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Ausgabe:

1989

Spalte:

441-445

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bucer, Martin

Titel/Untertitel:

Wittenberger Konkordie 1989

Rezensent:

Dingel, Irene

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Theologische Literaturzeitung 1 ] 4. Jahrgang 1989 Nr. 6

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April 1525 ist Müntzer längst in Mühlhausen, wo erden erwähnten Brief an die
Allstedter schreibt (S. 180); das Deutsche Kirchenamt konnte kaum vor August
1524 von den Beratern am Weimarer Hof gelesen worden sein (S. 150). Luther
fordert die Fürsten erst nach der Fürstenpredigt auf, gegen Müntzer vorzugehen
, zumindest an der Stelle, die Ebert zitiert. Außerdem kann Müntzer in
dem angerührten Brief (Nr. 52) Luthers Schreiben an die Fürsten noch nicht
gekannt haben (S. 130. 132ff). Zu einer Verknüpfung von theologischem Argument
und F.ndzeitbewuUtsein kommt es nicht erstmals in Müntzers Brief an
Melanchthon im März 1522, sondern schon vorher. Das militärische Vorgehen
gegen Mühlhausen wird von Herzog Georg und Landgraf Philipp nicht vor, sondern
nach dem Tod Friedrichs des Weisen (S. 192) und erst nach der Belagerung
Salzas durch die. Aufständischen geplant (S. 199). Auch sonst ist manches ungenau
: Müntzer wurde nicht in Mühlhausen, sondern vor den Toren der Stadt
hingerichtet (S. 226), ein schriftliches Hilfsangebot aus Mühlhauscn wird nicht
von der Gemeinde, sondern vom Rat Salzas abgelehnt (S. 199).

Manches hätte genauer gesagt werden können, wenn Ebert es nicht
versäumt hätte, auch die neueste Literatur zu Rate zu ziehen: die Beiträge
von U. Bubenheim» zum Aufenthalt Müntzers in Braunschweig
, die Beobachtungen S. Bräuers zur Vorgeschichte der Fürstenpredigt
, die wohl alles andere als eine Probepredigt war, die Ausführungen
Tom Scotts zu den Bündnissen in Allstedt und Mühlhausen
. Ohne Beleg bleibt die Annahme, Müntzer habe schon in
Leipzig sein Magisterexamen abgelegt (S. 78).

Vieles bleibt unklar: das Verhältnis Müntzers zu Nikolaus Storch
beispielsweise, und was wichtiger ist: die Verknüpfung von Mystik
und Apokalyptik. Sie wird /war registriert, nicht aber im Hinblick auf
den Aulhau der Theologie Müntzers genau herausgearbeitet. Auch
nur nebenher und argumentativ nicht genügend entwickelt, biographisch
zudem nicht richtig plaziert, wird gesagt, daß man bei Müntzer
..von Revolution im Sinne einer totalen Umwälzung" sprechen könne
(S. 138). Der Zusammenhang zwischen den sozialgeschichtlichen
Erörterungen am Anfang und der Charakterisierung Müntzers als
Revolutionär wird aber nicht hergestellt. Solange diese Probleme
ficht in Angriff genommen werden, bleibt Müntzer noch recht
blaß.

Ebert ist zu früh gestartet, mehr Sorgfalt, auch beim Erstellen der
Bibliographie, wäre vonnöten gewesen, nur dann hätte er auch einen
guten Start erwischt.

Hamburg Hans-Jürgen Gocrtz

Bucer. Martin: Deutsche Schriften. Bd. 6,1: Wittenberger Konkordie
(1534-1537). Bearb. von R. Stuppcrich, M. de Kreon, H.Rudolph
. 423 S., 1988. geb. DM 180,-; Bd. 6,2: Zum Ius Reformatio-
nis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535. Dokumente zur
2. Straßburger Synode von 1539. Hg. von R. Stupperich. 267 S.,
1984. Lw. DM 110,-; Bd. 6,3: Martin Bucers Katechismen aus den
Jahren 1534, 1537, 1543. Hg. von R. Stupperich. 288 S., 1987. Lw.
DM 1 10,-. Gütersloh: Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. gr. 8' =
Martini Buceri Opera Omnia. Serics I. Martin Bucers Deutsche
Schriften.

Mit dem Erscheinen des ersten Teilbandes liegt nunmehr Band 6
der Deutschen Schriften Martin Bucers sieben Jahre nach der Veröffentlichung
des I 7. Bandes geschlossen vor. Bereits 1984 war jedoch
Band 6,2 der Öffentlichkeit zugänglich, und es folgte ihm 1987, in
einem seit Band 4 der Ausgabe inzwischen eingespielten Drci-Jahres-
Rhythmus, der dritte Teil. Band 6,1 erschien dann schon im Jahr darauf
. Nicht nur finanzielle Gründe, sondern auch die beachtliche
Menge der zur Edition vorgesehenen Schriften hatten eine Aufspal-
'ung in drei Teile notwendig gemacht. Der erst kürzlich erschienene,
die Schriften zur Wittenberger Konkordie veröffentlichende Teilband
ist der letzte unter der Leitung von Robert Stupperich erarbeitete und
herausgegebene Beitrag zur Edition von Martin Bucers Deutschen
Schriften.

Die Bände 6,1-6,3 erfassen Schriften aus dem Zeitraum von
1534-1543, wobei hier allerdings das für die Edition gewählte chronologische
Ordnungsprin/ip durch eine thematisch orientierte Gruppierung
überlagert wird.'Auch die Ausgrenzung lateinischer Schriften
ist in den Bänden 6,1 und 6,2 aus Gründen themenzentrierter Geschlossenheit
nicht durchgehalten. Dieser Gesichtspunkt war letzten
Endes ebenfalls ausschlaggebend dafür, daß man in Band 6,1 sinn-
vollcrwcise auf die bisher stets respektierte Trennung von gedruckten
und ungedruckten Schriften verzichtete. Außerdem wurden Stücke
aufgenommen, die der Benutzer ebensogut in der die Korrespondenz
veröffentlichenden Reihe hätte vermuten können (z. B. Nr. 1, 19, 20
u. 21). Zwar mag die Gesamtkonzeption einer Edition unter der hier
sich erneut deutlich bemerkbar machenden fehlenden Stringcnz leiden
, wenn nicht sogar in Frage gestellt werden, worauf ja auch schon
früher wiederholt Hinweise erfolgt sind. Jedoch wird die Erschließung
des vielschichtigen Wirkens Martin Bucers durch die so gewahrten
Zusammenhänge dem Benutzer andererseits eindeutig erleichtert.
Jedenfalls steht dies für die im ersten Teilband dokumentierte Vor-
und Nachgeschichte der Wittenberger Konkordie außer Zweifel.

In diesem Band wird unter 23 Nummern überwiegend handschriftlich
vorliegendes Material zugänglich gemacht. Etwas unglücklich ist.
daß die Angaben darüber, ob es sich bei dem jeweiligen Dokument um
einen Druck oder eine Handschrift handelt, manchmal so dürftig oder
unübersichtlich ausfallen, daß eine unmittelbare und schnelle Orientierung
für den Benutzer nicht unbedingt gewährleistet ist. Lediglich
die „Zehen hauptartieul Christlicher leere" (Nr. 5). die lateinischen
„AXIOMATA APOLOGETICA" (Nr. 6) und das „Geleitwort
Bucers zu Zwingiis und Ockolampads Briefwechsel" (Nr. 8) lagen in
zeitgenössischen Drucken zur Edition vor. Man hätte übrigens die
„Zehen hauptartieul Christlicher leere" sowohl unter chronologischem
Aspekt als auch im Blick auf die Verortung des Textes ebensogut
in Band 6,2 erwarten können, der Bucers Augsburger Wirksamkeit
dokumentiert, allerdings in seiner Konzentration auf die Obrigkeitsschriften
diesen Text wiederum auch nicht problemlos zugelassen
hätte. Insgesamt aber belegt Band 6,1 mit den um den Text der Wittenberger
Konkordie (Nr. 10) gruppierten Schriften in beeindruckender
Geschlossenheit die intensiven Bemühungen Bucers um eine endgültige
Beilegung der Abendmahlskontroverse. Sie zeigen den Straßburger
als einen unermüdlich um Verständigung ringenden, in seinen
Formulierungen behutsam auswählenden und zugleich äußerst geschickt
argumentierenden Theologen. Dies gilt sowohl für die in das
Vorfeld der Wittenberger Konkordie gehörenden Schriften als auch
für die die Naehgcschichte dokumentierenden. Die unbedingte Notwendigkeit
einer Einigung auch im Blick auf das Tür 1537 erwartete
Konzil und die Übereinstimmung des in der Konkordie festgehaltenen
Abendmahlsverständnisses mit dem der Confessio Augustana
und der Confessio Tetrapolitana sowie die unmittelbare Nähe des in
der Konkordie formulierten Standpunktes zu den Grundanliegen
Zwingiis und Ockolampads in dieser Frage sind Themen, die von
Bucer immer wieder aufgegriffen und variiert werden, mit dem Ziel,
sowohl die Stadt Konstanz als auch die unter der Confessio Helvetica
prior geeinten Schweizer doch noch für die Konkordie zu gewinnen.
In cindrücklichcr Weise vermitteln die Texte unmittelbaren Einblick
in Bucers Überzeugung, daß die zwischen Schweizern und Wittenbergern
bestehenden Differenzen letzten Endes auf gegenseitigem
Mißverständnis beruhen, welches seinerseits sich aus dem unterschiedlichen
Zugang zu den biblischen Abendmahlsworten und deren
verschieden durchgerührter Auslegungswcise herleite. Dies aber kann
und will Bucer nicht als Hindernis für ein gegenseitiges Einvernehmen
akzeptieren. Dazu sind besonders die von Bucer selbst übersetzten
und als Nr. 23 edierten Rctractationes aus dem Jahre 1537 interessant
, deren deutsche Version hier erstmals im Druck bereitgestellt
wird. Die parallel zur lateinischen Vorlage gestalteten Wiedergabe
läßt erkennen, daß der Straßburger über seine lateinische und bei den
Schweizern sehr umstrittene Vorlage hinaus erweiternd und akzentuierend
in den Text eingegriffen hat. Irreführend für den Benutzer ist
dann allerdings, wenn der Paralleldruck inhaltlich nicht immer korrekt
durchgeführt wird, so daß auf den ersten Blick der Eindruck entstehen
kann, der Text sei im Deutschen unabhängig vom lateinischen