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Ausgabe:

1989

Spalte:

439

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Frank, Isnard Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Bettelordensstudia im Gefüge des spätmittelalterlichen Universitätswesens 1989

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

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439

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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Dunstans, ermordet. Daß die Kirche als ganze indes an Einfluß eher
noch zunahm, schreibt er den vielen Schülern Dunstans, Ethelwolds
und Oswalds zu, die bis 1038 den Prälatensitz in Canterbury und mit
ihm manche anderen Schlüsselpositionen in der englischen Kirche
innehatten, was diese Periode auch zu einer frühen Blütezeit englischer
Kunst und Literatur im Rückgriff auf die karolingische Renaissance
werden ließ.

Rostock Gert Wendclborn

Frank, Isnard Wilhelm: Die Bettelordensstudia im Gefüge des spätmittelalterlichen
Universitätswesens. Stuttgart: Steiner 1988. 59 S.
8° = Institut für Europäische Geschichte Mainz, Vorträge, 83. Kart.
DM 15,80.

Über Bedeutung und Ablauf des Studiums für die Bettelorden informiert
vorwiegend die Ordensspezialliteratur. Zusammenfassungen
leiden notgedrungen unter Skizzenhaftigkeit (z. B. Lexikon des Mittelalters
Bd. 1 Sp. 2091Q oder Vereinfachung. Nicht selten werden
alte Fehlurteile tradiert. Frank, in der Materie ausgewiesener Dominikanertheologe
, konzentriert sich in seinem 1986 im Mainzer Institut
gehaltenen Vortrag auf die Frage nach der rechtlich-institutionellen
Stellung der Bettelorden im spätmittelalterlichen Universitätsgefüge.
Dadurch, daß er vor allem'die Untersuchungen zur Ordens- und zur
Universitätsgeschichte aus jüngster Zeit umfassend auswertet, kann er
die Entwicklung der Mendikantenstudien deutlicher und differenzierter
als das in den meisten Überblicksdarstellungen geschehen ist, aufzeigen
. Die prägende Position der Pariser Universität wird erneut
sichtbar, aber auch die Rolle der Bettelorden bei der Verbreitung der
Scholastik. Von Bedeutung ist vor allem Franks Hinweis, daß es fragwürdig
sei, für Ende des 15. Jh. „noch von geschlossenen Schulen der
Mendikanten an den Universitäten des deutschsprachigen Raumes
mit je eigener Ordens- und Schultheologie zu sprechen" (57f). Als
Ursache für die Erosion der Ordenstheologie bzw. zunehmende Prägekraft
der jeweiligen Fakultät auf das Mendikantenstudium macht er
die seit der zweiten Hälfte des 15. Jh. feststellbare Regionalisierung
und soziale Verwurzelung der Universität im jeweiligen Umland
namhaft: ..Man muß Bewahrung wie Zersetzung von .Ordensschulen'
im Zusammenhang sehen mit den Wandlungen der Universitäten
zum neuen Typ von regionalisierten Landesuniversitäten" (57). In der
Konsequenz dieses Ergebnisses erweist sich E. Klcineidams Erklärungsmodell
(Fehlen einer geschlossenen Ordcnsschule mit fester Tradition
) Tür die Anfälligkeit der Erfurter Augustinereremiten für Nominalismus
und Humanismus, das Frank zur Exposition seines Referates
verwendet (das Zitat aus Kleineidam findet sich auch wörtlich in
der von Frank nicht verwendeten zweiten erweiterten Aufl. von 1983,
S. 270), als nicht tragfähig. Eine Reihe weiterer Korrekturen gängiger
Urteile bietet der reiche Anmerkungsteil des instruktiven Überblicks
(die Anm.-Verweise sind in einigen Fällen korrekturbedürftig, z. B.
Anm. 34 und 36). Die auf die rechtlich-institutionelle Stellung des
Mendikantenstudiums eingegrenzte Fragerichtung hat sich als fruchtbarerwiesen
.

Berlin Siegfried Bräuer

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Ebert, Klaus: Thomas Müntzer. Von Eigensinn und Widerspruch.
Frankfurt/M.: Athenäum 1987.291 S. m.Abb.8".Lw. DM 56,-.

Klaus Ebert ist früh gestartet: Er hat das erste Buch in der Reihe der
Publikationen vorgelegt, die zum 500. Geburtstag Thomas Müntzers
erschienen sind und noch erscheinen werden. Ebert knüpft an den
thematischen Aspekt an, den er bereits in seiner Dissertation untersucht
hat. Im Anschluß an die Diskussion um die „kritische Theorie"
suchte er damals nach Ansätzen „für eine politische Theorie von

christlichem Handeln im Sinne einer Veränderung gesellschaftlicher
Verhältnisse" (Theologie und politisches Handeln. Thomas Müntzer
als Modell. Stuttgart 1973-, S. 7). Jetzt geht er dem Zusammenhang
von theologischem Denken und politischem Handeln noch einmal
nach und zeichnet ein wesentlich helleres Bild von Müntzer. Wurde
die eschatologische Sicht der gesellschaftlichen Verhältnisse einst als
Unfähigkeit des Theologen gedeutet, „die politisch notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen" (S. 95), werden in den eschatologischen
Bildern jetzt Motive entdeckt, „die gerade eine authentische Erfahrung
vom Sinn in der Geschichte freizusetzen vermögen und somit das
Subjekt politisch handlungsfähig machen" (Thomas Müntzer,
S. 268). Müntzer erscheint als Repräsentant einer Geschichte, die von
dem „Wahn" verdrängt wurde, „mittels technischer Rationalität die
grundlegenden Bedürfnisse der Menschen befriedigen zu können"
(S. 2660- Mit Müntzer meldet sich „Gegengeschichte" bzw. „Geschichte
von unten" zu Wort, eine Geschichte, wie Ebert meint, die
allein den Sinn des Weltlaufs zu enthüllen vermag.

Stärker als früher bemüht Ebert sich jetzt um die Biographie Müntzers
. Sie ist das Kernstück dieses Buchs. Vorangestellt sind Abschnitte
über die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen und über das
religiöse Leben am Vorabend der Reformation, wie es in der allgemeinen
Volksfrömmigkeit und in der Neigung des gemeinen Mannes zu
mystischer Einkehr und eschatologischer Erwartung seinen besonderen
Ausdruck fand. Abgeschlossen wird das Buch mit einem Kapitel
zur Rezeptionsgeschichte und einem Epilog zur Aktualität Müntzers
in der Gegenwart. Aufs angenehmste unterbrochen wird der Text von
zahlreichen Abbildungen: Titelblättern, Stadtansichten, Porträts,
Faksimilewicdergaben von Müntzers Handschrift und Holzschnitten
aus den Flugschriften.

Unverständlich ist, warum der sozialgeschichtliche Entwicklungsrahmen
auf den Bauernkrieg eingeengt wird. Müntzer ist doch mehr
eine Figur der frühen Reformation als des Bauernkriegs, und der
Begriff der „frühbürgerlichen Revolution", den Ebert ausführlich diskutiert
, meint doch beides: Reformation und Bauernkrieg. Nur so
erhält dieser Begriff einen Sinn. Unverständlich ist auch, daß Ebert
neben das Konzept der „frühbürgerlichen Revolution" die Deutung
des Bauernkriegs als „Sozialkonflikt" stellt, aber nicht so recht wahrnimmt
, daß es sich dabei um ein alternatives Erklärungsmodell handelt
und die Interpretation Peter Blicklos von der „Revolution des
gemeinen Mannes" oder der „Gemeindereformation" in der Forschung
ein stärkeres Gewicht erlangt hat als dieses. Überhaupt enthalten
diese Passagen zahlreiche Ungereimtheiten: Der Fürkauf wird mit
dem Verlagswesen verwechselt (S. 34), ältere und neuere Forschungsliteratur
wird gelegentlich ohne Bedacht miteinander gemischt, insgesamt
: Das Forschungsangebot wird nicht zu einem Konzept verarbeitet
, das einer Deutung Müntzers wirklich dienlich sein könnte.

Ähnlich verhält es sich mit den Beobachtungen zur Volksfrömmigkeit
, zu Mystik und Eschatologic. Vieles bleibt zu allgemein und ungenau
. Die Laienbruderschaften haben nichts mit Müntzers „Ver-
bündnissen" zu tun, Mystik und Apokalyptik werden nicht miteinander
verbunden, wie es für Müntzer doch kennzeichnend ist. Hier
rächt sich, daß Ebert sich kaum um die einschlägige Forschungsliteratur
bemüht hat. Was im sozialgeschichtlichen Abschnitt zuviel war,
ist hier zu wenig. Ebert bewegt sich auf historischem Feld recht unsicher
.

Das zeigt sich auf besonders ärgerliche Weise nun in den biographischen Passagen
. Namen werden verwechselt: nicht Hans Zciß, sondern Müntzer schrieb
den zitierten Brief (S. 142), Johann Friedrich war nicht der NelTc, sondern der
Sohn Herzog Johanns (S. 132), andere Namen werden verschrieben: z.B.
Sangerhausen (S. 142), Weißenfels und Naumburg (S. 217), Hohnstein (S. 205)
usw. Gelegentlich stimmen die Datierungen nicht: die Disputation zu Weimar
fand nicht 1523, sondern 1522 statt (S. 103), der Zug aufs Eiehsfeld erfolgte
nicht am 19., sondern am 26. April (S. 205). Das sind übrigens nicht die einzigen
Male, daß Ebert mit der Chronologie leichtfertig umgeht: Wen^man den
Anspruch erhebt, die Entwicklung der theologischen Gedanken bei Müntzer zu
rekonstruieren, dann darf man den Briet an die Stoiberger Brüder nicht nach
dem „Gedichteten Glauben" und der „Protestation" behandeln (S. I22f): im