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Ausgabe:

1989

Spalte:

437

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kümmel, Werner Georg

Titel/Untertitel:

Einleitung in das Neue Testament 1989

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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sehen) Antike und deren Bedeutung für ihre jeweiligen Gültigkeitsbereiche
aufgezeigt. Im Anschluß daran unternimmt der Vf. es, die
Einflüsse der in neutestamentlicher Zeit vorhandenen Nachfolgeordnungen
auf das frühe Christentum nachzuweisen. Dabei kommt er zu
vor allem zwei bemerkenswerten Erkenntnissen:

Der Herrenbruder Jakobus war - auf Grund des jüdischen Prinzips
der Nachfolge - der natürliche Nachfolger Jesu. Als solcher war er
..Haupt der Gesamtkirche, nicht nur der Jerusalemer Muttergemeinde
" (42) und kannte demzufolge „keine Grenzen für die Ausübung
seiner Verantwortung" (48). Anders Petrus. Mit ihm verband
sich eine im römischen Recht verankerte Nachfolgevorstellung.
Danach war ihm bloß eine zeitlich begrenzte und nur auf bestimmte
Aufgaben beschränkte Beauftragung zuteil geworden. Der Gedanke
des Stellvertreters Christi stammt dagegen erst aus jüngerer Zeit. - Wie
mit Jakobus und Petrus, so haben sich damalige Nachfolgevorstellungen
auch noch mit anderen neutestamentlichen Gestalten verbunden;
z- B. mit dem Lieblingsjünger Jesu. Dieser wurde nach Joh 19,26-im
Sinn einer privatrechtlichen Regelung - „zum Erben eingesetzt, nicht
jedoch zum Führer der Jünger und Nachfolger Jesu" (61).

Im letzten Kapitel stellt B. die Frage nach einem „Testament" Jesu.
Sie ist begründet in der Annahme, daß Jesu Abschiedsreden und letzte
Worte „nicht ohne eine Entsprechung im wirklichen Leben entstanden
sein" können (74). Außerdem waren „Testamente" damals allgemein
üblich. B. findet das „Testament" Jesu in Lk 22,27ff und
(modifiziert) in Joh 17,26. Diese damit in ältester wie jüngster Zeit des
Urchristentums bewahrte Tradition aber bezeugt zugleich die Eigenart
von Jesu „Testament": „Das Erbe (wird) nicht vergeudet, sondern
... [ungeteilt an die Glaubenden] weitergereicht". Daraus folgt:
..Das Prinzip der Nachfolge tritt an die Stelle des Amts des Nachfolgers
" (82).

Leipzig Werner Vogler

Kümmel, Werner Georg: Einleitung in das Neue Testament. Unveränderter
Nachdruck d. 21., erneut erg. Aufl. (Lizenzausgabe des Verlages
Quelle & Meyer, Heidelberg) Berlin: Evang. Verlagsanstalt
!988.XIX,593S.8Lw.M35,-.

Auch wenn es sich nur uni den unveränderten Nachdruck der 10.
'21.) Auflage des Einleitungswerkes von W.G.Kümmel aus dem
Jahre 1983 handelt, die ihrerseits den unveränderten Text der 6.
(17.) Auflage von 1972, erweitert um den Nachtrag der einschlägigen
Literatur bis März 1983, bietet, so ist das Erscheinen dieses klassisch
7-u nennenden Buches in der Evangelischen Vcrlagsanstalt Berlin sehr
*u begrüßen. Es stellt auch heute noch die große Einleitung in das
Neue Testament für unsere Zeit dar. Natürlich ist bedauerlich, daß die
neueste Literatur nicht genannt und eingearbeitet ist, zumal die souveräne
Literaturbeherrschung zu den charakteristischen Stärken dieser
Einleitung gehört; doch wagt sich gegenwärtig wohl kaum jemand
aus der jüngeren Generation an eine solche Aufgabe. Im übrigen aber
bleibt das Buch mit seinem abgewogenen, klaren und unbestechlichen
Urteil über alle einleitungswissenschaftlichen Fragen fundamental
und auch aktuell, da sich in der Regel die Diskussionslage nicht
grundstürzend geändert hat. Nicht zuletzt liegt sern Wert darin, das
Bewußtsein dafür offen zu halten, daß die anstehenden Fragen im allgemeinen
diffiziler sind als schnelle Lösungen erscheinen lassen, auch
wenn es dadurch manchem mühselig zu lesen vorkommen will. Es ist
dankenswert, daß für einen wichtigen Teilbereich der neutestament-
uehen Wissenschaft ein so verläßliches Handbuch zur Verfügung
steht.

T. H.

Kirchengeschichte: Mittelalter

Dales, Douglas: Dunstan. Saint and Statesman. Cambridge: Lutter-
worth Press 1988. XII, 207 S. gr. 8 geb. £ 15.95.

D. Dales, Pfarrer der anglikanischen Kirche und Leiter der theologischen
Studien im Marlborough College, widmete diese Abhandlung
Dunstan (909-988) anläßlich seines 1000. Sterbetages. Bei uns nur
wenig bekannt, war dieser die zentrale Gestalt der englischen Kirche
und Gesellschaft zwischen dem Tod König Alfreds 899 und der normannischen
Eroberung 1066. Mustergültig ordnet Vf. die z. T. nur
spärlichen biographischen Kenntnisse in die Gesamtentwicklung des
englischen Königtums und seiner Kirche in ihrer angelsächsischen
Spätphase im Zeichen weithin durchgesetzter staatlicher Einheit
unter den Königen von Wessex ein. Die vorangestellten Listen der
Könige von Wessex und ganz England von Alfred d. Gr. (871 -899) bis
zu Cnut (1016-1035) und der Erzbischöfe von Canterbury von Pleg-
mund (890-923) bis Aethelnoth (1020-1038) kennzeichnen den Umfang
seiner Untersuchung, die die historischen Voraussetzungen ebenso
wie Dunstans Vermächtnis einschließen.-

Die Gliederung der Biographie wertet mit Recht die Ernennung
Dunstans zum Erzbischof von Canterbury als entscheidende Zäsur
seines Lebens, übte er doch dieses Amt bis zu seinem Tode aus, so daß
sein faktischer Primat über die englische Kirche zu den längsten der
englischen Geschichte gehört, was um so folgenreicher war, als den oft
noch blutjungen Königen zu seinen Lebzeiten großenteils nur eine
kurze Regierungszeit beschieden war. Und doch war diese Ernennung
nicht eigentlich eine Zäsur, sondern die folgerichtige Krönung der ca.
50 vorangehenden Lebensjahre, wenn diese auch nicht frei von Rückschlägen
waren.

Dunstan entstammte offenbar einer mit dem Königshaus entfernt
verwandten Adelsfamilie in der Nähe von Glastonbury, wo sich ein
bis auf die Keltenzeit zurückreichendes Kloster befand, das sich des
königlichen Schutzes erfreute und unter Dunstans Leitung zum wohlhabendsten
englischen Kloster und zum ausstrahlungsfreudigen Zentrum
der Klosterreform wurde, aus dem (Erz-)Bischöfe und Äbte
anderer Konvente hervorgingen. Daß Dunstan in seinem Stellvertreter
Ethelwold und in Oswald Freunde und Mitarbeiter fand, die
gleichfalls zu hohen kirchlichen Würden aufstiegen, prägte in der
Folgezeit weithin das kirchliche Leben Englands in Parallele zu den
von Lothringen ausgehenden Reformtendenzen auf dem Festland.
Dunstans zeitweiliges Exil im Kloster Blandinium in Gent, das von
dem mit dem englischen Königshaus verschwägerten Arnulf von
Flandern begünstigt wurde, und das Wirken von Mönchen aus dem
Reformkloster Fleury einschließlich seines späteren Abtes Abbo förderten
diese Annäherung beträchtlich.

Dieser Prozeß vollzog sich freilich nicht ohne Gegenwehr, denn der
Versuch, Kanonikate schrittweise in Mönchsgemeinschaften umzuwandeln
, fand auch hier naturgemäß unter dem betroffenen Klerus
wie unter dem Laienadel nicht nur Freunde, und Dunstan wußte sich
auf die staatskirchlichen Bedingungen stets einzustellen. Dales läßt an
keiner Stelle seines Buches, so sehr fr geistliche Züge des Abtes und
Erzbischofs Dunstan hervorhebt, einen Zweifel am streng staatskirchlichen
Charakter dieses Mannes gemäß den leitenden Vorstellungen
seiner Zeit, die bereits ein Jahrhundert später als anachronistisch
galten. Dunstan war in gleichem Maße königlicher Berater wie Prälat,
ja er hatte nach seiner Rückkehr aus dem flandrischen Exil unter
König Edgar (959-975) faktisch das höchste Staatsamt inne und war
deshalb auch an den Gesetzeskodifizierungen beteiligt, als die Vereinheitlichung
Englands ihren ersten Höhepunkt erreichte, die Könige
von Wessex auch nach Norden ausgriffen, die Dänen in ihrem Siedlungsbereich
durch kluges Maßhalten an sich banden und auch die
kleinen keltischen Königtümer des Westens unter ihre Kontrolle
brachten, ja mit der Missionierung Skandinaviens begannen. Die
Schlußteile des Buches zeigen allerdings, daß dies nur eine Atempause
für die angelsächsische Herrschaft war, setzten doch schon in Dunstans
letzten Lebensjahren die brutalen Überfälle der Wikinger von
neuem ein, die die folgenden Jahrzehnte für ganz England zu einer
ausgeprägten Leidenszeit machten.

Dales verdeutlicht, daß unter diesen Überfällen auch viele Kirchen
und Konvente litten, wurde doch sogar Alphege, einer der Nachfolger