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Ausgabe:

1989

Spalte:

434-436

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Nash, Ronald H.

Titel/Untertitel:

Christianity and the hellenistic world 1989

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 6

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schnitten, nämlich "2. Johannine Polemic: The Gospel" (S. 5-119),
"3. Johannine Polemic: The Letter" (S. 121-151) und "4. John and
Uohn Compared" (S. 153-186). Die Anmerkungen, von 1 bis 309
durchgezählt, finden sich dem Ganzen nachgestellt (S. 187-225).
Beschlossen wird der Band durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis
(S. 227-260) und einen - besonders nützlichen - Index der
zitierten Autoren (S. 261 -268) sowie einen Index der herangezogenen
Bibelstellen (S. 269-278). Das Buch wirkt fleißig und sorgfältig ausgearbeitet
und ist mit Engagement und flüssig geschrieben.

Es ist das besondere Anliegen von W., herauszustellen, was die
Polemik der beiden Schriftstücke, die ja in einen ganz verschiedenen
Kontext gehören, dennoch miteinander verbindet. "The Gospel is tel-
'■ng the story of Jesus for the benefit ofChristians whose faith is sever-
e'y challenged by Jewish opponents, while the Letter is restating cer-
tain basic themcs of Johannine thought for the benefit of Johanninc
disciples in order to assure them and warn them of a subtle erroneous
Taching that has arisen in their midst" (S. 154). Es geht beidemale
um die Tradition (hier das AT, dort die joh. Auffassung des Christentums
), die jeweils beide Kontrahenten für sich in Anspruch nehmen
und aus der die Legitimität des eigenen Anspruchs abgeleitet werden
muß. Und das jeweils letzte Argument dabei ist die rechte Auffassung
von Gott, also die Theologie im engeren Sinne; nur da, wo von dem
Gott die Rede ist, dessen gnädige Liebe den Menschen im Tode Jesu
^ hristi offenbar und zuteil wird, ist rechte Lehre.

Was Einzelheiten des Inhalts anbelangt, so hat mir zum Uoh die
erwagung gefallen, daß die Position der Gegner von der des Verfassers
auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden gewesen sein mochte
'z-B. S. 133), und der retardierende Selbsteinwand - den er aber
schließlich doch glaubt als nichtig erweisen zu können -, ob nicht
etwa hinsichtlich der Offenheit gegenüber dem Neuen die Haltung des
Uoh derjenigen des JohEv geradezu entgegengesetzt ist: die Befreiten
sind zu Unterdrückern geworden (vgl. S. 176).

Wenn schließlich auch noch Probleme des Buches angedeutet werden
sollen, so sei dem Rez. schon im voraus zugute gehalten, daß er
aus einer ganz anderen exegetischen Schule stammt und schon deswegen
manchem hier Gesagten mit staunender Fassungslosigkeit
gegenübersteht. Wenn ich das in meinen Augen Wesentliche auf eine
Formel bringen dürfte, so würde ich Käsemanns Schlagwort vom
naiven Doketismus des JohEv (das W. natürlich kennt, aber für fälsch
n;ih)auf die in diesem Buch angewendete exegetische Methode übertragen
: es ist alles irgendwie nicht wirklich! Weil W. exegetische Willkür
um jeden Preis vermeiden will, werden praktisch alle historisch-
britischen Fragen (Verfasser, Verhältnis zum Lieblingsjünger, Quel-
'entheorien, etc.), obgleich er sie nennt und für berechtigt erklärt,
offengelassen. W. will die Texte in der Gestalt behandeln, wie sie uns
nun einmal vorliegen. Das kann man ja machen; und es gibt Namen
"ir solches Vorgehen. Aber man darf dann auch nicht versuchen, da-
"W Antworten auf historische Fragestellungen zu bekommen. Besonders
auflallig ist das Vorgehen im Kapitel über das JohEv. Da z. B. die
Frage nach Tradition und Redaktion gar nicht auftaucht und auch der
Sachverhalt der Transparenz des in der Vergangenheit Erzählten für
die Gegenwart des Evangelisten nicht zur Sprache kommt, wird nur-
Unter verschiedenen Gesichtspunkten - nacherzählt, was im Ev über
d'e Auseinandersetzung Jesu mit den Juden geschrieben steht, und
erfblgt die Auswertung für das Thema nur mittels rhetorischer Einbindungen
. Auch in bezug auf die Literatur steht W. gewissermaßen
u°cr den Dingen. Er benutzt sie, wie man am Wege Blumen pflückt -
°derauch nicht pflückt. Andere Positionen kennt, ja würdigt er ausdrücklich
, aber ohne von ihnen irgendwie berührt zu werden. Man
konnte sogar sagen, daß er eigentlich eine Untersuchung nur durchzufahren
scheint. Einen wirklichen Unterschied zwischen Ergebnis und
Ausgangspunkt wird jedenfalls der kaum sehen, der schon weiß, was
'rn JohEv und im I Joh geschrieben steht.

Berlin Hans-Martin Schenke

Kuhn, Hans-Jürgen: Christologie und Wunder. Untersuchungen zu
Joh 1,35-51. Regensburg: Pustet 1988. XV, 679 S. 8' = Biblische
Untersuchungen, 18. Kart. DM 48,-.

Die von J. Eckert betreute Trierer Dissertation untersucht einen
Einzelabschnitt aus dem Joh - nämlich die Perikope 1,35-51 - in
einer methodisch klaren und besonders eindringlichen Weise, jedoch
nicht einfach als isoliertes Textstück, sondern unter steter Berücksichtigung
der Blickrichtung auf eine Gesamtanschauung des Joh. Dabei
gelingt es K., sowohl die formalen wie die inhaltlichen Aspekte des
Textes präziser als seine Vorgänger zu beschreiben und seine oft ins
Filigrane gehenden Ausführungen so in sein Darstellungskonzept einzuordnen
, daß man zugleich (unter Zurückstellung der Überlänge der
Arbeit) von einer mustergültigen Dissertation sprechen darf.

K. beginnt nach einem Überblick über die Forschungsgeschichte
seit dem Anfang des 18. Jh. (S. 3ff) mit der Literarkritik zur Perikope
(S. 69ff). Unter besonderer Bevorzugung stilkritischer Beobachtungen
kommt er zu einem einfachen Ergebnis: Wenn man 1,43.51 herausstellt
, erhält man eine in drei Episoden gegliederte Einheit, die den im
Joh verarbeiteten Wunderberichten sehr nahe steht und darum als
Einleitung der Semeiaquelle gelten kann (vgl. S. 160f).

Nach diesem Arbeitsgang widmet sich K. der Bestimmung von
Form und Gattung dieser Perikope (S. 162ff). Dabei fällt das Augenmerk
auf die sprachliche Gestalt, auf den Vergleich mit Mk 1,16-20
parr., auf die formgeschichtlichen Verhältnisse innerhalb der Perikope
und auf die dreimalige „Du bist"-Rede im Text. Das wichtigste
Ergebnis dieser Teiluntersuchung ist die Feststellung, daß die Einheit
eine Kombination von „Präsentationslegende" (1,35-39) und „chri-
stologischer Erweislegende" (in doppelter Abf. 1,40-42.44-50) ist.

Nun ist zweifellos der Text durch die christologischen Aussagen
geprägt, wäre also unzureichend behandelt, würde nicht sein christo-
logisches Gesicht nachgezeichnet. Dabei stehen sich bisher zwei verschiedene
Erklärungsmuster gegenüber: Einmal wird der Text und die
Semeiaquelle überhaupt von einer judenchristlichen Prophet-Chri-
stologie her begriffen; zum anderen wird eine hellenistisch-jüdisch
gefärbte „Gottmensch"-Christologie postuliert. K. kennzeichnet
beide Deutungen sehr präzise und erörtert dann ihre Tragfähigkeit
(S. 270ff). Der erste Lösungsversuch wird mit bekannten bzw. z. T.
neuen Gesichtspunkten als nicht einleuchtend zurückgewiesen
(S. 294ff). Die zweite Position (S. 352fT) wird vom Sohn-Gottes-Titel,
von der Funktion der Wunder und von dem Motiv des wunderbaren
Wissens her untersucht mit dem Ergebnis, daß bei einer deutlichen
Formalisierung der alttestamentlieh-jüdischer Tradition entstammenden
Hoheitstitel in 1,35ff der Einfluß der (jüdisch-) hellenistischen
Vorstellung vom „göttlichen Menschen", mag der Begriff auch
eine gewisse Unschärfe enthalten, nicht geleugnet werden kann.

Wenn die Besprechung einmal von Einzelheiten absieht, die unter
Exegeten immer schon darum strittig sind, weil der hypothetische
Charakter von Argumentationsgängen nie ausgeschlossen werden
kann, wird man feststellen, daß die methodische Durchführung, die
Ergebnisse im konzeptionellen Makrobereich und das Darstellungs-
konzept hohes Lob verdienen. K. zeigt nachhaltig, daß und wie es sich
lohnt, am Joh literarkritisch und formkritisch'zu arbeiten und die religionsgeschichtliche
Frage z. B. nach der Herkunft der christologischen
Konzepte nicht einseitig und monokausal zu entscheiden. K.
hat den Weg. den Verbund dieser Frageweisen zu praktizieren, begehbarer
und zuverlässiger gemacht. Darin liegt - von vielen guten Ein-
zelbeobachtungcn abgesehen - das eigentliche Verdienst der Dissertation
.

Kiel Jürgen Beeker

Nash. Ronald H.: Christianity and the Hellenistic World. Grand
Rapids: Zondervan Publ. House; Dallas, TX: Probe Ministries
International 1984. 318 S. 8" = Christian Free University Curricu-
lum. Kart. £9.95.