sie laienhaften, aber zum Mitdenken bereiten
Lesern ausgewählte „Wege zu einem Verständnis" der Kultur des
frühen Byzanz - und damit ist hier der Zeitraum vom 4. bis zum
8-/9. Jh., d. h. bis zum Ende der sog. dunklen Jahrhunderte und des
Bilderstreits gemeint - zeigen möchten.

In der Einführung (80 betont W. zu Recht, Westeuropa habe „erst
in Renaissance und Humanismus seine griechischen Quellen wiederentdeckt
", während man bei Byzanz „das kontinuierliche organische
Wachsen aus diesen Wurzeln" beobachten könne. Die Frühphase der
hyz. Kultur sei - ähnlich wie die kindheitliche Eintwicklungsphase
beim Menschen - von entscheidender Bedeutung: In ihr könne man
klarer als in der Zeit der späteren „vollen Entfaltung" der byz. Kultur
die verschiedenen mit- und gegeneinander konkurrierenden Einflüsse,
Faktoren und Strukturen erkennen, die zur Herausbildung der spezifischen
Züge dieser Kultur geführt haben. Hierbei habe es sich um
einen Prozeß gehandelt, bei dem im Gegensatz zur Entwicklung im
Westen nicht so sehr Untergang und kultureller Neuanfang, als vielmehr
Weiterführung und zugleich Neuansatz in einer Zeit des
Umbruchs zur Debatte standen. Diese Voraussetzungen würden, wie
W. betont, Langeweile gar nicht erst aufkommen lassen, zumal die
starken Impulse, die von den östlichen Provinzen, insbesondere
Syrien, Palästina und Ägypten, vor ihrer arabischen Okkupation,
ausgehen, der Beschäftigung mit der Kultur des frühen Byzanz einen
..besonderen Reiz" verliehen.

Das dem Buch zugrunde gelegte Kulturverständnis definiert W.
sehr differenziert „im Sinne der Gestaltungskräfte, Gestaltungsformen
und Gestaltungen, die der Mensch in materieller wie geistiger Weise
findet, um die durch Natur, Zeit, Gesellschaft, kulturelles Erbe auf ihn
zukommenden Probleme zu bewältigen". Kultur sieht er demnach als
ein „Wechsel- und Spannungsverhältnis" an, das ebenso den Menschen
prägt, wie es ihn selbst prägend hervortreten läßt. Und da W.
hierüber die Einbindung des Individuums in die Gesellschaft seiner
Zeit, d. h. seine Rolle und Stellung in ihr, nicht vergißt, stellt sich ihm
auch die Aufgabe, „möglichst viel von der Kultur der unteren Schichten
zu erfassen", trotz der hinderlichen engen Orientierung vieler
Quellen an den Herrschenden. Abschließend skizziert W. die zur
Annäherung an das Thema gewählten Wege, und zwar mit Hilfe der
drei folgenden Fragen a) „nach dem Wechselverhältnis zwischen dem
Menschen einerseits und geographischem Raum, Geschichte, Gesellschaft
, kulturellem Erbe andererseits" b) „nach der Standortbestimmung
, die diese Menschen des frühen Byzanz in den großen Zusammenhängen
von Welt-, Geschichts- und Menschenbild suchten" und
c) „nach den Kristallisationspunkten, in denen die Selbstverwirklichung
der Byzantiner am deutlichsten zum Ausdruck kommt".

Diesen Fragen entsprechend gliedert sich der Textteil in die Kapitel
„Grundlagen" (11-41), „Leitbilder" (75-103) sowie „Kristallisationspunkte
" (137-168) und schließt mit einem Epilog (201-204).
Zwischen diese Textteile sind jeweils umfangreiche Teile mit farbigen
und schwarzweißen Abbildungen von zumeist hoher Qualität, versehen
mit kurzen Erläuterungen (von G.-F.), eingeschoben (43-74:
Abb. 8-17; 105-136: Abb. 61-102; 169-200: Abb. 115-166), weitere
Abbildungen sowie einige Kartenskizzen sind auf diverse Seiten
der Textteile verteilt. Im Anhang (206-219) finden sich ein Literaturverzeichnis
, eine Zeittafel, ein kombiniertes Namens- und Sachregister
sowie der Bildnachweis.

Eine erste Orientierung über den Inhalt der drei Hauptartikel, der
hier aus Platzmangel leider nicht ausführlich referiert werden kann,
ermöglicht ihre weitere Einteilung in Unterkapitel und Abschnitte. So
setzt sich das erste Kapitel zusammen aus den Unterkapiteln „Basis
der Kultur" (mit den Abschnitten „Prägung durch den geographischen
Raum", „Historische Zäsuren und Weichenstellungen" und
„Vielfalt der Gesellschaft") und „Kulturelles Erbe" (mit den
Abschnitten „Christliches", „Griechisches", „Römisches" und
„Orientalisches"). Das zweite Kapitel hat die Unterkapitel „Theoretische
Voraussetzungen" (mit den Abschnitten „Byzantinisches
Selbstverständnis" und „Das Weltbild in der Kunst", letzterer verfaßt
von G.-F.) und „Leitvorstellungen menschlicher Existenz" (mit den
Abschnitten „Theoretische und praktische Orientierungen" und
„Das Menschenbild in der Kunst", dieser wiederum verfaßt von
G.-F.). Im dritten hingegen finden sich nur Unterkapitel: „Architektur
, bildende Kunst, Literatur und Musik" (von G.-F. bzw. W.),
„Öffentliches Leben", „Geistige Existenz" und „Praktisches
Leben").

Was aus dieser dürren Aufzählung nicht hervorgeht, ist die Vielfalt
der in den einzelnen Kapiteln einmal durch die Autoren selbst, dann
aber auch durch die zumeist längeren Quellenzitate gebotenen Informationen
. Nach Möglichkeit wird vermieden, ausgetretene Pfade zu
begehen und komplizierte Sachverhalte zugunsten scheinbar leichterer
Verständlichkeit zu glätten; statt dessen wird klar gesagt, wo z. B.
aufgrund mangelnder Quellenevidenz oder unzureichender Forschungstätigkeit
noch viele Wissenslücken liegen und Fragezeichen
eher am Platz sind als kühne Hypothesen. Nicht zuletzt deshalb
erweist sich die Lektüre dieses Buches auch für Fachleute als lohnend
und anregend.

Wenn nun, wie zu erwarten und zu hoffen ist, das Buch mindestens
noch eine (oder gar mehrere) Neuauflage(n) erleben wird, sollten -
dies als kleine Bitte zum Schluß - einige wenige Versehen nach Möglichkeit
berichtigt werden: S. 13 lies Synekdemos statt Synekdomos. -
S. 99 lies Eirenaios statt Eireneios. - S. 182 Abb. 136 müßte die Übersetzung
der Inschrift lauten: Ich bin gesund in Christo, statt: Einem,
der das Heil empfangen hat, stifte ich (dieses Becken). - S. 188 u. 189
ist irrtümlich statt der H. Sophia in Istanbul dje Sultan Ahmet
Moschee abgebildet. - S. 199 u. 200 ist in den Bildunterschriften (zu
Abb. 165 u. 166) 1363 bzw. 1374 statt 1563 bzw. 1574 zu schreiben.-
S. 206f lies Haussig statt Haussing und Kitzinger statt Kizinger.

Mainz Günter Prinzing

Korol, Dieter: Die frühchristlichen Wandmalereien aus den Grabbauten
in Cimitile/Nola. Zur Entstehung und Ikonographie alt-
testamentlicher Darstellungen. Münster/W.: Aschendorff 1987.
195 S. m. 3 Tabellen, 34 S. Abb., 56 Taf. z. T. färb. 4- = Jahrbuch
für Antike und Christentum, Erg.bd. 13. Kart. DM 138,-; Lw.
DM 148,-.

In der Arbeit, der eine Bonner phil. Dissertation zugrunde liegt,
wird erstmals ein in Grabungen 1933-1935, 1954-1960 (u.