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Ausgabe:

1989

Spalte:

452-454

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Winkelmann, Friedhelm

Titel/Untertitel:

Frühbyzantinische Kultur 1989

Rezensent:

Prinzing, Günter

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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den guten Werken und Almosen", Canones der Synode von Elvira Kommentatoren übereinstimmend: „Was rede ich noch mit euch!",

(306), Basilius d. Gr.: Brief Nr. 22: Von der Vollkommenheit mona- 1984 seltsamerweise: „Zuerst das, was ich euch auch sage."). Für NvK

stischen Lebens, Ambrosius von Mailand: „Von den Pflichten der aber ist jedenfalls mit dem Wort „principium" das ihn stets besehäfti-

Kleriker", Augustin von Hippo: Brief Nr. 189 und 220 an Bonifacius, gende Thema von der Gotteserkenntnis gestellt.

Thcodoret von Cyrrhus' Heilung heidnischer Krankheiten. Da über die Schrift schon Feigl-Koch, Klibansky und de Gandillac

Kritisch ist zu fragen: 1. tritt, gerade im Hinblick auf die ethische geschrieben haben, brauchen die Editoren in der Praefatio nichts zu

Fragestellung, die bereits im Neuen Testament in Gang befindliche wiederholen. Sie halten sich an den Grundsatz, daß es Aufgabe der

Rezeption des Alten Testaments nicht zu wenig in Erscheinung-etwa Editoren ist, alles aufzuzeigen, was NvK selbst rezipiert hat und was

im Hinblick auf die politische Existenz des Christen? Und 2. ist bei seine eigenen Gedanken sind, sie brauchen aber keine Begritfsge-

den AVV der Tatsache Rechnung getragen, daß neben dem biblischen schichte zu entwickeln. Was NvK selbst kennt und anführt, haben sie

Gedankenfundament heidnische philosophische Elemente, etwa aus notiert. Der Apparat ist, wie meist in den Opera omnia, drcigeteilt.

dem Bereich der Stoa, unbekümmert übernommen und fruchtbar Zuerst werden die Textvarianten vermerkt, dann werden die Quellen

gemacht werden? Ein paar ausgewählte Literaturhinweise - auch für aufgewiesen, aus denen NvK schöpft, und schließlich werden sparsam

den Nicht-Theologen gedacht - beschließen das Buch. Leider fehlt ein die Parallelstellen in seinem Schrifttum angegeben. Auf Adnotationes

theologisches Stichwortregister. können sie verzichten, dafür ist der zweite Apparat sehr umfangreich.

Vier lndices beschließen die Edition (von NvK angeführte Namen

Potsdam Helmut Opitz

und Verfasser; im zweiten Apparat angeführte Verfasser; Codices;
Wortregister).

Dankbar wird die Cusanus-Forschung auch diese Edition immer
wieder zur Hand nehmen. Daß dem Handschriftenfund in Toledo und

Nicolai de Cusa: Opera omnia iussu et auetoritate academiae littera-
rum Heidelbergensis ad codicum fidem edita. X: Opuscula II, Fase.

2b. Ediderunt C. Bormann et A. D. Riemann. Hamburg: Meiner der Veröffentlichung der Marginalien so zügig die Edition folgt, ist

1988. XV, 88 S. 4°. DM 98-. besonders anzuerkennen.

Erfreulich zügig geht die Edition der Opera omnia des Nikolaus von Leipzig/Freiberg Karl-Hermann Kandier

Kues (NvK) voran. In den letzten sechs Jahren sind sieben Bände bzw.__

Faszikel erschienen, davon zwei gründliche Neubearbeitungen. Der

vorliegende Faszikel ist zwar auch keine Erstedition, kommt aber ' K- Reinhardt, Eine bisher unbekannte Handschrift mit Werken des Niko-

einer solchen recht nahe, für die Opera omnia handelt es sich jeden- laus von Kues.in der Kapitelsbibliothek von Toledo, in: Mitteilungen und Forfalls
um eine solche. M. Feigl und J. Koch hatten in den „Schriften des

schungsbeilräge der Cusanus-Gcsellschalt 17, Mainz 1986, 96-141, bes.

10l-l04(vgl.ThLZ, 112, 1987,516-518).

Nikolaus von Kues 1949, "1967 eine deutsche Ubersetzung vor- 2 r » ™» w i- i «_ i . i->- c

" Cusanus-Texte. III. Marginalien. 2. Proclus Latinus. Die Exzerpte und

gelegt, die sich allein auf eine Handschrift stützte. M. Feigl - H. Randnoten des Nikoiaus von Kues zu den lateinischen Übersetzungen der
Vaupel - P. Wilpert hatten 1960 in Padua eine Edition vorgelegt, die Proclus-Schriften. 2.1 Theologia Piatonis. Elementatio theologica. Hg. und erl.
sich auf zwei Handschriften stützte. Inzwischen hat K. Reinhardt in von H. G. Senger; 2.2 Espositioin Parmcnidem Piatonis, Hg. von K. Bormann,
der Kapitelsbibliothek von Toledo eine bis dahin unbekannte Hand- jeweils Heidelberg 1986.
schrift mit Werken von NvK aufgefunden, die auch „De prineipio"
enthält.1 Wenn auch K. Reinhardt (und dem stimmen die Editoren zu)
diese Handschrift in ihrer Qualität als „nicht besonders gut" bezeichnet
, da der Kopist „ziemlich nachlässig" war und „an manchen Stellen
den Text wohl falsch verstanden" hat, so kann die Edition sich Christliche Kunst und Literatur
doch nun auf drei Handschriften stützen, die voneinander unabhängig

sein dürften. Möglicherweise steht die zuletzt bekannt gewordene winke|mann Friedhelm, u. Gudrun Gomolka-Fuchs: Frühbyzanti-
Handschrift, wenigstens an einer Stelle, dem vermuteten Ursprung- nisthe Ku|tur Lejpzig: Edition Leipzig 1987. 219 S. m. 166 Abglichen
Text am nächsten. Auch die beiden Erstdrucke von 1514 4 Ktn z. T. färb. 4°. Lw. M 88,-.
(Paris) und 1565 (Basel) werden herangezogen.

Neben dem Glücksumstand vom Fund der genannten Handschrift Byzanz und seine Kultur sind leicht in Gefahr, einer im Geschichts-

kam der Edition zugute, daß 1986 die Marginalien des NvK zu den bewußtsein der Mitteleuropäer weithin herrschenden Gleichgültig-

Proklos-Schriften Theologia Piatonis, Elementatio theologica und vor keit gegenüber vermeintlichen Randgebieten zum Opfer zu fallen. Es

allem zu seiner Expositio in Parmenidem Piatonis herausgegeben wäre daher bemerkenswert und sehr zu begrüßen, sollte tatsächlich

worden sind.2 Die Bedeutung der Randnotizen kann kaum über- die Zahl derjenigen im Ansteigen begriffen sein, die sich, angeregt

schätzt werden. Es lassen sich hier Einblicke in die Entstehung und etwa durch die Betrachtung byzantinischer Exponate in Museen bzw.

Entwicklung mancher seiner Gedanken gewinnen, sie sind für die Schatzkammern von Kirchen, Klöstern, Domen (z. B. Halberstadt)

Exegese seines Denkens unbedingt zu berücksichtigen. Vor allem der und Schlössern oder durch Rciseeindrücke aus noch immer spürbar

Parmenides-Kommentar hat für die hier edierte Schrift erhebliche vom orthodoxen Christentum geprägten Ländern und Regionen des

Bedeutung, denn NvK hat Proklos intensiv studiert. Ja, man kann einstigen byzantinischen Macht- und Einflußbereiches, nun für die

sagen: „Die Hauptquelle für De prineipio ist der Kommentar des byzantinische Geschichte und Kultur näher zu interessieren begin-

Proklos zu Piatons Parmenides." nen.

Ob es sich bei der hier anzuzeigenden Schrift (in zwei Handschriften Aber das weite Gebiet dieser europäisch-mediterranen Kultur
ist sie datiert: 9. Juni 1459) um eine Predigt oder um eine Abhandlung erschließt sich bekanntlich nicht gerade leicht dem Verständnis breihandelt
, ist schwer zu entscheiden. An sich ist sie ohne Titel überlie- terer Kreise, zumal ja die Kenntnis des (Alt-)Griechischen rapide
fert und wirdauch mit dereingangszitierten Bibelstelle Joh 8,25: „Tu zurückgegangen ist und der Erwerb von Kenntnissen in den slawi-
qui es" bezeichnet. Sie knüpft an an dem Wort „principium", das sehen Sprachen diesen Verlust nur bedingt auszugleichen vermag. So
zwar nach den neueren Kommentaren zum Johannesevangelium wächst begreiflicherweise die Nachfrage nach einführenden, allgemein
auf das uranfängliche Sein Christi zu beziehen ist, wie es NvK mein verständlichen Werken. Nicht selten freilich verstellen solche
mit den lateinischen Vätern getan hat (Luther übersetzte ursprünglich Bücher - gerade beim Thema Byzanz - durch fragwürdige Akzentset-
die Antwort Jesu auf die Frage der Juden „Wer bist du?": „Erstlich zungen oder zu grobe Vereinfachungen den Zugang zum Gegenstand
der, der ich mit euch rede"; in der Ausgabe von 1956 heißt es mit den des Interesses eher, als daß sie ihn zu finden helfen.